Zukunftsplanungen von Borussia Dortmund:Schwarz-gelbe Panikattacken

Borussia Dortmund v FC Bayern Muenchen - UEFA Champions League Final

Die letzte Erinnerung ist eher schlecht: Dortmunder Spieler nach dem verlorenen Finale der Champions League. 

(Foto: Getty Images)

Der große Reibach findet woanders statt: Der Champions-League-Finalist Borussia Dortmund ist gerade dabei, Pierre-Emerick Aubemeyang zu verpflichten - es ist erst der zweite neue Spieler. In einem überhitzten Markt registriert der BVB gerade, dass viele ihn für reicher halten, als er tatsächlich ist.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Wenn man Hysterie in Tetrapaks abfüllen könnte, bräuchten die Betreuer von Dortmunder Fan-Foren zurzeit Gabelstapler. Bis gestern noch weitgehend unbekannte Namen werden von den Fans als potenzielle Zugänge gehandelt (Aubameyang? Mkhitaryan? Delofeu?), ebenso wie erwiesene Ausnahmetalente des Weltfußballs (Eriksen? Benteke? De Bruyne? Tello? Bernard?). An diesem Mittwoch startet Borussia Dortmund mit einem Trainingslager in Kirchberg/Tirol in die neue Saison - ob da die jüngste Aussage von BVB-Chef Hans-Joachim Watzke, man werde 50 Millionen Euro in neue Spieler investieren, tatsächlich zur Beruhigung der Gemüter führt oder noch mehr Tetrapaks füllt, ist noch nicht raus.

Am Dienstagabend kristallisierte sich immerhin heraus: Der Franzose Pierre-Emerick Aubemeyang, Mittelstürmer von AS St. Etienne, dürfte tatsächlich für erste Abhilfe bei Dortmunds Anhang sorgen. Die Klubchefs wollen zwar noch nicht bestätigen, aber Aubemeyang, der für Gabuns Nationalelf spielt und sich lieber nur "Aubeme" nennt, dürfte für geschätzte 13 Millionen Euro zum BVB wechseln. In der vergangenen Saison zweitbester Torjäger in der französischen Liga (19 Treffer, gleich hinter Zlatan Ibrahimovic). Bei früheren Versuchen beim AC Mailand, OSC Lille und AS Monaco war Aubeme allerdings nicht klargekommen, im alten Kohlerevier von St. Etienne aber ist der wohl schnellste Spieler Frankreichs - Typ: Thierry Henry - in der vergangenen Saison explodiert.

In Kirchberg wird weder Aubemeyang dabei sein, noch der frühere Bremer Sokratis, den Dortmund für neun Millionen Euro Ablöse verpflichtet hat, der aber noch den Extraurlaub für Nationalspieler abfeiert. Auch Robert Lewandowski fehlt noch, um den es zuletzt das wohl erbittertste öffentliche Zerren gab, dass sich Spielerberater je mit einem Bundesliga-Klub geliefert haben. Der BVB geht davon aus, dass Lewandowski nach seinen Flitterwochen auf den Seychellen wieder zur Arbeit erscheint - aber für Überraschungen ist das Berater-Duo hinter dem Torjäger, dessen Vertrag in Dortmund noch bis 2014 gilt, immer gut gewesen. So geht es gleich wieder weiter mit den Ungewissheiten, die auch Watzkes frische Ankündigung, "noch zwei bis drei Spieler für die Offensive" holen zu wollen, nicht wirklich aus der Welt schaffen kann.

Dabei ist das, was bisher geschah, gar nicht unbedingt dramatisch. An Stammspielern hat lediglich Mario Götze den Klub verlassen. Ein Verlust, der vor allem mental schwer wiegt. Götze war beim BVB noch kein unverzichtbarer Spieler - aber sein viel beschworenes Zukunfts-Potenzial und nicht zuletzt seine Herkunft aus dem Klub-Nachwuchs scheinen bei vielen in Dortmund den Eindruck erweckt zu haben, dass damit Welten einstürzen. Dabei hat der BVB außer Götze nur die Talente Bittencourt und Leitner (vorerst) abgegeben, Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek fällt wegen einer Hüft-Operation ein halbes Jahr aus. Für ihn kommt Sokratis.

Ist das ausreichend für Panik-Attacken in Schwarz-Gelb?

Als Watzke und Sportdirektor Michael Zorc neulich darauf hinwiesen, dass der BVB - rein theoretisch - nur Götze durch Nuri Sahin ersetzen müsste, um selbst ohne einen Zugang eine beneidenswerte erste Elf aufbieten zu können, brandete gleich Entrüstung in den Fan-Foren auf. Als ob das Erwägen von Worst-Case-Szenarien nicht zum Geschäft gehören würde. In diesem Klima von kollektivem Einkaufswahn tun sich Watzke und Zorc, die in den vergangenen Jahren durch stille Transfers aufgefallen waren, unerwartet schwer.

30 bis 40 sondierte Spieler

Fest steht, dass Dortmund durch den späten und unerwarteten Abschied von Götze und die Unsicherheiten um Lewandowski mehr aus dem sicheren Fahrwasser getrieben wurde, als es einem etablierten europäischen Spitzenklub passieren würde. Der Durchmarsch nach Wembley hat Geld und neue Anhänger gebracht - aber nun muss sich Borussia Dortmund in einem "völlig überhitzten Marktklima" bewegen, wie Watzke unlängst beklagte.

Von den 30 oder 40 ursprünglich sondierten Spielern, die Götze und im Notfall Lewandowski ersetzen und die Kaderbreite stärken könnten, soll nur noch eine Handvoll übrig sein. Aber die sind alle anderswo unter Vertrag, und Klub-Präsidenten sowie Spielerberater in aller Welt taxieren die Dortmunder schon als so finanzkräftig wie die Klubs der Scheichs und Oligarchen.

Dabei kann Dortmund gerade mal für den Augenblick bei den Ablösesummen mitspielen - märchenhafte Gehälter kann der BVB auch 2013 nicht zahlen. Indiskret hat vor ein paar Tagen der Geschäftsführer von Schachtjor Donezk verkündet, Dortmund habe 23 Millionen, vielleicht Euro, vielleicht Dollar, für einen gewissen Henrikh Mkhitaryan geboten, 24, armenischer Nationalspieler. Donezk wolle aber 30 Millionen. Von Mkhitaryan liest man mal, sein Berater habe gesagt, er tendiere zum FC Liverpool und mal, der Spieler wolle nach Dortmund und habe Liverpool (sowie Tottenham und anderen) schon abgesagt. Es scheint jedoch so zu sein, dass Mkhitaryan (gesprochen etwa: Mikitarian) in der Tat Dortmunds nächster Kandidat sein wird. In 26 Spielen in der ukrainischen Liga traf der offensive Mittelfeldmann 25 Mal das Tor und bereitete 15 Treffer vor.

Dementieren wollen Watzke und Zorc auch das nicht, aber nichts dementieren hilft auch wenig. Den einzigen erklärten Liebling, Kevin de Bruyne, zuletzt an Bremen ausgeliehen, aber an Chelsea gebunden, hat der BVB auch nie dementiert. Aber so wie es aussieht, will Chelsea de Bruyne nun doch behalten. Auch der Spanier Isco, eben vom FC Malaga zu Real Madrid gewechselt, stand auf der BVB-Wunschliste. Ajax Amsterdams Däne Christian Eriksen dagegen offenbar nicht - obwohl er seit Wochen gehandelt wird.

Das sind einerseits gute Gründe, um sich Sorgen zu machen. Andererseits: Die Transferperiode dauert noch zwei Monate. Mit Aubemeyang und Mkhitaryan wären dann auch etliche der Dortmunder Millionen ausgegeben.

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