Zukunft von Eintracht Frankfurt:Bauland zwischen Hochhäusern

Bayern Muenchen v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

Eine wichtige Säule, die der Eintracht erhalten bleibt: Sebastian Jung (l.) im Zweikampf mit Arjen Robben.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Neuer Sponsor, neue Spieler, neue Ambitionen: Auf dem Weg zur Meisterfeier des FC Bayern kann Eintracht Frankfurt nur Spalier stehen. Kommende Saison aber strebt der Klub selbst Größeres an.

Von Thomas Kilchenstein, Frankfurt

Der Fan auf der Haupttribüne trug weder Kutte, Schal noch Bengalo, dafür polterte er unentwegt. Er schimpfte von der ersten Minute an, er zeterte und lamentierte, und als Sebastian Rode Mitte der zweiten Halbzeit aus bester Lage schlapp mit links übers Tor zog, hatte er genug: Er verließ die Tribüne, verpasste prompt ein Tor für seinen Verein.

Aber man hat es nicht leicht als Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt: Heribert Bruchhagen durchlitt unlängst im Spiel bei Greuther Fürth die emotionale Achterbahnfahrt eines kreuznormalen Fans, die letzten zehn Minuten schenkte sich der Klubboss erneut, auch zum für ihn obligatorischen Plausch mit der Presse war er nicht mehr imstande.

An Bruchhagens Aufregung lässt sich ganz schön ablesen, was für die ins Straucheln geratenen Überflieger der Hinserie auf dem Spiel stand. Es ging darum, eine "historische Chance" (Bruchhagen) nicht leichtfertig zu verspielen, es ging darum, eine herausragende Saison nicht vorzeitig zu beschädigen. Kaum stand der Zittersieg fest, nannte der neue alte Trainer Armin Veh frische Ziele: "Wir wollen jetzt versuchen, Sechster zu werden."

Das Timing stimmte: In der Woche zuvor hatte Veh zur allgemeinen Überraschung des Boulevards seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. "Tut mir Leid, Herri" - Pause am Telefon - "aber du musst mich ein weiteres Jahr ertragen", so charmant hatte Veh seinen Chef informiert. Herri Bruchhagen, mit dem sich Veh gerne verbal neckt, hat sich gefreut und sich ein paar Stunden später mit Fiat geeinigt. Der neue Hauptsponsor überweist in den nächsten drei Jahren zwischen 18 und 20 Millionen Euro. Es gibt Tage, da läuft es schlechter.

Sie wollen in Frankfurt den nächsten Schritt tun. Endlich wieder bei den Großen mitspielen. Endlich wieder an die Zeiten von Yeboah, Bein und Okocha anknüpfen - wenn auch nur in Light-Version. Die Sehnsucht danach ist so hoch wie die Wolkenkratzer am Mainufer.

Der Klub selbst ist über seinen Schatten gesprungen, er hat sich in den entscheidenden Tagen bewegt. Das Eigenkapital von fünf Millionen Euro wird angezapft, der Personaletat künftig auf etwa 32 Millionen angehoben, sechs, sieben, vielleicht auch acht Millionen Euro darf der Coach für neue Spieler ausgeben. Damit hat die Eintracht ihren Investitionsrahmen verdoppelt.

Veh ist in Frankfurt ein kleiner König

"Für drei Millionen hätte ich nicht zur Verfügung gestanden", hatte Veh glasklar gesagt. Diese durchgesickerte Information bewegte wohl auch Bild, voreilig und falsch "von der sechsspurigen Autobahn" zu schreiben, auf der sich der 52 Jahre alte Trainer bereits nach Schalke bewege.

Dabei hatte Veh stets betont, ihm ginge es nicht ums Geld: "Ich bin kein Pokerer." Er wolle lediglich eine Perspektive sehen. "Diese Mannschaft", sagt Veh, "ist mein Baby." Es klingt fast zärtlich.

Tatsächlich hat er sich in Frankfurt etwas aufgebaut, hier ist er ein kleiner König, ihm redet keiner rein, so selten, dass sich Veh gar dabei ertappt, einen Aufsichtsrat zu loben, "das tue ich sonst nicht". Veh hat die Mannschaft geformt, "die Eintracht", sagt der gelernte Immobilienkaufmann, "ist wie Bauerwartungsland." Alles ist möglich, sogar ein vierter Platz.

Der Kader ist willig, charakterstark, einfach zu führen, zur Begrüßung gibt man sich die Hand. Veh, der Ehrgeizige, will jetzt die Chance beim Schopfe packen, von seiner Spielidee rückt er nicht ab, auch in schlechteren Phasen nicht: schnell, attraktiv, hoch stehend und immer vorne druff. So was kommt an in Frankfurt, da verzeiht man auch mal eine Klatsche.

Und mit Kevin Volland (Hoffenheim), Daniel Caligiuri, Johannes Flum (beide Freiburg) und Ya Konan (Hannover), die auf der To-do-Liste des Sportdirektors Bruno Hübner stehen, soll der Angriff für das fremde, internationale Terrain unterfüttert werden. Zudem bleiben der Eintracht ihre Leistungsträger erhalten, auch die Vielumworbenen Sebastian Rode und Sebastian Jung, der nach dem Bayern-Spiel an diesem Samstag seinen Vertrag verlängern wird.

Soweit die Theorie. Dummerweise nimmt sich die Eintracht gerade jetzt ihre Krise. Sechs sieglose Spiele mit nur einem Tor gingen dem mühevollen Erfolg in Fürth voraus. Die Mannschaft, die mangels Alternative fast immer in gleicher Besetzung spielt, wirkt ausgelaugt, Leichtigkeit und Unbekümmertheit der Vorrunde sind dahin.

Damals spielte sie über ihren Möglichkeiten, inzwischen ist sie auf Normalmaß gestutzt. Nun fallen fürs Bayern-Spiel wohl auch noch die drei besten Profis aus: Der formidable Torhüter Kevin Trapp (Handbruch), der beste Schütze Alex Meier (Faserriss) und Kapitän Pirmin Schwegler (Blessur am Steißbein).

Team-Vergleich Frankfurt - Bayern

Eintracht Frankfurt und FC Bayern im Vergleich

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