Aus von Zverev in Hamburg:Trauriges Ende einer wahnsinnigen Woche

Hamburg Open 2019

Finale knapp verpasst: Zwei Matchbälle vergibt Alexander Zverev im dritten Satz des Halbfinales in Hamburg. Nach der knappen Niederlage gegen den Georgier Bassilaschwili verlässt der 22-Jährige enttäuscht den Center Court.

(Foto: Alexander Scheuber/Getty)

Obwohl Alexander Zverev den Finaleinzug in Hamburg verpasst, ist die Zeit in seiner Heimatstadt Therapie für ihn. Seine Balance sucht Deutschlands bester Tennisspieler aber weiterhin.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Ein Hechtsprung in den Sand, Alexander Zverev warf sich vergeblich in den Passierball von Nikoloz Basilashvili. Er stand auf, kein Problem, ließ sich von einem Balljungen den Rücken säubern, der Showdown im Halbfinale am Hamburger Rothenbaum ging weiter. Tiebreak, 5:5, dritter Satz. Zwei Aufschläge später hatte Zverev in seinem rotweißen Shirt dieses erstaunliche Match trotzdem 4:6, 6:4 und 6:7 verloren. Das Finale der Hamburg European Open findet am Sonntag ohne ihn statt, ohne die Attraktion der Veranstaltung. Ohne den Heimkehrer, den ATP-Weltmeister, die Nummer fünf der Welt, den hier alle Sascha nennen.

Schwer enttäuscht verließ der lange Wuschelkopf den Centercourt, begleitet von applaudierenden und ebenfalls enttäuschten Zuschauern. Er hatte den Sieg ja für ein paar Augenblicke in der Hand gehabt. "Ich hatte Matchbälle in meiner Heimatstadt, in der ich drei Jahre nicht gespielt hatte", sprach Zverev mit belegter Stimme. Zwei Matchbälle waren es, er verschwendete sie genauso wie noch mehr Breakbälle. "Ich hatte alle Chancen. Was soll ich sagen. Kein schönes Gefühl gerade."

Der Hamburger hätte mit 22 das Erbe antreten sollen von Michael Stich, der 1993 als letzter Deutscher dieses ATP-Turnier unweit der Alster gewann. Umgebautes Stadion, neue Turnierleitung, sein Triumph wäre die Krönung gewesen. Wahrscheinlich fehlten Kleinigkeiten, Nuancen. Vielleicht wäre es auch anders gekommen, wenn der Schiedsrichter beim Stand von 5:5 einen Ball von Basilashvili nicht für gut befunden hätte, obwohl Zverev protestierte. Die Vorhand sei im Aus gelandet, bekräftigte Zverev später deprimiert. Doch die Missgeschicke summieren sich halt leicht, wenn einer nach seiner Form sucht, die er vor allem bei seinem ATP-Triumph im November 2018 in London hatte, und wenn dann noch die Trennung von seinem Trainer Ivan Lendl dazwischenkommt.

Er schlief im Kinderbett, die Mama kochte, der Papa wachte als Trainer in der Box

Die Rückkehr nach Hamburg war Therapie in alter Umgebung, aber natürlich der Tatsache zu verdanken, dass sich Zverev kürzlich auf dem Gras von Wimbledon in Runde eins verabschiedet hatte. Wäre er weiter gekommen, dann hätte er nicht zuhause bei der Familie Station gemacht, ehe kommende Woche das ATP-Masters in Montreal folgt. "Es war eine wahnsinnige Woche, unglaubliche Gefühle", berichtete Zverev. Er schlief im Kinderbett, die Mama kochte, der Papa wachte als Trainer in der Box, das Publikum rief seinen Namen. Und dennoch bewies diese wahnsinnige Woche auch, dass Deutschlands bester Tennisspieler seine Balance noch nicht gefunden hat.

Vor Turnierstart hatte er verblüfften Reportern erzählt, dass sich sein Trainer Lendl derzeit mehr fürs Golfspielen und seinen kleinen Hund interessiere als für seinen zweiten Aufschlag. Dann gab Lendl in der Nacht zum Freitag in den USA bekannt, dass sich die Zusammenarbeit erledigt habe. "Ich glaube sehr an Sascha, der immer noch sehr jung ist", verkündete der ehemals beste Tennisspieler der Welt. "Ich denke, dass er eines Tages ein großartiger Spieler wird. Aber derzeit hat er einige Probleme außerhalb des Platzes, die es schwierig machen, auf eine Weise zu arbeiten, die meiner Philosophie entspricht." Zverev konterte, dass er für Lendl nur Respekt übrig habe, sie die Sache aber eigentlich in Amerika hatten besprechen wollen.

Inständig lobt er seinen bisher anderen und nun einzigen Coach, seinen Vater. Stoisch erlebte Alexander Zverev Senior, wie sein Sohn auch diese Partie zu drehen schien. Das Viertelfinale am Freitag hatte er nach verlorenem ersten und 2:5-Rückstand im zweiten Satz noch gewonnen. Gegen den schnellen Vorjahressieger Basilvashili, ATP-Nummer 16, lag er nach verlorenem ersten und gewonnenem zweiten Satz 0:3 hinten, gewann fünf Spiele in Folge, hatte seine beiden Matchbälle und machte alles in allem einfach zu viele Fehler.

Mangelnden Unterhaltungswert konnte Alexander Zverev niemand vorwerfen. Er hoffe, dass die Emotionen hier noch mal erleben könne, sagte er, aber ein weiteres Comeback am Rothenbaum im kommenden Jahr dürfte schwierig werden, zumal er nicht binnen weniger Tage von Gras über Sand auf den Hartplatz wechseln will. 2020 ist Olympia, und er wünscht sich auch, "dass ich irgendwann lerne, wie man in Wimbledon spielt". Jetzt fliegt Alexander Zverev, geboren in Hamburg und großgeworden beim Uhlenhorster HC, wieder nach Hause, "in mein anderes Zuhause, Monaco", und dann nach Kanada. Hartplatz, Masters. Ohne Lendl, mit Vater, weit weg von daheim.

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