Turniersieg für Zverev in den USA:Der Drei-Satz-Champ

Western & Southern Open - Day 8

Alexander Zverev spielt seit Wochen stark - was bedeutet das für die US Open?

(Foto: Matthew Stockman/AFP)

Deutschlands bester Tennisspieler Alexander Zverev gewinnt in Cincinnati seinen fünften Masters-Titel - doch macht ihn das auch zum Favoriten bei den US Open, wo über drei Gewinnsätze gespielt wird?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Alexander Zverev ist in dieser Disziplin, die auf der Tennisanlage von Cincinnati gespielt wurde, der derzeit Beste der Welt. Er hat das Finale gegen Andrej Rublew aus Russland nicht gewonnen, er hat dem Gegner beim 6:2, 6:3 eine Lehrstunde erteilt - spielerisch, technisch, taktisch. Einen Tag davor hatte er den Griechen Stefanos Tsitsipas niedergerungen und dabei nervenstark auf die ausgesprochen lange Toilettenpause (acht Minuten) von Tsitsipas nach dem ersten Satz sowie die beiden Breaks gegen sich im entscheidenden dritten Durchgang reagiert und ein fast verlorenes Match gedreht. Im Viertelfinale hatte er, 6:1, 6:3, kurzen Prozess mit dem aufstrebenden, hoch eingeschätzten Casper Ruud aus Norwegen gemacht.

Es ist bereits der fünfte Masters-Titel für Zverev (zwei auf Sand, drei auf Hartplatz), mehr hatten in seinem Alter, 24 Jahre, vier Monate, nur sechs Spieler errungen: Rafael Nadal (18), Novak Djokovic (zehn), Roger Federer (acht), Andy Murray, Pete Sampras (beide sieben) und Michael Chang (sechs). Vor wenigen Wochen ist Zverev Olympiasieger in Tokio geworden und hat dabei im Halbfinale ein kaum erwartbares Comeback gegen Djokovic gezeigt - er ist nun seit elf Partien unbezwungen.

Noch Fragen? Ja, eine: Ist er damit auch Sieganwärter bei den US Open, die am kommenden Montag beginnen?

Das führt zu den beiden Wettkampf-Disziplinen, die die Sportart Tennis bereithält, und bevor alle Fans von Djokovic wütende Mails schreiben: Der Serbe ist derzeit nach wie vor - mit großem Abstand - der beste Tennisspieler der Welt, er kann bei den US Open den Grand Slam komplettieren, also alle vier großen Turniere in einem Jahr gewinnen, denn er hat seit Saisonbeginn schon in Melbourne, Paris und Wimbledon triumphiert.

Djokovic ist der Favorit, zumal in New York bei den Männern ein Turnier in der zweiten Tennis-Disziplin ausgetragen wird: Gespielt wird nicht über zwei, sondern drei Gewinnsätze, Best of 5. Bei den Frauen ändert sich nur der Rhythmus (alle zwei Tage ein Spiel), was übrigens auch der Gewöhnung bedarf. Ein Match über drei Gewinnsätze unterscheidet sich indes derart grundlegend von Best of 3-Partien, dass Boris Becker im Gespräch mit der SZ einmal tatsächlich von einer anderen Disziplin sprach.

Zverevs Meisterstück kam wie schon bei Olympia im Halbfinale

Zwei aktuelle Beispiele: Tsitsipas gönnte sich im Halbfinale von Cincinnati diese lange Pause nach dem ersten Satz - ein Unding, mit dem sich der Tennisverband beschäftigen sollte, zumal Tsitsipas schon länger verdächtig ist, sich in diesen Pausen von Vater Apostolos beraten zu lassen. Und tatsächlich: Als der Grieche den Platz verließ, tippte der Vater ins Telefon. Zverev beschwerte sich: "Er hat seine Tasche mit dem Telefon mitgenommen. Das hat er in Paris schon getan und wird es auch weiterhin bei jedem zweiten Turnier tun."

Zverev war kolossal genervt - und verlor den zweiten Satz. "Man kann die Regeln biegen, einige nutzen das zu ihrem Vorteil", sagte er danach. Tsitsipas habe bei den French Open ein ähnliches Verhalten an den Tag gelegt, im Halbfinale vor dem fünften Satz (den Zverev verlor): "Ich war deshalb ein klein wenig frustriert."

Zverev arbeitete sich im dritten Satz von einem 1:4-Rückstand zurück, nun beschwerte sich Tsitsipas, weil ihm der Schiedsrichter keine Pause mehr gönnte. Und nach dem Erfolg für Zverev im Tiebreak des dritten Satzes lag die Frage nahe: Wie wäre dieses tolle Tennismatch weitergegangen, hätte es in New York stattgefunden? Vermutlich komplett anders, denn dieser Tiebreak wäre ja nicht, wie in Cincinnati, die dramatische Zuspitzung gewesen, sondern lediglich ein Zwischenhöhepunkt in einer Partie, die danach wahrscheinlich länger gedauert hätte als Finale, das schon nach 59 Minuten vorbei war.

Das führt zum zweiten Beispiel, zu Olympia, zum Halbfinale gegen Djokovic. Es war ein Meisterstück, wie Zverev nach 1:6 und 2:3 (mit Break-Rückstand) im zweiten Satz gegen den bis dahin unbesiegbar wirkenden Serben ins Match zurückfand, seinen Gegner nervte und eineinhalb Sätze lang so grandios spielte wie vielleicht nie davor.

Beim olympischen Turnier war es ein famoses Comeback und Beweis der eigenen Nervenstärke; bei den US Open dagegen würde eine Partie gegen Djokovic, der selbst ein mentaler Tüftler ist, nach dem dritten Satz erst so richtig beginnen. Und in der Schwüle von New York kommt zur psychischen Belastung noch die physische hinzu.

Noch hat Zverev kein Grand-Slam-Match gegen einen Top-10-Spieler gewonnen

Es gibt eine gemeine Statistik, der zufolge Zverev bei zehn Versuchen noch nie ein Best-of-5-Match gegen einen Spieler gewonnen hat, der zum Zeitpunkt der Partie unter den besten Zehn der Weltrangliste geführt wurde. Der Deutsche betont immer wieder, dass ihn diese Statistik nicht interessiere. Aber, und das führt zu Naomi Osaka und ihrem Problem mit Pressekonferenzen, diese Frage wird sicherlich gestellt werden während der US Open; Zverev wird sie vernehmen - es ist dann wie beim Stürmer, der hört, seit wie vielen Minuten er nicht getroffen hat, oder bei den vermeintlich ewigen Zweiten, denen der ersehnte Titel fehlt.

Zverev ist Olympiasieger, das ist er für die Ewigkeit. Als Unvollendeter kann er nicht mehr gelten, zumal er 2018 auch schon das ATP-Finale für sich entschied. In New York ist er einer der Sieganwärter, er wird im Ranking auf Platz vier geführt. Und was das Problem mit der Best-of-5-Statistik betrifft: Von neun möglichen Top-Ten-Gegnern haben drei bereits ihren Verzicht erklärt: Titelverteidiger Dominic Thiem aus Österreich und die Dauersieger Roger Federer und Rafael Nadal.

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