Zum Tod von Jonah Lomu:Muhammad Ali aus der Südsee

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  • Neuseeland trauert um einen seiner größten Sportler: Rugby-Held Jonah Lomu stirbt überraschend mit 40 Jahren.
  • Der wohl kräftigste Athlet seiner Generation hat den Sport verändert - keiner konnte sich so dynamisch durchsetzen wie er.

Von Tobias Schächter

Wenn Jonah Lomu mit dem Rugby-Ei in den Händen loszog, gab es kein Halten. Seinen ehrfurchtsvollen Spitznamen "The Unstoppable" - der Unaufhaltbare - verdiente er sich schon bei seinem ersten internationalen Auftritt, der WM 1995 in Südafrika. Damals war Lomu 19 Jahre alt, der junge Außendreiviertel entzückte in der neuseeländischen Rugby-Nationalmannschaft mit seinen sagenhaften Dribblings.

Seine vier Versuche im Halbfinale gegen England gehören zum Legendenschatz dieser Sportart und begründeten Lomus Ruf als bester Rugby-Spieler aller Zeiten. Der Rugby-Sport steckte damals noch ganz am Anfang, war wenig professionalisiert. Dieser Mann mit dem unwiderstehlichen Antritt beschleunigte mit seiner aufseheneregenden Spielweise diese Entwicklung - Jonah Lomu gilt als erster Weltstar dieses Sports. Am Mittwoch ist Jonah Lomu in Auckland überraschend gestorben, mit nur 40 Jahren.

Rugby-Legende Jonah Lomu
:Ein Leben für den Sprint mit Ei

Kein Rugbyspieler hat seinen Sport so geprägt wie der Neuseeländer Jonah Lomu. Sein früher Tod lässt seine Heimat trauern - und an seine unbändige Kraft zurückdenken.

Der 1,96 Meter große Athlet war auch deshalb eine Ausnahmeerscheinung, weil er für seine Größe und sein Körpergewicht (125 Kilogramm) unheimlich schnell war, Lomu sprintete die 100 Meter in 10,8 Sekunden. Wegen dieser ungewöhnlichen Kombination aus Wucht und Schnelligkeit beschrieben Kommentatoren Lomus Spiel immer wieder als "Naturgewalt." Seine Gegenspieler hatten gleichsam Angst wie Respekt, wenn dieser Hüne auf sie zu- und sie meistens schließlich überrannte, als seien sie nicht da.

Und dennoch blieb die Karriere des wohl besten Spielers, den die große Rugby-Nation Neuseeland je hatte, unvollendet. Zwar ist er der jüngste Spieler, der je für die "All Blacks" nominiert wurde, den Weltmeistertitel aber gewann Lomu nie. Schon früh litt er an einer seltenen Nierenerkrankung (Nephrotisches Syndrom). Bereits 1994 wurde die Diagnose gestellt, 2003 musste er schließlich mit 28 Jahren seine Karriere beenden.

Der verzweifelte Versuch, sich durch Engagements auch bei europäischen Klubs noch einmal für eine WM vorzubereiten, scheiterte krankheitsbedingt. Die WM 2007 in Frankreich blieb nur ein Traum. 2011 hatte ein erstes Spenderorgan nach sieben Jahren den Dienst aufgegeben. Geld war damals aber nicht der Antrieb für seinen Comeback-Versuch, Lomu hatte 1999 einen Werbevertrag mit Adidas unterzeichnet, der ihm für zehn Jahre rund zehn Millionen neuseeländische Dollar einbrachte.

Dieser Sportler wurde aber nicht nur wegen seiner Ausnahmeleistungen auf dem Spielfeld verehrt. 1975 wurde er in schlimme Verhältnisse in Auckland geboren, seine Kindheit verbrachte er in Tonga, dem Land seiner Eltern. Zurück in Aucklands von Jugendbanden dominierten Süden bewahrte ihn sein Rugby-Talent vor einer kriminellen Laufbahn. Lomus Aufstieg zum Sportstar gilt vielen jungen Polynesiern, die vor ähnlichen Wegkreuzungen in ihrem Leben stehen, als Vorbild. Eine Zeitung nannte Lomu wegen dessen auch außerhalb des Spielfeldes großen Bedeutung einmal "den Muhammad Ali des Rugby".

In seiner 2004 veröffentlichten Biografie "My Story" erzählt Lomu offen über seine brutale Kindheit und die Schläge seines trinkenden Vaters, der ihn oft mit einem Elektrokabel malträtierte. Als er groß und stark genug war, wehrte er sich - und ging seinen eigenen Weg. Seine spätere Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Abwehrspielern gewann er unter anderem dadurch, dass er einen schweren Rasenmäher hinter sich herzog. Das Talent im Rugby war das Ventil, um sich aus dieser schlimmen Umgebung zu befreien.

Nach seiner Karriere arbeitete Lomu als Botschafter von Unicef in Neuseeland und als Patron einer Stiftung, die sich um nierenkranke Kinder kümmerte. Als Botschafter der Rugby-WM 2011 in Neuseeland reiste Lomu wieder nach Tonga. Der Sportminister des Landes erklärte damals: "Sicherlich können viele Länder stolz auf Jonah Lomu sein, aber Tonga ist am stolzesten."

Lomus Sprecher verkündete am Mittwochmorgen die traurige Botschaft: Lomu ist verstorben. Er war gerade aus einem Urlaub in Dubai nach der Rugby-WM in England in seine Heimat zurückgekehrt. Die Rugby-Welt und viele Politiker in seiner Heimat zeigten sich betroffen über den Tod jenes Mannes, der den Rugby-Sport prägte wie kaum ein anderer. Jonah Lomu, der drei Mal verheiratet war, hinterlässt eine Ehefrau und zwei Kinder.

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