Zukunft der WM:Ideen der Männer

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Fifa-Präsident Gianni Infantino verspricht: Es soll nicht nur mehr Teilnehmer bei der Weltmeisterschaft der Frauen geben, auch das Preisgeld soll mindestens verdoppelt werden. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Fifa-Präsident Gianni Infantino zieht Bilanz der WM 2019 und kündigt zugleich größere Veränderungen für die Zukunft an. Es scheint so, als wolle der Schweizer nun bei den Frauen das durchdrücken, was bei den Männern auf Widerstand stößt.

Von Frank Hellmann, Lyon

Zum Finale dauerte es noch mehr als zwei Tage, als der Fifa-Präsident Gianni Infantino in Lyon vorbeischaute. Sein Besuch bei der Weltmeisterschaft der Fußballerinnen in Frankreich hatte aber auch andere Gründe. Wie gewohnt analysierte der Schweizer als oberster Weltfußballverbandssprecher die noch laufende WM kurz vor dem Ende. Der 49-Jährige kam kurioserweise zum gleichen Ergebnis wie vor einem Jahr in Moskau: "Es war die beste WM aller Zeiten" - eine neue Superlative im Fußball-Kosmos.

Am Sonntag (17 Uhr) endet die achte Auflage des Frauen-Turniers mit einem würdigen Endspiel: Weltmeister USA trifft auf den Europameister Niederlande. So konnte Infantino schnell eine Idee aufgreifen, die unterstreicht, dass bei ihm nicht nur alles immer toller, sondern auch immer größer wird. Seinen neuesten Plan plauderte er am Freitag aus: die Frauen-WM so schnell wie möglich auf 32 Teilnehmer aufzustocken. Begründung: "Wichtig ist, dass wir das Turnier nicht zu schnell vergessen und darauf aufbauen."

Erst im Frühjahr hatte die Fifa mitgeteilt, dass die Rekordzahl von neun Bewerbungen für die Frauen-WM 2023 eingegangen ist. Aus Südamerika haben Argentinien, Bolivien, Brasilien und Kolumbien Interesse hinterlegt, aus Ozeanien Australien und Neuseeland, aus Asien Japan und Südkorea (eventuell sogar gemeinsam mit Nordkorea), einziger afrikanischer Bewerber ist Südafrika. Der Ausrichter soll erst im März 2020 benannt werden, obwohl die Männer schon wissen, wo 2026 gespielt wird (mit 48 (!) Mannschaften in USA, Kanada und Mexiko). Nun könnte selbst dieser Zeitplan noch wackeln, denn in den Unterlagen für die Frauen-WM 2023 war nur von 24 Teams die Rede, doch so etwas hat Infantino noch nie gekümmert.

Sieben Viertelfinalisten kamen aus Europa

Bei den Männern ist der Mann mit der handstreichartigen Erweiterung für die WM 2022 in Katar bekanntlich gescheitert, aber bei den Frauen kann man es ja mal versuchen. "Ich hoffe, dass die Council-Mitglieder und Fifa-Mitgliedsverbände mir folgen, sonst werde ich darauf bestehen." Ohnehin scheint ihm das weibliche Segment als Vehikel willkommen, um durchzudrücken, was bei den Männern vehement auf Widerstand stieß: eine Klub-WM und Weltliga unter Fifa-Hoheit. Das könnte spannend werden, wo doch bei der Uefa fertige Pläne in der Schublade liegen, die Women's Champions League nach dem Männer-Modell mit 32 Mannschaften und einer Gruppenphase umzubauen. Irgendwann würde es dann auch bei den Frauen zu eng mit den Terminen.

In diesem Zusammenhang klingt es fast töricht, dass der französische Verbandspräsident Noël Le Graët nonchalant am Freitag vorschlug, die Frauen doch alle zwei Jahre eine WM spielen zu lassen. Der 77-Jährige sollte noch wissen, dass es auch eine EM gibt. Die nächste übrigens 2021 in England, wo Verband und Vereine längst das überzeugendste und finanzkräftigste Großprojekt angestoßen haben, um zur Führungsmacht im Frauenfußball zu werden.

Sollte die WM 2023 wirklich vergrößert werden, wird die Vergabe der Startplätze spannend: Europa hatte in Frankreich acht Teilnehmer plus den Gastgeber am Start: Sieben davon kamen ins Viertelfinale. Infantino dürfte jedoch darauf erpicht sein, erst einmal den ihm gewogenen Kontinentalverbänden in Afrika, Asien und Südamerika mehr Startplätze zuzuschanzen. Allen Mitgliedsverbänden hat er bereits mehr Geld für die Förderung des Frauen- und Mädchenfußballs in Aussicht gestellt: "Wir brauchen es nicht auf einer Schweizer Bank, die haben genug davon." Daher sollen nicht wie beschlossen 500 Millionen Dollar, sondern sogar eine Milliarde die nächsten vier Jahre in die verschiedenen Projekte fließen.

Infantino reichen die 13,3 Millionen registrierten Frauen und Mädchen, die weltweit Fußball spielen (davon allein 9,5 Millionen in den USA), nicht. Und um den Forderungen nach mehr Wertschätzung nachzukommen, soll es bei der nächsten Frauen-WM mindestens das Doppelte an Preisgeld (bislang 30 Millionen Dollar) geben. Ehrenwort des Präsidenten.

Die Aufmerksamkeit steigt

Das Investment erfährt Rückendeckung durch die Zuschauerzahlen. Gar nicht so sehr in den Stadien, denn die 1,16 Millionen Besucher sind eine gute, aber keine überragende Kenngröße bei einer 75-prozentigen Auslastung. Rekorde erreichten die Begegnungen im Fernsehen: 850 Millionen Menschen haben sich nach Fifa-Angaben bislang die Spiele angesehen, nach dem Finale sollen es weltweit mehr als eine Milliarde sein. Die größte Aufmerksamkeit generierte dabei das Achtelfinale Frankreich gegen Brasilien: 58,7 Millionen weltweit, davon 35,2 Millionen in der Marta-Heimat.

Dieses Interesse würde bei einer Frauen-WM mit 32 Teams nicht absinken. Größter Vorteil der Aufstockung: Es würden die lästigen Rechenspiele mit den vier besten Gruppendritten entfallen. Niemand müsste mehr tagelang ausharren, um dann im Hotelflur zu tanzen, wie es die Nigerianerinnen taten, als sie vom Einzug ins Achtelfinale gegen Deutschland erfuhren. Was gegen die Ausweitung spricht: Gerade sind die Fußballerinnen froh, dass ein 13:0 der USA gegen Thailand zur Ausnahme geworden ist, da könnten dann wieder vermehrt solche Resultate zustande kommen.

Die Technische Studiengruppe der Fifa hatte am Freitag berichtet, dass sich das Level endlich angeglichen habe. "Die USA sind die Topnation, aber viele Länder kommen immer näher. Das Spiel ist schneller, athletischer und besser geworden", lobte die frühere deutsche Nationalspielerin Nadine Keßler als Mitglied der Studiengruppe. Sie habe bei dieser WM viele Spielerinnen gesehen, die kompletter seien als sie zu ihrer aktiven Zeit, meinte die Weltfußballerin von 2014. "Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, früher war alles besser. Im Frauenfußball ist das Gegenteil der Fall", sagte die 31-Jährige. Auch sie dürfte jedoch ein Interesse daran haben, dass das so bleibt.

© SZ vom 07.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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