Alexander Zverev:"Ich bin hier, um Matches zu gewinnen"

French Open

Alexander Zverevs Aufschlag ist auch in Paris wieder eine Waffe.

(Foto: CHRISTIAN HARTMANN/REUTERS)

Mit einer erwachsenen Leistung erreicht Alexander Zverev das Achtelfinale von Paris. Er hat sein Spiel verbessert und ist effizienter geworden - doch am Horizont wartet Rafael Nadal.

Von Gerald Kleffmann

"Ja, war gut."

Hat Alexander Zverev schon mal so kurz ein Spiel von sich selbst zusammengefasst?

Möglicherweise, aber das musste in Paris zumindest, bei den French Open, schon länger her sein. Klammheimlich hat sich der nun 23-jährige Tennisprofi bei diesem Grand-Slam-Turnier, das die Franzosen "Roland Garros" nennen, benannt nach einem früheren Flugzeugpionier und Soldaten, zu einem Marathonmann entwickelt. 2018 spielte er drei Matches über fünf Sätze, 2019 waren es zwei über die gesamte Distanz. Und dieses Jahr musste er auch schon wieder Überstunden leisten, in der zweiten Runde gegen Pierre-Hugues Herbert, den stets so freundlichen Elsässer, der in den entscheidenden Momenten auch auf dem feuchten Platz zu freundlich gewesen war.

Einmal, bei einem seitens Zverev strittigen Ball zu Beginn des fünften Satzes, bot Herbert laut Zverev dem Deutschen an, sich den Ball anzusehen. Das war nett. Zverev, 1,98 Meter groß, stieg mit seinen langen Beinen übers Netz. Das war frech. Und regelwidrig. Kurz darauf führte Zverev 3:0. Und auch wenn es danach noch mal eng wurde: In solchen Augenblicken zeigte sich, wie sehr Zverev bereit ist, um das wahrzumachen, was er kürzlich so formulierte: "Ich bin hier, um Matches zu gewinnen. Ich werde alles dafür tun." Notfalls kassiert er eben eine Verwarnung.

6:1, 7:5, 6:3 - so klar fertigte er diesmal Marco Cecchinato ab, er brauchte auch keine rund vier Stunden, wie am Mittwoch gegen Herbert. Sondern nur 1:47 Stunden. Eine einzige wirklich knifflige Phase hatte er zu bewältigen, 5:3 hatte der Italiener, vor zwei Jahren überraschend im Halbfinale der French Open und ein Vertreter des klassischen Sandplatztennis', geführt und bei 5:4 zum Satzgewinn aufgeschlagen. Aber dann schimmerte wieder dieser ihn neuerdings auszeichnende Geist durch: ICH. WERDE. ALLES. DAFÜR. TUN. Zack, fünfter statt vierter Gang. Aus dem 3:5 wurde ein 7:5. (Alle Ergebnisse der French Open finden Sie hier)

Großen Spielern, und das ist in dem Fall nicht physisch gemeint, sagt man nach, in wichtigen, knappen, entscheidenden Phasen ein "mächtiges Spiel" umsetzen zu können. Das heißt: ihr Niveau zu steigern. Den Druck zu erhöhen. Klar konstruierte Punkte zu erzielen. Zverev besitzt dieses mächtige Spiel zweifellos schon länger. Aber jetzt scheint er es verlässlicher abrufen zu können. Aus Sicht seiner Gegner: erschreckend verlässlich.

Lange musste Zverev auf sein Match warten

Natürlich weiß Zverev, dass er jedes Mal anderen Bedingungen ausgesetzt ist. Am Freitagabend beim Match gegen den aus den Top 100 gefallenen Cecchinato nieselte es längere Zeit, die Partie war so angenehm wie eine Skiabfahrt im piksenden Eisregen. Der Sizilianer aus Palermo ist zudem einer, der, wenn er seinen Links-Rechts-Schlagrhythmus gefunden hat, genau unter diesen Bedingungen sehr gefährlich werden kann. Er ist kein Serve-&-Volley-Aktivist wie Herbert, ganz im Gegenteil. Seine Fähigkeiten drücken sich auch in einer bizarr einseitigen Statistik aus: Bei 13 Grand-Slam-Teilnahmen war Cecchinato 12 Mal in der ersten Runde sofort ausgeschieden. Nur in Paris nicht. 2018 schlug er sogar Novak Djokovic, der damals eine der legendärsten Pressekonferenzen abhielt. Der Serbe hatte sich einfach den nächstbesten Medienraum geschnappt und wie ein Hausbesetzer darauf bestanden: Ich bleibe! Und rede jetzt nur hier! Nun schlug Cecchinato vor dem Match gegen Zverev den Australier Alex de Minaur und den Argentinier Juan Ignacio Londero, der eine ist ein sehr guter Spieler, der andere ein guter. Zverev hat Cecchinato dann eine andere Dimension aufgezeigt, vor allem in den relevanten Phasen. Im ersten Satz, Ende des zweiten, gleich zu Beginn des dritten. Das ist seine hervorstechende Qualität gerade.

Dass er aber manchmal nachlässig wird, diesen Hang hatte er schon immer. Und manchmal neigt er noch immer zu dieser kleinen Schwäche, was er verklausuliert auch zugibt (wobei "etwas zugeben" sonst nicht so sein Ding ist, Stichwort Adria Tour zum Beispiel). "Ich habe immer noch so viel, dass ich besser machen kann und verbessern kann", hatte Zverev etwa nach dem nur anfangs mühsamen Auftaktsieg gegen den Österreicher Dennis Novak gesagt.

Zverev hat Sandplatzspezialist Ferrer in sein Team geholt

Aber wegen dieser Schwäche hat er ja auch David Ferrer geholt als Trainer. Den Spanier, der 2013 im Finale von Roland Garros stand, zeichnete stets eine unermüdliche Schufterei auf dem Platz aus, bei sehr gleichbleibendem Niveau. Dass Zverev nicht nur in Paris, sondern auch bei den US Open in New York so manches Match effizienter durchzog als früher, zeigt seine Entwicklung. Und es ist eine richtige Entwicklung, wenn er um die Titel dieser Major-Turniere mitspielen will. Weil es auch darum geht, in zwei Wochen Kräfte und Nerven zu schonen. Ausgelaugte haben selten triumphiert. 2018 - nach seinen drei Fünfsatz-Schlachten - hatte Zverev platt wie eine Flunder gegen Dominic Thiem verloren. So etwas soll nicht noch mal passieren.

Am Freitagabend saß Zverev jedenfalls sehr entspannt im richtigen Presseraum, er trug eine schwarze Maske und zollte hinter dieser seinem kommenden Gegner Respekt. Der 19 Jahre alte Südtiroler Jannik Sinner ist erstmals in einem Grand-Slam-Achtelfinale. "Er ist ein unglaublicher Spieler, sehr talentiert, er hat mit seinen jungen Jahren schon mit die meiste Power auf der Tour von den Schlägen her", sagte Zverev. "Es wird spannend, und es wird schwieriger." An der Hackordnung indes hat sich für ihn noch nichts geändert. "Thiem, Nadal, Djokovic sind die Favoriten für mich. Dominic spielt unglaublich. Er hat heute gegen einen sehr schweren Gegner glatt gewonnen. Das zeigt auch, wie wohl er sich gerade fühlt auf dem Platz, gerade nach den US Open. Und völlig egal, was es für ein Belag ist. Rafa, kennt man ja die Geschichte, der verliert hier kaum Spiele in den ersten paar Runden immer." Aber sich selbst rechnet er natürlich auch Chancen aus. Er drückte es nur geschickt aus. "Ich denke, ein paar junge Spieler werden auch was zu sagen haben ... ein bisschen. Ich hoffe, dass ich weiterkommen kann, und dann wird es interessant danach."

Allerdings. Im Viertelfinale könnte der zwölfmalige French-Open-Sieger Rafael Nadal sein Gegner sein. Für solche Matches spielt Zverev.

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