Zum Tod von Manfred Amerell:Ende eines verzweifelten Kampfes

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Manfred Amerell, 2010 in Augsburg im Landgericht, während eines Verfahrens gegen den damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger. (Foto: dapd)

Der ehemalige Schiedsrichter Manfred Amerell wehrte sich jahrelang gegen den Vorwurf, als Funktionär den jüngeren Unparteiischen Michael Kempter zu einer sexuellen Beziehung genötigt zu haben. Seine Rehabilitation trieb ihn an, der Vorgang war längst nicht abgeschlossen. Nun wurde der 65-Jährige tot in seiner Münchner Wohnung gefunden.

Ein Nachruf von Thomas Kistner

Voller Tatendrang steckte Manfred Amerell bis zuletzt. Allerdings waren es tragische und stark belastende Vorgänge, die ihn seit jenem Februartag 2010 angetrieben hatten, als sein persönliches Verhältnis zu dem deutschen Fifa-Schiedsrichter Michael Kempter bundesweit Schlagzeilen machte. Die Beziehungsaffäre Amerell/Kempter blieb fortan präsent durch zahlreiche Prozesse, die teils bis zum heutigen Tag nicht abgeschlossen sind. Neue Klagen auch gegen den Deutschen Fußball-Bund hatte Manfred Amerell fest im Visier. Am Dienstagnachmittag nun wurde der frühere Bundesliga-Schiedsrichter und DFB-Funktionär in seiner Münchner Wohnung tot aufgefunden.

Nach ersten Erkenntnissen der Polizei am Mittwochmittag starb Amerell weder durch Fremdverschulden noch durch Suizid; eine Obduktion hat dies bestätigt. Zwar habe der "fortgeschrittene Verwesungszustand" des Leichnams die Untersuchung erschwert - als Todesursache halten die Mediziner aber einen Herzinfarkt für wahrscheinlich. Manfred Amerell hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Töchter.

Rastlos, meist zwischen Wut und Verzweiflung oszillierend, hatte Amerell um seine Rehabilitierung gekämpft. Noch am 1. Dezember hat er in einem Gespräch mit der SZ neue Klagen dargelegt, die er vorbereite und in Kürze anstrengen wolle. Am Montag der vergangenen Woche führte er zu diesen Themen, die ihn praktisch rund um die Uhr beschäftigten, auch ein Gespräch mit seinem Freund und Rechtsanwalt Jürgen Langer, dem er am Abend noch eine SMS schickte. Zumindest für Langer war dies das letzte Lebenszeichen des 65-Jährigen. Der Anwalt kam mit gelegentlichen Anrufen bei Amerell in den folgenden Tagen nicht mehr durch. So ging es auch einem befreundeten ehemaligen Schiedsrichter, der sich Anfang der Woche zur Wohnung Amerells in den Münchner Stadtteil Neuhausen aufgemacht hatte. Dort fand er einen vollgestopften Briefkasten sowie zahlreiche ungelesene Tageszeitungen vor. Am Dienstagnachmittag informierte Langer schließlich die Polizei. Die beigezogene Feuerwehr verschaffte sich über eine Drehleiter Zugang in die Wohnung im vierten Stock.

Amerell hatte das Domizil gleich im Februar 2010 - nach Publikwerden der üblen Vorwürfe gegen ihn - bezogen und das eheliche Haus in Augsburg verlassen. In die folgenden zahlreichen Rechtsstreitigkeiten mit Schiedsrichter Michael Kempter, der ihm sexuelle Übergriffe vorgeworfen und so die Affäre ausgelöst hatte, bezog Amerell frühzeitig den DFB und dessen bis März 2012 amtierenden Präsidenten Theo Zwanziger mit ein. Zwanziger und der Verband standen lange Zeit fest zu Kempter; sie beriefen sich auf eine Amtspflichtverletzung des Funktionärs durch das private Verhältnis mit dem Schiedsrichter. Amerell hingegen beteuerte, die Beziehung mit Kempter sei einvernehmlich gewesen. Seine Version stützte er auf massive Belege: Mehreren Gerichten präsentierte er Hunderte Mails von Kempter seit 2007, die voller Schwärmerei, Gedichten und Eifersüchteleien steckten. Das weckte früh Zweifel an Kempters Darstellung, er sei gegen seinen Widerstand genötigt worden. Auch die von Theo Zwanziger geplante rasche Wiedereingliederung Kempters in den Schiedsrichterbetrieb hielt nicht lange vor. Aus dem Profi-Bereich entfernt, gab Kempter erst im August 2012 ein Comeback bei den Amateuren in der Oberliga Baden-Württemberg. Ein Spiel des Weltverbandes Fifa hat er nie gepfiffen.

Kempter war allerdings erst im Dezember 2011 bei einem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Stuttgart abgerückt von seinem in vielen Interviews erhobenen Vorwurf, wonach er Amerell immer klar signalisiert habe, dass er keinerlei sexuelle Kontakte wünsche. Jetzt räumte er ein, er habe seine Ablehnung möglicherweise nicht ausreichend wahrnehmbar ausgedrückt, die bisherige Behauptung halte er "nicht weiter aufrecht". Im Prozess hatte das OLG den langjährigen, eindeutigen Mailverkehr zwischen Kempter und Amerell in die eigenen Überlegungen mit einfließen lassen.

Fast zeitgleich mit Kempters Rückzug beim OLG wurde Zwanzigers Rücktritt an der DFB-Spitze bekannt. Amerell hielt sich nun - in Absprache mit der künftigen DFB-Führung -zurück mit Aktivitäten, er hoffte, nach der Ära Zwanziger eine Einigung hinsichtlich seiner Rehabilitierung erzielen zu können. Als dies misslang, kündigte er im April 2012 an, den DFB wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte auf Schadenersatz zu verklagen. Er fühle sich vom Verband diffamiert, erklärte Anwalt Langer. Am Mittwoch nun deutete Langer nach einem Gespräch mit der Familie Amerell an, dass genau geprüft werde, ob die Auseinandersetzung mit dem DFB fortgesetzt werde.

Im Fußball wurde Amerell als Geschäftsführer der Klubs 1860 München, FC Augsburg und Karlsruher SC bekannt. Später pfiff er als Schiedsrichter 66 Bundesliga-Spiele. Seine aktive Karriere beendete er mit der Leitung des Pokalfinales 1994, Werder Bremen gegen Rot-Weiß Essen. Er wurde Schiedsrichter-Funktionär im DFB. Mit Bekanntwerden der Affäre hatte er seine Ämter im DFB und im Süddeutschen Fußball-Verband niedergelegt.

© SZ vom 13.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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