Süddeutsche Zeitung

Zuschauer im Stadion:"Endlich ist wieder Leben in der Bude"

Nach mehr als sechs Monaten kehren die Fans in die Bundesliga-Stadien zurück. Manche haben nicht nur Masken und gute Laune mitgebracht, sondern auch Kritik.

Wie sehr die Zuschauer dem Fußball gefehlt haben, können vor allem jene gut beurteilen, die in den vorangegangen Geisterspielmonaten trotzdem im Stadion waren. "Hey, psssst", zischte ein Journalist eines Fußballfachmagazins am Freitagabend einem Kollegen entgegen, der eine Reihe vor ihm Platz genommen hatte: "Ist doch echt super jetzt mit Zuschauern hier, oder?" Die Zweitligapartie zwischen dem HSV und Fortuna Düsseldorf war gerade angepfiffen worden, für den professionellen Beobachter gaben also auch die gerade mal 1000 Fans im Hamburger Volksparkstadion Anlass zur Freude. Dass damit rund 50 000 Plätze frei geblieben waren, ließ sich trotz eines 2:1 Sieges für die Heimelf aber natürlich nicht verbergen.

Es gab kaum Gesänge, erst in der 33. Minute die ersten "HSV-HSV-HSV"-Chöre von der Haupttribüne zur Gegengerade. Die wenigen Fans waren trotzdem darum bemüht, ihre Mannschaft in entscheidenden Szenen zu unterstützen, etwa mit lautem Applaus nach gelungenen Angriffen. Und eines steht ja auch fest: "Das war deutlich besser, als 10 000 Leute gegen sich zu haben", sagte HSV-Trainer Daniel Thioune. Beim Pokaldebakel am Montag in Dresden war das noch der Fall gewesen - der HSV verlor mit 1:4.

Auch in die meisten Bundesliga-Stadien kehrten am Wochenende die Anhänger zurück. In Frankfurt waren am Samstagnachmittag 6500 Fans zugelassen - mit Mundschutz und Abstand warteten sie darauf, nach mehr als sechs Monaten Pause wieder das Stadion betreten zu dürfen. Fast jedem einzelnen der zugelassenen Besucher war die Freude über die Stadion-Rückkehr im Gesicht abzulesen.

"Endlich ist wieder Leben in der Bude", rief der Stadionsprecher vor dem Anpfiff gegen Bielefeld. Zumindest ein bisschen Leben. Die Zuschauer verteilten sich im Rund, sie hielten Abstand, zu hören waren sie dann aber trotzdem bei jedem Angriff und bei jedem Eckball der Eintracht. Hatte Aufsteiger Bielefeld den Ball, blieb es allerdings still. Gästefans sind bis auf weiteres keine zugelassen.

Dirk Zingler, Präsident von Union Berlin, forderte seit Wochen vehement die Rückkehr der Fans in die Alte Försterei. Nun war es soweit. Immerhin 5000 Fußball-Anhänger durften zur Partie gegen Augsburg ins Stadion.

Einige von ihnen hatten nicht nur gute Laune im Gepäck, sondern auch Kritik. Auf einem Transparent über die Länge der gesamten Gegengerade prangerten die Berliner Ultras das Verhalten der Deutschen Fußball Liga und des Deutschen Fußball-Bundes an: "Gelder streichen bei Fanprojekten und kleinen Vereinen, das soll es gewesen sein? Wir haben es nicht vergessen, Reformen waren Euer Versprechen!" Die Berliner Fans gelten als besonders kritisch gegenüber den beiden Institutionen. Nun sind sie wieder sichtbar.

8000 Fans fieberten in Stuttgart der Bundesliga-Rückkehr ihres Klubs entgegen - hier galt Maskenpflicht für alle. Doch der VfB geriet gegen den SC Freiburg 0:3 in Rückstand, es war recht still im Stadion. Als Sasa Kalajdzic in der 71. Minute der Anschlusstreffer gelang, war das aufmunternde Klatschen dann nicht mehr zu überhören. Als Silas Wamangituka zehn Minuten später das 2:3 gelang, sprangen die Fans auf, sie sangen. Der Ausgleich gelang nicht mehr, die Fans klatschten trotzdem weiter.

Doch in manchen Stadien blieb es weiterhin still. In München und Köln waren wegen der hohen Infektionszahlen in den Städten keine Zuschauer zugelassen. Ob das Wettbewerbsverzerrung ist? Der FC Bayern war in den ersten sechs Partien der Saison das einzige Team, dem ein Heimsieg gelang - ganz ohne Hilfe der Fans.

Am Samstagabend trieben dann 9300 Anhänger den BVB zum Heimsieg. Nachdem Erling Haaland das 3:0 erzielt hatte, ging sogar eine La-Ola-Welle durch das gesamte Stadion - fast wie immer also, nur leerer.

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