Zum Saisonstart in der MLB:New York Groove

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Sie nennen ihn "Big Sexy": Der ulkige Werfer Bartolo Colón entzückt die Fans der New York Mets. (Foto: Chris O'Meara/AP)

Am ersten Spieltag der nordamerikanischen Baseball-Liga treffen gleich die Finalisten der vergangenen Saison aufeinander. Die New York Mets wollen aus der Endspielpleite Motivation ziehen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Der Mensch, der den Spielplan für die nordamerikanische Baseballliga MLB verantwortet, muss ein Sadist sein. Warum sonst sollte er an diesem Sonntag die New York Mets für die ersten beiden Saisonspiele zu den Kansas City Royals schicken? Die Mets haben die Finalserie der vergangenen Saison in diesem Stadion verloren, gegen diesen Gegner. Das wird ihnen nun genüsslich unter die Nase gerieben. Am Sonntag wird vor der Partie das Meisterschaftsbanner mit großem Gedöns unters Stadiondach gezogen, am Dienstag bekommen die Spieler der Royals ihre Meisterschaftsringe. Geht es noch gemeiner?

"Ich werde mir das alles ansehen - und ich will, dass es schön wehtut", sagt Catcher Travis d'Arnaud. "Sie haben uns vergangenes Jahr geschlagen, wir haben dort keine einzige Partie gewonnen, mit dem Comeback im fünften Spiel haben sie uns das Herz gebrochen. Das kann als Motivation dafür dienen, was wir in dieser Saison erreichen wollen." Ja, schon richtig gelesen: Die Mets, diese liebenswerten Loser, deren Fans jahrelang melancholische Masochisten waren, sie gehören in dieser Saison zu den Favoriten auf den Titel.

Dieser unglaubliche Lauf am Ende der vergangenen Saison, der nach einem mittelmäßigen Start (36 Siege und 37 Niederlagen) in eine Bilanz von 90:72 und den Einzug in die World Series mündete, wird mittlerweile nicht mehr als witziger Zufall oder statistische Anomalie gesehen. Sondern als Beginn einer möglicherweise grandiosen Ära für diesen Verein, der bislang zwei Meisterschaften (1969, 1986) gewonnen hat und ansonsten seit der Gründung im Jahr 1962 ein eher tristes Dasein draußen in Queens fristet. Der erwartete Aufschwung liegt vor allem daran, wie Manager Sandy Alderson diesen Kader gestaltet hat.

Ulkiges Kerlchen mit prächtiger Wampe

Jacob deGrom, Matt Harvey, Noah Syndergaard, Steven Matz und Zack Wheeler galten bereits in der vergangenen Saison als die talentierteste Werfergruppe der gesamten Liga, als ein Versprechen auf eine formidable Zukunft. Diese Zukunft von damals ist nun Gegenwart. Manager Alderson hat die Startrotation zusammengehalten und auch Jeurys Familia, einen der besten Einwechselwerfer der MLB, für eine weitere Saison verpflichtet.

Wheeler ist noch bis Juli verletzt, für ihn wird der fast 43 Jahre alte Bartolo Colón werfen - und der steht symbolisch für dieses Team aus New York, das Alderson für einen Etat von 132 Millionen Dollar zusammengestellt hat. Gewiss, das ist sehr viel Geld, doch andere Vereine wie die Los Angeles Dodgers (253 Millionen), Stadtrivale New York Yankees (227 Millionen) oder die Boston Red Sox (200 Millionen) bezahlen ihren Akteuren deutlich mehr.

Colón ist ein ulkiges Kerlchen mit prächtiger Wampe, er gleicht eher einem Maskottchen als einem Profisportler. Die Fans in Queens lieben ihn wegen seiner lockeren und doch enthusiastischen Art, sie nennen ihn "Big Sexy". Er verfügt noch immer über einen ordentlichen Fastball, dürfte in dieser Saison aber häufiger als Einwechselwerfer verwendet werden. "Das wäre überhaupt kein Problem", sagt Colón, "sie sollen mit mir machen, was immer sie wollen. Alles wird gut." Bei der Vertragsverlängerung vor der Saison war ihm dann aber schon wichtig, dass zu den 7,25 Millionen Dollar Grundgehalt ein Bonus von 50 000 Dollar kommt, sollte er der beste Schlagmann der Liga werden. Ein Scherz natürlich, Colón schlägt schrecklich und verliert bei den grotesken Versuchen schon einmal Mütze und/oder Gleichgewicht.

Schmerz als Therapie

Diese Lockerheit, die Colón mit kleinen Geschenken (Kaugummi und Kautabak) und Streichen (zuckerfreier Kaugummi und Mint-Kautabak) auf die Kollegen überträgt, hat dem Verein in der vergangenen Saison geholfen - wie natürlich auch der Zukauf von Yoenis Cespedes, dessen Vertrag nun für 75 Millionen Dollar um drei Jahre verlängert wurde.

"Ich will, dass am Sonntag all diese schrecklichen Gefühle zurückkommen, die ich am Ende der letzten Saison erlebt habe", sagt Outfielder Michael Conforto. "Ich muss diesen Schmerz erleben, um bereit für diese Spielzeit zu sein." Schmerz als Therapie, das haben die Mets auch in der Vorbereitung probiert. Sie haben 14 Spiele nacheinander verloren, ehe sie die letzte Partie gegen die Cubs gewannen. "Diese Ergebnisse jucken am Sonntag doch keinen Menschen mehr", sagt Conforto. "Jetzt geht die Saison los, jetzt wird es interessant - und es beginnt mit einem Knaller."

Der Opening Day in der MLB ist für die Amerikaner ein besonderer Tag im Jahr. Doch natürlich muss der Mensch, der den MLB-Spielplan verantwortet, zum Abschluss noch in Schutz genommen werden - er ist natürlich kein Sadist. Er hat die ersten Partien der neuen Saison bereits im August vergangenen Jahres und damit lange vor der World Series veröffentlicht.

© SZ vom 03.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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