Zuschauer beim Sport:Aufsperren ja - mit Abstand und Augenmaß

Leichtathletik - DM

Vor leeren Rängen: Die deutschen Meisterschaften der Leichtathleten.

(Foto: dpa)

Die Bundesregierung hilft den Sportarten in der Nische, doch die Maßnahmen gehen noch nicht weit genug. Zuschauer würden helfen, allerdings sollte es dabei keine Lex Sport geben.

Kommentar von Johannes Knuth

Einer der größten, frühen Irrtümer der Corona-Pandemie war, dass Corona ein Gleichmacher sei, weil es ja alles und jeden treffen könne. Tatsächlich legte die Pandemie viele längst existierende Bruchstellen offen und verschärfte die Lage dort, wo es ohnehin schon brodelte. Zwar traf es auch viele Erfolgsmodelle, aber die Schwächeren taumelten im Zweifel als Erste in noch größere Kalamitäten. Corona wirkt insofern, bis heute, wie ein Kontrastmittel, das die Unterschiede nicht nur noch sichtbarer macht - es verschärft sie auch noch wie ein Brandbeschleuniger. Das ist im Sport nicht anders.

Nun stimmt es schon, wenn Idriss Gonschinska, der Generaldirektor des nationalen Leichtathletik-Verbandes, sagt, dass die Deutschen bislang gute, bedächtige Krisenmanager waren und nur "wenige Extremsituationen in unserer Gesellschaft" zu beklagen hatten. Nur so war es erst denkbar, dass auch sein Sport jetzt Meisterschaften in der Blase abhalten konnte. Wobei selbst in jenen Sportarten, die gerade den Fluchtweg über das Fernsehen antreten, um Athleten und Sponsoren sichtbar zu halten, große Unterschiede klaffen. Im Radsport etwa: Da können manche Teams die Hygienekonzepte finanzieren, andere, kriselnde Unternehmen tun sich spürbar schwerer, wie Bora-Teamchef Ralph Denk jetzt der Deutschen Presse-Agentur sagte. Und die Leichtathleten hatten in Braunschweig zwar eine Bühne, aber ohne Zuschauer auch keine Stimmung und keine zusätzlichen Einnahmen, die sonst in vitale Branchenzweige wie die Jugendarbeit fließen.

So löblich der Aufwand war, er zeigte auch dem olympischen Kernsport wie ein Kontrastmittel die Problemstellen auf: die immer dünnere Breite hinter den Spitzenkräften etwa, die in der Pandemie zuletzt noch stärker von den Trainingseinschränkungen betroffen war. Bei den Läufern wiederum schlittert, jenseits des Stadions, gerade eine ganze Branche in die Krise. Am Dienstag zogen die Ausrichter des Marathons in Frankfurt/Main ihre diesjährige Auflage ersatzlos zurück, davor hatte es unter anderem München, Hamburg und auch Berlin getroffen, das größte Kraftzentrum der Szene. Die Verluste klettern oft in sechsstellige Beträge - pro Ausrichter, mindestens. Da viele größere Läufe meist als gewinnorientierte Gesellschaften registriert sind und nicht als Vereine, können sie wohl auch nicht vom Subventionsprogramm profitieren, das der Bund jetzt verdienstvollerweise freischalten wird: 200 Millionen Euro für olympische Individual- und Teamsportarten wie Eishockey, Handball und Volleyball. Fürs Erste sollen die Vereine so die Lücken stopfen, die entstanden, weil die Zuschauer zuletzt fernbleiben mussten - und weiter fernbleiben werden.

Denn so viel sei klar, schreibt der Bund in einem bislang noch wenig beachteten Eckpunktepapier: Das Verbot für größere Veranstaltungen mit Zuschauern werde wohl noch "für viele Monate" andauern. Das dürfte weder den Fußball freuen, noch all jene, die hoffen, ihre Großveranstaltungen zumindest 2021 wieder vor Publikum präsentieren zu können, um über die Runden zu kommen. Es wäre wohl besser, würde die Politik erwägen, die Zuschauerpforten zumindest wieder ein wenig aufzustoßen. Nicht als Lex Sport, sondern im Gleichschritt mit anderen Gesellschaftsbereichen, mit Abstand und Augenmaß. Auch das zeichnet gutes Krisenmanagement aus. Sonst erwischt es auch im Spitzensport bald die, die ohnehin schon in die Nische gerutscht sind, und nicht nur die.

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