Zuschauer beim Sport:Es drohen kuriose Situationen

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250 Zuschauer waren beim Testspiel zwischen dem FSV Mainz 05 und den Wuerzburger Kickers am 15. August zugelassen. Die Bundesliga soll im September ohne Fans starten.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Die Bundesliga soll erst im November wieder vor Fans spielen dürfen, gleichzeitig plant Union Berlin ein Testspiel vor 5000 Zuschauern. Auch die knapper werdenden Testkapazitäten könnten zum Problem werden.

Von Martin Schneider

Um zu verdeutlichen, wie sehr es gerade bei so scheinbar einfachen Fragen wie "Zuschauer: Ja oder Nein?" auf die Perspektive und den Kontext ankommt, hier zwei Meldungen, die in den vergangenen Tagen kurz nacheinander über die Nachrichtenticker liefen und beide vollkommen korrekt sind.

Erste Meldung: "Fußball-Bundesliga bis Ende Oktober vor leeren Rängen."

Zweite Meldung: "Bundesligist Union Berlin plant Testspiel vor 5000 Zuschauern."

Es ist schwer geworden, in Deutschland durchzublicken, wo jedes Bundesland unterschiedliche Corona-Fallzahlen hat und darum auch unterschiedliche Regelungen. Das gilt auch für die Frage, ob und unter welchen Bedingungen jemand bei Sportveranstaltungen zuschauen darf oder nicht.

Um Klarheit zu schaffen, trafen sich am Donnerstag die Ministerpräsidenten und die Bundesregierung - heraus kamen im Bezug auf Zuschauer im Sport in der Abschlusserklärung aber nur zwei Sätze. "Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und die Einhaltung von Hygieneregelungen nicht möglich ist, sollen mindestens bis Ende Dezember 2020 nicht stattfinden." Und: "Zum einheitlichen Umgang mit Zuschauern bei bundesweiten Sportveranstaltungen wird eine Arbeitsgruppe auf Ebene der Chefs der Staatskanzleien eingesetzt, die bis Ende Oktober einen Vorschlag vorlegen soll." Dazu gab es noch ein paar Aussagen von Markus Söder, Ministerpräsident Bayerns und Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Zuschauer in der Bundesliga seien in der aktuellen Lage das "falsche Signal", sagte der CSU-Politiker. Man müsse "auf Sicht" fahren.

Nun interpretiert im Prinzip jeder Verein und jeder Verband und auch jeder Politiker diese niedergeschriebenen zwei Sätze. Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) etwa freut sich über die Einschränkung, dass Großveranstaltungen mit Kontaktverfolgung und Hygieneregelungen erlaubt sind - und bereitet sich auf eine Rückkehr zum 1. November vor.

Union Berlin dagegen bezieht sich auf den Passus der "bundesweiten Sportveranstaltungen" - ein Testspiel gegen Nürnberg ist das offenbar nicht - und vor allem auf den Beschluss des Berliner Senats, der Sportveranstaltung ab dem 1. September mit bis zu 5000 Zuschauern erlaubt. Jedes Bundesland hat da aktuell andere Regelungen.

In Baden-Württemberg sind bis zu 500 Zuschauer erlaubt, in Bayern keine, in Sachsen sind Großveranstaltungen ab dem 1. September grundsätzlich erlaubt, wenn die Zahl der Neuinfektionen unter dem Wert 20 über sieben Tage bei 100 000 Einwohnern liegt (was im Moment der Fall ist) und der Veranstalter ein Hygienekonzept und eine Kontaktverfolgung gewährleisten kann. Je nachdem wie das Konzept aussieht, könnten somit sogar mehr als 5000 Zuschauer ins Leipziger Zentralstadion. Der Hamburger Innensenator sagte dem Hamburger Abendblatt, beim Tennisturnier am Rothenbaum könnten 1000 Zuschauer zugelassen werden. Das Turnier findet Ende September statt - dann könnte man sich Tennis im Stadion angucken, Spiele des HSV und des FC St. Pauli aber nicht.

Fußball-Landespokal Sachsen 2019/2020, Finale FC Eilenburg vs. Chemnitzer FC (22.08.2020) Kopfballduell zwischen Dennis

Das Finale des Sachsenpokals zwischen dem FC Eilenburg und dem Chemnitzer FC fand am 22. August vor 1000 Zuschauern statt.

(Foto: opokupix/imago)

Die aktuelle Beschlusslage lässt also theoretisch kurioseste Situationen zu - etwa auch, dass beim Amateurfußball mehr Zuschauer erlaubt sein könnten als beim Profifußball. Und dann hat man noch nicht nach Europa geguckt. In Frankreich, wo sich aktuell 7000 Menschen pro Tag mit dem Coronavirus neuinfizieren (in Deutschland sind es knapp 1400), sind zum Beispiel 5000 Zuschauer pro Sportveranstaltung zugelassen. Am 3. September trifft sich die DFL zur außerordentlichen Mitgliederversammlung - dabei soll ein aktualisiertes Hygienekonzept verabschiedet werden und auch die Rückkehr von Zuschauern wird sicher ein Thema sein.

Möglicherweise kommt auf die DFL aber noch ein zweites Problem zu. DFL-Chef Christian Seifert hatte in Pressekonferenzen immer betont, dass der Fußball keine Testkapazitäten beanspruchen würde, die anderweitig gebraucht würden. Aktuell kommen aber Labore in manchen Bundesländern an ihre Grenzen. So teilten die Akkreditierten Labore der Medizin (ALM) mit, in manchen Bundesländern Spitzenauslastungen von mehr als 100 Prozent zu haben. Auch die Tests der Bundesliga werden in ALM-Laboren ausgewertet. Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci sagte etwa vor ein paar Tagen, in der Hauptstadt seien die Kapazitäten nahezu ausgeschöpft.

Helfen könnte der Bundesliga der Terminplan. Denn der Hauptgrund für die Labor-Auslastung sind vor allem Reiserückkehrer - zum Start der Bundesliga am 18. September wären die Sommerferien aber in allen Bundesländern beendet. Die DFL teilte schon vor ein paar Tagen in einer Mitteilung mit: "Auf Basis der Erfahrungen aus der vergangenen Saison geht die DFL bei hohem oder mittlerem Pandemie-Level von 3600 Tests pro Woche in der Bundesliga und 2. Bundesliga aus. Dies entspricht einem Anteil von weniger als 0,3 Prozent an den wöchentlichen Kapazitäten von 1 267 655 Tests, die laut Robert-Koch-Institut in der vergangenen Woche zur Verfügung standen." Bei einem niedrigen Pandemie-Level könne man allerdings auch eine sogenannte Pool-Testung vornehmen - dabei würden mehrere Tests zusammen ausgewertet und nur für den Fall, dass ein positiver Test darunter sei, jede Probe nochmal einzeln analysiert. Das würde Kapazitäten schonen.

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