Tennis:"Ich wusste nicht mehr, wie ich die Kugel ins Feld spielen soll"

Tennis: ATP-Tour - München

"Irgendwann habe ich komplett meine Bewegung verloren": Alexander Zverev rätselt, wie es nun wieder zum Aufflammen seiner altbekannten Aufschlag-Schwäche kommen konnte.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Alexander Zverev verliert komplett die Kontrolle über seinen Aufschlag und muss sich aus dem ATP-Turnier in München verabschieden. Statt Selbstbewusstsein zu tanken, wirkt er sichtlich verunsichert.

Von Gerald Kleffmann

Plötzlich war er wieder da. Ohne ersichtlichen Grund. Der Yip. Jener Fehlschlag, der nicht nur Amateure zur Weißglut bringen kann, sondern auch Profis. Allen voran Alexander Zverev, dessen Temperament ja durchaus schnell entflammbar ist, nach wie vor, auch wenn er manchmal davon berichtet, dass er reifer geworden sei. Stimmt ja auch. Aber diesen lästigen Hang zu Doppelfehlern, er kriegt ihn einfach nicht los.

An diesem Freitagnachmittag war Deutschlands bester Tennisprofi auf dem besten Weg in ein rein deutsches Halbfinale bei den BMW Open in München. Jan-Lennard Struff, der knuffige Warsteiner, hatte zuvor in seinem Viertelfinale den zähen Serben Filip Krajinovic niedergerungen, mit 6:4, 4:6, 7:6 (3). Zverev also führte 5:4, schlug nach einem Break zum Sieg auf. Und dann kam der Yip. Gnadenlos. Die Aufschlagbewegung des 1,98-Meter-Mannes lief nicht mehr rund. Als hätte er in eine Steckdose gefasst.

Nach 2:36 Stunden knallte Ilja Iwaschka ein Ass ins Feld, der den überraschenden Sieg des Belarussen besiegelte. 6:7 (5), 7:5, 6:3 gewann der 27-Jährige, über den die Tennisbranche erst kürzlich in Barcelona gestaunt hatte. Da hatte er Rafael Nadal einen Satz abgenommen. Gegen Zverev habe er einfach um jeden Ball gekämpft, sagt Iwaschka, und darauf gehofft, dass er eine Chance erhält. Und Zverev präsentierte sie ihm mit rotem Schleifchen.

Mit einem Doppelfehler zum 5:5 im zweiten Satz ließ Zverev seinen Gegner wieder ins Match zurück. Mit zwei weiteren Doppelfehlern schenkte er ihm den Satz. Mit drei Doppelfehlern händigte er im dritten Satz Iwaschka das Break zum 1:3 aus. Manchmal tat es weh, zuzusehen, wenn Zverevs zweiter Aufschlag zwei Meter hinter der T-Linie landete. Oder wenn der Ball in der Mitte des Netzes einschlug. Ratlos, immer wieder, blickte er zu seinem Vater, der ja auch sein Trainer ist, zu seinen anderen Teammitgliedern im Zuschauer-leeren Stadion des MTTC Iphitos. Er motzte auch ein bisschen rum, auf Russisch. Auf Englisch stritt er mit dem Schiedsrichter, weil ihn einmal ein Blitzlicht geblendet hatte. Es half nichts.

Zverevs leidiges Problem hat sich in München just zurückgemeldet, da er endlich mal keine Beschwerden mehr in seinem Ellbogen spürte. Er hatte sich ja zuletzt sogar Eigenblut in die entsprechende Stelle spritzen lassen. Monatelang hatte er immer wieder Komplikationen im Arm, und, das ist die bittere Ironie, sie waren ja auch dadurch entstanden, dass er verstärkt seinen Aufschlag trainiert hatte. Schon seit zwei Jahren kämpft er um ein konstanteres Service.

Die Verunsicherung griff über auf sein Grundlinienspiel

"Ich bin enttäuscht momentan", sagte Zverev nach der Partie, sichtlich niedergeschlagen in einer Video-Pressekonferenz. "Das ist so ein Match, das kann ich nicht verlieren. Das darf ich auch nicht verlieren." Einen Doppelfehler fabrizierte er im ersten Satz, am Ende hatte er sage und schreibe 14 davon verbucht. Auch für Zverev war es "relativ offensichtlich", dass sie der Grund seiner Niederlage waren. Lag es am Ellbogen? "Es ist so ein bisschen von allem", meinte er. Er hätte auch einige Zeit gar nicht aufgeschlagen, in der spielfreien Zeit. Und nun, in diesem Viertelfinale, in dem er den Weg zu seinem dritten Titel in München ebnen wollte, musste er erkennen: "Irgendwann habe ich komplett meine Bewegung verloren. Ich wusste nicht mehr, wie ich die Kugel ins Feld spielen soll." Der Yip strahlte nämlich mächtig aus. Die Verunsicherung griff über auf sein Grundlinienspiel. Zverev rückte mehr und mehr in die Defensive, oft weit hinter der Grundlinie stehend.

Eigentlich wollte Zverev bei seinem geliebten Wohlfühlturnier in München die Basis legen, um danach bei den großen Turnieren in Madrid, Rom und den French Open anzugreifen. Der 24-Jährige wird das auch tun, aber eben nicht mit dem Selbstvertrauen, auf das er gehofft hatte. "Ich muss anfangen, besser zu spielen", erkannte er kurz angebunden. Zwar ergänzte Zverev zu Recht, dass Iwaschka "in der Form seines Lebens" ist. Doch fest steht für ihn: "Ich muss momentan mehr auf mich schauen." Generell muss man auch sagen: Langweilig wird es mit Zverev nie.

Zwei Titelchancen aus deutscher Sicht bleiben in München dennoch, Struff, zweitbester Deutscher (44.) in der Weltrangliste hinter Zverev (6.), sehnt sich danach, endlich einmal ein ATP-Finale zu erreichen. "Ich möchte jetzt natürlich einen Schritt weiter gehen", sagte der 31-Jährige, der wie Zverev auch wackelte in seinem Duell mit Krajinovic, aber sich durchbiss. Im Doppel hat Kevin Krawietz, der zweimalige French-Open-Sieger, diesmal mit seinem niederländischen Partner Wesley Koolhof das Endspiel erreicht, die beiden treffen auf die Belgier Sander Gille und Joran Vliegen.

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