Australian-Open-Finale:Treffen sich Sinner und Zverev beim Radeln

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Alexander Zverev und Jannik Sinner (rechts) spielen am Sonntag ab 9:30 Uhr (Eurosport und RTL) um den Sieg bei den Australian Open. (Foto: Reuters File Photo/Reuters)

Vor dem Finale der Australian Open begegnen sich am Samstagnachmittag die beiden Kontrahenten im Fitnessraum der Rod Laver Arena. Über die besondere Beziehung von Tennisprofis untereinander.

Von Jürgen Schmieder, Melbourne

Man stelle sich vor, Muhammad Ali und Joe Frazier hätten sich am Tag vor dem Thrilla of Manila zum Seilspringen getroffen. Oder Lothar Matthäus und Diego Maradona vor dem WM-Finale 1990 zum Bällejonglieren. Oder Michael Schumacher und Jacques Villeneuve vor dem letzten Rennen der Formel-1-Saison 1997 zum Go-Kart-Fahren. So in etwa muss man sich das vorstellen, was am Samstagnachmittag auf der Tennisanlage in Melbourne passierte: Alexander Zverev und Jannik Sinner saßen im Fitnessraum nebeneinander auf stationären Fahrrädern. Sie plauderten ein wenig und waren gut drauf – wie zwei Freunde, die sich zufällig in der Muckibude begegnen und am Tag darauf nicht um einen Grand-Slam-Titel kämpfen, sondern miteinander surfen werden.

So geht das nun mal zu im Profitennis. Der viermalige Grand-Slam-Sieger Jim Courier, der mittlerweile den Fragesteller auf dem Platz gibt, bezeichnete die Profiszene angesichts dieser Bilder aus dem Trainingsraum als „Wanderzirkus“, und so ist es auch: Tennisprofis sind Ich-AGs, die innerhalb einer winzigen Blase um die Welt reisen und sich nicht aus dem Weg gehen können: „In Team-Sportarten haben die Mannschaft jeweils eigene Umkleiden; im Tennis teilst du alles“, sagt Courier: „Man sitzt in der gleichen Umkleide, man teilt sich Trainingsanlagen; oft übernachtet man in den gleichen Hotels. Man begegnet sich also permanent.“

Auch Novak Djokovic hat darüber gesprochen bei diesen Australian Open – aber nicht so wie Courier. Der Serbe nimmt bei den unvermeidlichen Begegnungen Witterung auf – er sagt, dass er ganz genau spüre, wie es seinem Gegner gehe; also auf gut Deutsch: ob er Schiss habe.

Es war trotz intensiver Recherchen nicht zu klären, worüber Zverev und Sinner geplaudert haben bei dieser Begegnung; aus dem Umfeld von Zverev hatten gut informierte Kollegen lediglich erfahren, dass der Deutsche aufgeregt sei vor seinem dritten Grand-Slam-Finale. Das ist freilich nicht gerade eine exklusive Breaking News; natürlich ist Zverev aufgeregt, er will endlich seinen ersten ganz großen Titel gewinnen. Die spannendere Frage wäre: Hat er sich das anmerken lassen – und falls ja: Hat Sinner das gewittert? Der Italiener nämlich ist bekannt dafür, mit dem Gemüt eines Koalas beim Eukalyptus-Kauen gesegnet zu sein und deshalb keine Signale an Kontrahenten zu senden – gleichzeitig aber ein Djokovic-haftes Gespür für Stärke- und Schwächephasen seiner Gegner zu haben. Vielleicht wird einer der beiden nach dem Endspiel verraten, ob das gemeinsame Radeln irgendeinen Einfluss hatte aufs Ergebnis.

Es sind nicht viele Geschichten überliefert von Begegnungen dieser Art – eine aber schon; der einstige NBA-Basketballer Mark Jackson erzählte sie über Michael Jordan. „Am Abend vor dem Spiel gegen die Bulls im Madison Square Garden rief Michael an, ob ich pokern wolle“, sagte Jackson, der damals bei den New York Knicks unter Vertrag war: „Wir spielen bis acht Uhr morgens, um zehn ist Training. Ich bin hundemüde, als das Spiel beginnt, aber ich sitze ja nur auf der Bank.“ Der Abend davor habe ihm dennoch was vermittelt: dass Jordan ein Außerweltlicher sei, gegen den er nie einen Titel gewinnen werde – was er tatsächlich nie schaffte: „Am Ende schaue ich auf die Statistik: Jordan - 50 Punkte!“

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