Zlatan Ibrahimovic:Paris fürchtet, verlassen zu werden

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Ibrahimovic vollendet gerade die vielleicht beste Saison seiner Karriere, mit 34 Jahren.

(Foto: AFP)

Frankreichs Fußball sorgt sich um Glamour-Stürmer Zlatan Ibrahimovic: Geht er wirklich weg aus Paris - und wenn ja, wohin: Mailand? China?

Von Oliver Meiler, Paris

Wenn Zlatan Ibrahimovic vor Galapublikum auftritt, das ja dann meist für seine Ehrung zusammensitzt, umweht ihn immer diese ganz spezielle, irgendwie zlataneske Aura: eine Mischung aus Phlegma und Süffisanz - als wollte der Schwede den Anwesenden bedeuten, dass es ganz okay sei, da zu sein, dass es aber sicher noch Orte gäbe, an denen sie ihm noch gebührender huldigen würden.

So war es auch diese Woche wieder, als man ihn in Paris einmal mehr als besten Spieler der laufenden französischen Fußball-Meisterschaft auszeichnete. Er trug Anzug, das Haar war zum Chignon geknotet, und er lächelte am Rednerpult so unverbindlich wie nur immer möglich: "Eine individuelle Trophäe ist schön", sagte er, "aber sie wäre ohne das Kollektiv nicht möglich." So bescheiden?

Ibrahimovic vollendet gerade die vielleicht beste Saison seiner Karriere, mit 34 Jahren. Er sieht es selber auch so: "Ich war nie besser", sagt er, "ich habe auch hart dafür gearbeitet." Natürlich ist die Ligue 1 keine sonderlich fordernde Bühne, und dennoch, die Statistiken sind grandios: In 30 Meisterschaftsspielen hat "Ibra" 36 Tore für Paris St. Germain erzielt, das ist eine Quote von 1,2 Toren pro Spiel; dazu kommen 13 Vorlagen.

Es wäre das Ende einer Epoche

Damit verdankt der Meister seinem Mittelstürmer einen Beitrag zu genau der Hälfte aller 98 Saisontore. Und die Bilanz lässt sich noch weiter schönen. Am Samstag ist "Dernière", im Pariser Prinzenpark, gegen Nantes. Vielleicht ist das dann auch das letzte Ligue-1-Spiel von Zlatan Ibrahimovic. Nach vier Jahren läuft der Vertrag mit PSG aus. Es wäre, kaum übertrieben, das Ende einer Epoche. Und das sähe er selber wohl auch so.

Jetzt wummern alle wesentlichen Spekulationen des französischen Vereinsfußballs rund um diese eine, große Frage: Geht er tatsächlich weg? Nach England etwa, in die Premier League, wo er noch nie gespielt hat? Nach Mailand, wo seine Frau Helena offenbar ganz gerne wieder leben und shoppen würde? Oder nach China, wo sie grotesk hohe Saläre bezahlen?

Ibrahimovic hat sich mittlerweile auch eine ganz eigene Art zugelegt, um die Debatten zusätzlich zu alimentieren und nebenbei den Preis für seine Dienste weiter in die Höhe zu treiben: In Interviews macht er allen ein bisschen Hoffnung, je nach Herkunft der Publikation. Nach der Gala vor einigen Tagen ließ er sich von den Italienern befragen, und denen sagte er, er habe in seiner ganzen Karriere nie in einem größeren Verein als dem AC Mailand gespielt. Nun ja, die Größe ist schon eine Weile her.

Als danach das französische Radio zum Gespräch bat, sagte Ibrahimovic: "Ich liebe Frankreich. Paris ist die schönste Stadt, in der ich je gelebt habe. Ich war in Amsterdam, Mailand, Barcelona - aber keine Stadt kann mit Paris mithalten." Als man ihn dann fragte, warum er denn nicht bleibe, wenn er Frankreich so sehr liebe, sagte er: "Ich weiß doch noch gar nicht, ob ich weggehe." Hoffnungssplitter sind das - kleine, hingeworfene Knochen.

Ist Mailand noch groß genug?

Einige Faktoren, die bei seiner Entscheidungsfindung eine Rolle spielen könnten, lassen sich bereits nennen: In Paris wird er wohl nur bleiben, wenn der Emir aus Katar, seit 2011 Besitzer von PSG, bereit wäre, ein ganz und gar verrücktes Angebot auf den Tisch zu legen, was diesem durchaus zuzutrauen wäre. Dazu muss man wissen, dass Ibra jetzt schon zwölf Millionen Euro im Jahr verdient, netto. Vielleicht würde sich der Stürmer auch eher zum Bleiben überzeugen lassen, wenn ein Trainer mit klingendem Namen käme und Laurent Blanc ersetzte: José Mourinho etwa, der Portugiese ist seit dem Aus beim FC Chelsea noch immer ohne Anstellung.

Und dann müsste Ibrahimovic noch die Gewissheit gewinnen, dass Paris im kommenden Jahr endlich um den Gewinn der Champions League mitspielen kann. Bisher schaffte man es nie weiter als bis ins Viertelfinale, auch mit ihm nicht, dem großen Zlatan. Vor einigen Wochen scheiterten die Franzosen an Manchester City, dem anderen Retortenteam mit Geldgebern vom Golf. City hatte als schlagbar gegolten, darum ist die Enttäuschung auch besonders groß. Paris bleibt vorerst halt doch noch fußballerische Provinz.

Die meisten Indizien zeigen zur Insel

Eher Mailand also? Ibrahimovic hat schon für beide Vereine der Stadt gespielt. Bei Inter (2006 bis 2009) und Milan (2010 bis 2012) erinnert man sich gerne an ihn, ans ganze Paket aus Fußball und Show, und hofft auch immer mal wieder auf seine Rückkehr, jeden Sommer eigentlich. Doch die sportlichen Ambitionen sind in den vergangenen Jahren geschrumpft, notgedrungen. Das Geld fließt nur noch spärlich, weil die alten Mäzene müde geworden sind: Massimo Moratti hat Inter bereits an einen indonesischen Medienunternehmer verkauft; Silvio Berlusconi sondiert seit einem Jahr bei chinesischen und thailändischen Milliardären nach dem besten Angebot. Doch Mailand ist wahrscheinlich nicht mehr groß genug für Zlatan.

Die Gazzetta dello Sport hat trotzdem schon mal eine Stadtkarte von Mailand publiziert, auf der sie alle Lieblingsorte der Familie Ibrahimovic eingezeichnet hat: deren Wohnung an der Via Circo, das japanische Restaurant Nobu, das Viertel der Mode rund um die Via Monte Napoleone für Helena, das Luxushotel in der Nähe, wo Zlatan jeweils wartete, bis seine Frau mit den vielen Tüten vorbeischaute. Alles noch da. Am meisten Indizien zeigen aber zur Insel, in diesen global vermarkteten Zirkus der Premier League. Da war Ibrahimovic noch nie, da könnte er weltweit strahlen. Und da würde auch sein wuchtiger Fußball gut hinpassen. Man kann Zlatan hoch anspielen, wie einen Leuchtturm im Sturm, wie das Engländer gerne tun. Mit ihm kann man aber auch Klein-Klein, gepflegter Aufbau, wie es die vielen Spanier und Südamerikaner mögen, die mittlerweile in der Premier League mittun. Aber wenn England, dann wo? Manchester City geht nicht, da coacht bald Pep Guardiola, mit dem er es in Barcelona gar nicht gut konnte.

Aus diesem Grund, mutmaßen viele, könnte ihn eine Anstellung bei Manchester United reizen - mit Revanchegelüsten. Oder doch eher London, wo es Helena wohl besser gefallen würde und es für den Mann gleich zwei Jobadressen mit dem nötigen Renommee gäbe, Arsenal und Chelsea?

So hören die Pariser in diesen Tagen und Wochen der großen Ungewissheit wieder bange auf das gewichtige Wort eines früheren Pizzabäckers, der Ibrahimovic' Verträge lenkt und rechnet: Mino Raiola, der allumsorgende Manager, sei gerade im Urlaub in Miami, hört man. Schier unerreichbar. Ausgerechnet jetzt, wo ein Epochenwechsel droht.

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