Süddeutsche Zeitung

Zukunftsplanung bei 1860 München:Iraki für die Finanzen, Schneider für die Fans

Arbeitsgruppen für die Bereiche Nachwuchsarbeit, Marketing, Fans und Finanzen, dazu der Plan, in spätestens drei Jahren erste Liga zu spielen: Beim Besuch von 1860-Investor Hasan Ismaik in München versucht der Verein, sich Klarheit über die eigene Zukunft zu verschaffen. Die Verantwortlichen sind um Einigkeit bemüht, auch wenn längst noch nicht alles zu stimmen scheint.

Philipp Schneider

Oben auf dem Rasen wurden die Weggänge verabschiedet, weiter unten, im Bauch der Arena des FC Bayern München, da sollte es um die Zukunft des Zweitligisten TSV 1860 München gehen, der sich hier seit Jahren für seine Heimspiele einmietet. Es gab zunächst keine Blumensträuße, sondern überdimensionale Fotografien ihrer selbst für Stefan Aigner, Kevin Volland, Collin Benjamin, Sandro Kaiser, Djordje Rakic und Antonio Rukavina, jene Spieler also, die vor Anpfiff der Abschlusspartie der Saison gegen Alemannia Aachen ein letztes Mal gewürdigt werden sollten, ehe sie 1860 in wenigen Wochen verlassen.

Die Zuschauer verabschiedeten sich von Benjamin und Kaiser mit Stille, bei Buck mit Pfiffen (weil er fortan für die U23 des FC Bayern spielt), mit Applaus bei Rukavina und Rakic, Sprechchören bei Aigner - und mit Standing Ovations von Volland.

Fünf Millionen Euro im Jahr

Als der Ball dann rollte, nahm Hasan Ismaik, jener Geschäftsmann aus Abu Dhabi, der sich vor einem Jahr für 18 Millionen Euro bei der KGaA von 1860 mit 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile eingekauft hatte, auf der Tribüne Platz. Rechts neben ihm saß sein Münchner Vertrauensmann Hamada Iraki, links Otto Steiner, der Aufsichtsratschef des Vereins. Erst einige Plastiksessel entfernt (somit außerhalb der Sprechdistanz) hockte Klubpräsident Dieter Schneider, dessen Rücktritt Ismaik bis Ende März stets gefordert hatte - ehe er davon bei seinem letzten Besuch in München auf wundersame Weise abrückte.

Am Sonntag war Ismaik also wieder einmal eingeflogen, am Ende einer Saison, in der 1860 den Relegationsplatz um die ärgerlich kleine Zahl von fünf Punkten verpasst hatte, und er begrüßte die anwesenden Journalisten mit einem freundlichen: "Guten Tag, everybody." Ab diesem Moment wechselte er ins Arabische und ließ fortan übersetzen von Iraki. "Er (Ismaik; d. Red.) ist gekommen, um euch ein Update zu geben, was jetzt bei 1860 passieren wird", übersetzte Iraki: "Die Verantwortlichen im Verein haben ihm einen Dreijahresplan vorgelegt und zuvor hart und intensiv gearbeitet." Diesen Plan habe er "akzeptiert, bedingungslos".

Erst auf Nachfrage bestätigten Ismaik/Iraki dann die zuletzt schon kolportierte Investitionssumme: Rund fünf Millionen Euro im Jahr wird Ismaik fortan auf Darlehensbasis und zu fünf Prozent Zinsen an die KGaA verleihen, "vielleicht stimmt die Summe, vielleicht ist es aber auch mehr", sagte Iraki dazu, und weiter: "Er (Ismaik) verfolgt 1860, und er weiß, dass hier Großes geleistet wurde, sportlich und finanziell. Sein Ziel ist es immer, nach vorne zu schauen - und in drei Jahren Erstligist zu sein" (was er übrigens auch schon vor einem Jahr gesagt hatte). Dann übersetzte Iraki noch kurz die Freude Ismaiks darüber, "dass mehr Zuschauer kommen als in den letzten Jahren", um sich zuletzt, quasi im Plauderton, zur einzigen echten Neuigkeit des Tages vorzutasten: "Wir haben auch Arbeitsgruppen eingerichtet, für die Bereiche Marketing, Finanzen, Fans, Nachwuchsbereich und Networking."

Ab hier mussten alle weiteren Informationen erfragt werden. Geschäftsführer Schäfer präzisierte, Aufsichtsratschef Steiner und Präsident Schneider ergänzten die fehlenden Informationen: Demnach entstand die Idee zur Gründung der Arbeitsgruppen bei Ismaiks letztem Besuch, als der Investor spontan davon abrückte, den Rücktritt von Schneider zu fordern. Jene Arbeitsgruppen haben ihre Tätigkeit längst aufgenommen und haben, das liegt in ihrer Natur, jeweils eine Person an der Spitze. Den existenziellen Bereich Finanzen verantwortet: Iraki. Das Marketing: Steiner. Die Jugend: Vizepräsident Wolfgang Hauner. Das sogenannte Networking: Aufsichtsrat Siegfried Schneider und Vizepräsident Franz Maget.

Präsident Schneider indes, der einst die finanzielle Konsolidierung des Vereins erst auf den Weg brachte und als Sanierer mittelständischer Firmen seine unternehmerische Schläue bewiesen hat, Schneider also, er ist fortan verantwortlich für die Arbeitsgruppe: "Fans".

Und dann waren plötzlich alle sehr darum bemüht, die Bedeutung dieser Gremien irgendwie zu relativieren. "Es sind auch externe Mitarbeiter drin, und jeweils ein Mitarbeiter von HI2 (Vermarktungsagentur von Ismaik/Iraki; d. Red.), die ein ganz wichtiger Partner für uns ist", sagte Steiner. Und Ismaik ließ einen kleinen Spaß übersetzen: "Herr Steiner ist die optimale Besetzung für Marketing. Schauen Sie sich ihn doch an."

Auf die Frage, ob sich der Präsident nun vollständig aus der Kontrolle der Vereinsfinanzen zurückziehen würde, wiegelte auch Schneider ab: "Das alles geschieht unabhängig von unseren Funktionen im Verein", sagte er: "Es ist ja nicht so, als ob hier irgendwelche Arbeitsgruppen vor sich hinwurschteln." Es gehe lediglich darum "Talente zu bündeln", erklärte Schäfer, der als Geschäftsführer in die Arbeit der Gruppen mit eingebunden ist.

Steiner findet es "saugeil"

Wer will, der kann hier eine weitere schleichende Entmachtung des Präsidenten erkennen, der sich stets für eine Einhaltung der 50+1-Kräfteverhältnisse im Verein stark machte. Aufsichtsratschef Steiner freute sich derweil über einen "in der Historie von 1860 sehr wichtigen Tag. Jetzt sind wir in der Situation, Zukunft zu gestalten - in dieser Situation waren wir noch nie". Das finde er einfach "saugeil". Und dann ging es zum Italiener.

Am Ende einer Saison, in der 1860 knapp den Aufstieg verpasste, lud Ismaik die Mannschaft zum Essen ein. Und alle kamen, auch Volland, der seine Pizza künftig in Hoffenheim isst, und Aigner, der sich einen guten Italiener in Frankfurt suchen muss.

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SZ vom 07.05.2012/jbe
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