Zukunftsplanung beim HSV:Hamburg wartet auf Didi

Hamburger SV - Dietmar Beiersdorfer

Kommt er oder kommt er nicht? Mit Dietmar Beiersdorfer soll der HSV befriedet werden.

(Foto: dpa)

Wie es beim HSV nach dem klarem Votum für den Investoren-Einstieg weitergeht, hängt zu großen Teilen an Dietmar Beiersdorfer. Die Entscheider des Klubs wollen ihn als neuen Vorstandschef installieren. Sollte dieses Vorhaben scheitern, droht Ungemach.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Eigentlich hatte Karl Gernandt am Sonntagnachmittag um 17 Uhr eine Telefon-Verabredung mit Dietmar Beiersdorfer. Doch just um diese Uhrzeit stand Gernandt noch auf dem Rasen der Hamburger Arena und gab Interviews. Gernandt plauderte, lachte, schüttelte Hände. Das Ferngespräch nach Russland musste er verschieben.

Gernandts Unpässlichkeit hatte einen guten Grund. In beeindruckender Manier hatte die Initiative "HSV Plus" kurz zuvor bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Vereins triumphiert. Das bedeutet nichts weniger als: Dem HSV steht eine Revolution bevor. Gernandt, 53, spielt dabei keine unwesentliche Rolle. Er wird von Juli an neuer Aufsichtsratschef des HSV und damit Oberaufseher für die beschlossene Ausgliederung der Fußballabteilung.

Gernandt soll den Verein führen, den Umbau moderieren. Und er soll, das wurde am Sonntag auch deutlich, Dietmar Beiersdorfer als Vorstandschef zurück nach Hamburg lotsen.

Beiersdorfer war als Spieler eine Stütze beim HSV, später, von 2003 bis 2009, Sportchef. Unter seiner Führung erreichte der Klub zum bislang letzten Mal ein europäisches Halbfinale, auch deshalb ist die Sehnsucht groß. Überredet werden müsse Baiersdorfer nicht, stellte Gernandt klar. "Ich bin mit ihm eigentlich ganz einig." Der Jubel der fast 10.000 Mitglieder war groß, als Gernandt vom Podium aus die Personalie verkündete.

"HSV Plus" erhielt 86,9 Prozent der Stimmen und erreichte damit sehr komfortabel die erforderliche Dreiviertelmehrheit. Gernandt wird künftig an der Spitze eines sechsköpfigen Aufsichtsrats stehen, dem die ehemaligen Profis Thomas von Heesen und Peter Nogly sowie der Immobilienhändler Dieter Becken, der Finanzexperte Felix Goedhart und Klitschko-Manager Bernd Bönte angehören sollen.

Doch der designierte Vorstandschef Beiersdorfer, obwohl noch gar nicht da, überstrahlte alle anderen Reformpläne. Eigentlich wollte Gernandt über den potenziellen Rückkehrer nicht viel reden, das gebiete der Respekt vor "Didi" und seinem aktuellen Arbeitgeber Zenit Sankt Petersburg. Dann redete Gernandt allerdings doch ziemlich viel über Beiersdorfer - und schürte damit im euphorisierten Klub ziemlich große Erwartungen.

Man habe sich bereits getroffen, am Ende dieses Treffens habe es auch einen Handschlag gegeben, bestätigte Gernandt. "Didi Beiersdorfer wird alles dafür tun, hier bei seinem HSV mit im Team dabei zu sein", sagte er. Es liege jedoch an Sankt Petersburg, wo Beiersdorfers Vertrag noch bis 2015 läuft. Eine Ausstiegsklausel gibt es nicht.

Kühne könnte das Geld zuschießen

Gernandt zeigte sich zuversichtlich. "Er hat dort auch ein Renommée", sagte der künftige Aufsichtsratsboss, "man wird ihn dort ordentlich behandeln." Sollte Sankt Petersburg gewillt sein, Beiersdorfer abzugeben, würde eine Ablöse fällig. Das Geld könnte von Klaus-Michael Kühne kommen, dem milliardenschweren Gönner des Klubs, der nach dem Zustandekommen von "HSV Plus" nun im größeren Stil als Investor einsteigen wird.

Gernandts Nähe zu Kühne ist dabei nicht ganz unwichtig. Er ist Präsident des Verwaltungsrats der Kühne + Nagel AG, Kühne hat beim HSV in Gernandt nun eine Vertrauensperson installiert. Zu Zerwürfnissen zwischen dem Aufsichtsratschef und dem wichtigsten Geldgeber wird es also kaum kommen - das ist für den HSV schon mal eine gute Nachricht. Kühne ist ein Freund großer Namen, was zuletzt sein Flirt mit Felix Magath bewies. Mit Beiersdorfer als starkem Mann könnte er jedoch offenbar ebenfalls sehr gut leben.

Beiersdorfer selbst hat sich noch nicht geäußert, und so lange unklar ist, ob er die Freigabe erhält, liegen auch andere Entscheidungen auf Eis. Die Zukunft von Sportvorstand Oliver Kreuzer etwa, über dessen Abberufung im Vorfeld heftig spekuliert wurde, steht auf der Kippe. Kreuzer selbst gab sich am Sonntag schmallippig. Er werde abwarten, "wie Didi sich entscheidet", sagte Kreuzer. Bis dahin gehe "alles weiter wie bisher".

Auch Gernandt erklärte, es sei noch keine Entscheidung gefallen. Kreuzers Arbeit kommentierte er jedoch mit den Worten: "Da waren auch Dinge dabei, bei denen ich von außen gesagt hätte, die hätte ich anders gemacht."

Auch muss Vorstandschef Carl-Edgar Jarchow um seinen Job fürchten. Jarchow würde sich zwar nach eigener Aussage freuen, wenn Beiersdorfer zum HSV zurückkehre und erhielt am Sonntag überraschend viel Applaus. Wird Beiersdorfer aber tatsächlich der starke Mann, dürfte Jarchow sein Amt verlieren. Er könnte bestenfalls zu einer Art Präsident aufsteigen, der dann aber über keine Entscheidungsbefugnisse verfügt. Oder der neue Aufsichtsrat lastet ihm die schlechte Entwicklung der vergangenen Jahre an und beruft ihn ganz ab.

Viel Kommunikation wird in den nächsten Wochen nötig sein beim HSV. Mit Jens Meier, dem aktuellen Aufsichtsratschef, will Gernandt ebenfalls in dieser Woche noch das Gespräch suchen. Und dann stehen ja auch noch diverse Telefonate nach Russland an. "Wichtig ist, dass wir den Start nicht verhudeln", sagte Gernandt. Müsste Baiersdorfer trotz aller gegenseitiger Liebesbekundungen in Sankt Petersburg bleiben, wäre jedoch genau das passiert.

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