Zuschauer bei den Olympischen Spielen:Bonbon, Wüstenblume, Dawai!

Im Moment von Sieg oder Niederlage offenbaren viele Menschen ihr wahres Wesen. Einige vermissen das hochprozentige Bier ihrer Heimat. Andere sind immer mit mindestens einem der Athleten verwandt oder verkleiden sich als Huhn. Doch wer lächelt eigentlich immer? Eine Fan-Typologie nach Nationen.

Jürgen Schmieder, London

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

China

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(Foto: AP)

Im Moment von Sieg oder Niederlage offenbaren viele Menschen ihr wahres Wesen. Einige vermissen das hochprozentige Bier ihrer Heimat. Andere sind immer mit mindestens einem der Athleten verwandt oder verkleiden sich als Huhn. Doch wer lächelt eigentlich immer? Eine Fan-Typologie nach Nationen. Von Jürgen Schmieder, London China-Fan: Kann sich ausschließlich für Sportler aus dem Heimatland begeistern. Kommt deshalb zur Eröffnungsfeier, sitzt dann während der Show von Danny Boyle zwei Stunden lang gelangweilt herum, zückt beim Einmarsch der chinesischen Athleten seine Kamera, drückt zwei Mal ab und geht dann nach Hause. Kann sich aber auch für Akteure aus dem Heimatland nur als Teil des Kollektivs begeistern. Sagt über Hürdenläufer Liu Xiang: "Der ist nichts Besonderes, er ist einer von ganz vielen Chinesen, die Gold gewinnen werden." Verzieht dabei keine Miene.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Frankreich

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(Foto: AFP)

Frankreich-Fan: Würde es sich niemals erlauben, ohne auffällige Verkleidung in ein Stadion zu gehen, bevorzugt als Hahn oder lebende Flagge. Nutzt das gerne auch, um amerikanische Athletinnen anzusprechen, seit er von der Anzahl der Kondome gehört hat, die an die Sportler verteilt wurden. Bislang allerdings ohne Erfolg.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Brasilien

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(Foto: REUTERS)

Brasilien-Fan: Sieht in London, dass es noch andere Sportarten gibt außer Fußball und Beachvolleyball. Findet das aber doof. Findet auch doof, dass die brasilianische Fußballelf nicht in London, sondern in Newcastle, Cardiff und Manchester spielt. Weiß deshalb nicht so recht, was er hier soll. Hat vorsichtshalber an der Botschaft eine Uhr aufgestellt, wie lange es noch dauert bis zu den Spielen in Rio. Aktueller Stand: 1255 Tage. Wird sich aber auch dort ausschließlich für Fußball und Beachvolleyball interessieren und alle anderen Sportarten nach Curtiba, Uberaba und Aracatuba auslagern.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Japan

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(Foto: AFP)

Japan-Fan: Lächelt gerne und schwenkt Fähnchen. Fotografiert nicht so oft, wie man gemeinhin denkt. Hat offenbar Twitter entdeckt, weil er dauernd etwas in sein Handy tippt. Schwenkt ambitionierter, wenn ein Sportler aus der Heimat gewinnt. Schwenkt aber auch, wenn ein anderer gewinnt. Und lächelt immer.

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Jamaika

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(Foto: dpa)

Jamaika-Fan: Wurde bislang noch nicht gesehen. Wartet irgendwo außerhalb Londons auf den Beginn der Leichtathletik-Wettbewerbe.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

USA

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(Foto: AP)

USA-Fan: Will den Dezibel-Weltrekord im Brüllen brechen, übt dafür auch gerne mal während einer normalen Unterhaltung oder einer Turnübung. Beliebtester Ruf: "U-S-A, U-S-A!" Oder gerne auch: "U-S-A! U-S-A!" Oder ganz verrückt: "U-S-A! U-S-A!" Trägt gerne Shirts, auf denen "Team" und dann ein Nachname steht. Das hat nichts mit einem Athleten zu tun, sondern signalisiert die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie

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Australien und Taiwan

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(Foto: AP)

Australien-Fan: Hat einen Schlachtruf entwickelt, mit dem er sich von allen anderen Nationen unterscheidet. Einer schreit, dann schreien alle. Wieder der eine, wieder alle. Wieder der eine, dann rufen alle: "Hoi, hoi, hoi." Funktioniert bei jeder Sportart. Taiwan-Fan: Sieht sich gerne Tischtennis an. Nimmt auch stets einen Schläger und einen Ball mit. Wenn gerade kein Taiwaner spielt, stellt er sich in die Ecke der Halle und schlägt den Ball gegen eine Wand. Wenn es drei Stunden dauert, bis wieder ein Taiwaner spielt, dann macht er das auch drei Stunden lang.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Deutschland

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(Foto: AP)

Deutschland-Fan: Beweist in London, dass er das rhythmische, immer schneller werdende Klatschen perfekt beherrscht. Wendet das Stilmittel gerne an, wenn er glaubt, dass der Athlet des Heimatlandes Unterstützung benötigt. Sieht grundsätzlich aus wie der Zwillingsbruder dessen, der gerade auf der Matte oder im Ring oder am Pool steht. Brüllt sich vor dem Wettkampf zur Heiserkeit, damit später auch jeder mitbekommt, dass da ein Deutscher schreit. Ruft gerne "Weiter, weiter, weiter" und dann: "Jetzt den..." - dann folgt ein Fachbegriff aus der jeweiligen Sportart.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Italien

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(Foto: dpa)

Italien-Fan: Versucht bei diesen Spielen, den Weltrekord im Fahnetragen zu brechen. Schaffte beim Judo bislang sieben: zwei Fahnen an der Hose, eine als Rock, zwei an den Händen, eine um den Hals und eine als Windel um den Kopf. Da geht noch was.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Südkorea und Sierra Leone

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(Foto: AFP)

Südkorea-Fan: Kennt sich perfekt aus in der Sportart, die er sich gerade ansieht. Hat auch kein Problem damit, den Zuschauern aus anderen Ländern wort- und gestenreich zu erklären, was der Unterschied zwischen einem Katame-Waza und einem Harai-Goshi ist. Führt das auch gerne vor. Ansonsten aber friedlich. Sierra-Leone-Fan: Findet die offizielle Kleidung europäischer Sportler überaus amüsant, nennt die deutschen Akteure deshalb "Bonbons", die Franzosen "Wüstenblumen" und die Russen "Fackeln". Meint das bestimmt nicht despektierlich. Wenn man ihn fragt, warum er das tut, lächelt er nur. Und nennt einen "Bonbon".

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Kanada

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(Foto: REUTERS)

Kanada-Fan: Wundert sich ständig, warum britisches Bier so wenig Alkohol hat und warum es in den Wettkampfstätten so wenig davon gibt. Hält das für einen absoluten Skandal - in Vancouver wurde schließlich auch gesoffen. Kann sich bei Kampfsportarten köstlich darüber amüsieren, wenn ein Landsmann einen Amerikaner durch die Halle schleudert. Ärgert sich dann aber, dass er diesen wunderbaren Moment nüchtern ertragen muss.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Indien und Guam

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(Foto: AFP)

Indien-Fan: Beschwert sich ständig über das Essen. Da will er in London mal dieses weltberühmte Curry probieren, eine exquisite indisch-britische Mischung - und bekommt es partout nicht im Olympic Park. Dort gibt es Fast Food und Fish & Chips - beide erzeugen im Magen ein schwarzes Loch. Rät deshalb jedem, nur schnell zu flüchten und in der Innenstadt "mal richtig scharf" zu essen. (Im Bild: Der indische Mittelgewichts-Boxer Vijender Singh bei seinem Sieg gegen Terrell Gausha aus den USA in der Runde der besten 16.) Guam-Fan: Heißt Ricardo Blas junior. Feuert die Schwimmer so an: "Guam!" Feuert den Ringer so an: "Guam!" Feuert den Radfahrer so an: "Guam!" Wäre im Comic "Asterix bei den Olympischen Spielen" der, zu dem Majestix sagt: "Immer sportlich fair bleiben!" Wir nächste Woche die Leichtathleten anfeuern mit: "Guam!"

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Russland

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(Foto: AFP)

Russland-Fan: Hockt grundsätzlich eine Stunde lang apathisch auf seinem Sitz, um plötzlich zu rufen: "Dawai! Dawai!" Hockt dann wieder eine Stunde lang apathisch herum. Ist er Präsident, dann sorgt er dafür, dass sich erfolgreiche Sportler mit einem ablichten lassen. (Im Bild: Der russische Präsident Waldimir Putin (r.) mit Tagir Khaibulaev, der im Judo in der Gewichtsklasse bis 100 kg Gold gewann.)

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Großbritannien

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(Foto: Getty Images)

Großbritannien-Fan: Hat eine neue Lieblingssportart: Handball. Hielt das vorher für eine Beschäftigung von Mädchen im Freibad. Folgt nun der Aufforderung des Senders BBC, der forderte: "Machen Sie die Niederlagen zu einem unvergesslichen Erlebnis!" Das kann er, der Brite: Niederlagen zu einem unvergesslichen Erlebnis machen. Auch auffällig: Pfeift niemals den Sportler einer anderen Nation aus. Braucht die komplette Luft, um den eigenen Akteur anzufeuern.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Serbien und Österreich

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(Foto: Getty Images)

Serbien-Fan: Erscheint ausschließlich in Begleitung eines ehemaligen Profis. Nimmt etwa den früheren Basketballer Vlade Divac zum Tennis mit, hockt sich dann zwei Stunden mit Divac vors Stadion und raucht dabei mindestens eine Schachtel Zigaretten. Divac raucht derweil zwei Schachteln. (Im Bild: Tennisspieler Novak Djokovic nach seinem Sieg gegen Jo-Wilfried Tsonga aus Frankreich im Viertelfinale.) Österreich-Fan: Der Realist der Olympischen Spiele. Fängt bei der Frage nach einem prägenden Akteur aus dem Heimatland hysterisch zu lachen an. Rollt sich bei der Anschlussfrage nach einer Medaillenchance auf dem Boden vor Lachen. Ist aber trotzdem gerne hier. Genießt das Wetter.

Zuschauer bei den Olympischen Spielen

Südafrika

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(Foto: AFP)

Südafrika-Fan: Ist immer mit einem der Athleten verwandt, wenn auch nur entfernt. Bestes Beispiel: Bert (m.), Vater des Schwimmers Chad le Clos. Der gab beim Sender BBC ein Interview und klang dabei, als hätte er gerade eine Stunde lang Reisnägel gegurgelt. Erblickte dann seinen Sohn im Fernsehen und begann zu weinen. Sah sich dann selbst, erschrak und fragte: "Ist das live?" Sagte dann: "Oh mein Gott, sehe ich fett aus!"

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