Alexander Zverev war bedient, das war seinen Worten auf der Pressekonferenz zu entnehmen. An diesem Mittwochabend hatte der 28-jährige deutsche Tennisprofi 6:7 (1), 4:6 gegen den Italiener Lorenzo Musetti im Viertelfinale des Masters-Turniers in Rom verloren. Bei der Nachbetrachtung seiner achten Saisonniederlage (bei 21 Siegen) machte Zverev deutlich, woran er diesmal gescheitert war: „Die Bälle waren ein Witz heute. Sie sagen, wir spielen in Monaco, Madrid und München mit den gleichen Bällen. Dann kommen wir hierher, und die Bälle sind ganz anders. Sie sind sehr groß. Es ist schwierig, hier Winner zu schlagen.“
Dass er binnen zehn Monaten zum dritten Mal in Serie gegen Musetti unterlag, führte er zudem weniger auf die Stärken des aktuellen Weltranglisten-Neunten zurück. Sondern auf seine eigene Leistung. „Er ist sehr abhängig von seiner Defensive. Er ist sehr abhängig davon, dass seine Gegner Fehler machen“, sagte Zverev, womit er zum Ausdruck brachte: Musetti habe nur gewonnen, weil er selbst so oft patzte.
Zverev hatte viele Gründe, mürrisch zu sein, aber in Summe machte er es sich zu leicht bei seiner Analyse. Es war wohl der Frust über seine wankelmütige Saison, der aus ihm sprach. Konstant in Form wirkt er nicht, und nun steht das zweite Grand-Slam-Turnier in Paris an, die French Open (ab 25. Mai). Herausfordernd ist die Situation für ihn allemal, so eine Phase mit derart vielen Aufs und Abs hatte er bislang noch nie. Bei den Australian Open war er in seinem dritten Grand-Slam-Finale (und verlor gegen den Italiener Jannik Sinner), jüngst gewann er das neu aufgewertete 500er-ATP-Turnier in München. Ansonsten erreichte er nur zwei Viertelfinals.

Der 23 Jahre alte Musetti, der eine der schönsten einhändigen Rückhände der Branche spielt, sagte nach seinem Halbfinaleinzug einen interessanten Satz. „Ich wollte es für Sascha kompliziert machen, das hat sehr gut geklappt“, befand er. Damit gab er zu verstehen, dass er Zverevs Art zu spielen für berechenbar hielt. Er orientierte sich an dessen Stärken und Schwächen und versuchte letztlich erfolgreich, seinen Kontrahenten mit einem taktisch cleveren Plan auszumanövrieren. Im Gegenschnitt dazu schien Zverev nicht vorbereitet gewesen zu sein auf das variantenreiche Agieren Musettis. Zverev spielte, wie Zverev eben spielt. Druckvoll von der Grundlinie, aber auch oft zu abwartend. Und er überraschte seinen Gegner in den entscheidenden Momenten nicht. Musetti dagegen schon. Auch und gerade in brenzligen Phasen.
Zverev hatte im ersten Satz Chancen zur Genüge. Er führte 3:1 und 4:2, bei 6:5 und eigenem Aufschlag hatte er vier Satzbälle, drei in Serie bei einer 40:0-Führung, dann noch einen bei Vorteil Aufschläger. Musetti bestimmte jedoch die Ballwechsel, punktete direkt, Zverev sah eher wie ein Zuschauer aus. Daran waren nicht die Bälle schuld. Musetti wurde zusätzlich vom Publikum getragen, „dieses volle Stadion ist ein großer Vorteil für mich, ich habe vom ersten Punkt an die Energie gespürt“, sagte der Toskaner.
Musetti glänzte mit Geduld und Präzision, mit Mut und Kalkül, mit Stopps, Slice und Serve-und-Volley wie beim Matchball. Zverevs Energie indes schwankte. Er schlug wie Musetti 20 direkte Gewinnschläge (Winner), aber ihm unterliefen 36 unerzwungene Fehler (Musetti 22). Keine Säule in seinem Spiel war auch der Aufschlag. Er brachte gute 70 Prozent seiner ersten Aufschläge ins Feld, heimste aber nur 30 von 51 Punkten (59 Prozent) ein, beim zweiten Aufschlag sicherte er sich nur elf von 22 Punkten (50 Prozent). Zverev macht sich in diesem Jahr selbst das Leben schwer, auch wenn er in Rom eine besondere Marke erreichte: Er bestritt sein 100. Viertelfinale auf der Tour.
Aufgrund seiner Niederlage muss Zverev, in Rom Titelverteidiger gewesen, den Spanier Carlos Alcaraz in der Weltrangliste wieder an sich auf den zweiten Platz vorbeiziehen lassen. Diese Rochade ist nur eine Fußnote. Gravierender: Zverev ist ein Suchender. Er sucht Stabilität im Spiel, Verlässlichkeit, neue Souveränität, neue Siegesaura. Dass er zur Sandplatzsaison von seinem neuen Schlägermodell wieder zum Modell aus dem Vorjahr gewechselt ist („Ich habe wieder meine alten Schläger genommen, auf Sand ist der neue Schläger zu schnell“), verrät überdies, dass er sich nicht ganz wohlfühlt auf dem Platz. Auch deshalb polterte er zum Abschluss in Rom. So ist Zverev, manchmal braucht er ein derartiges Ventil.