Basketball:Seine Stärke ist der "Monsterdunk"

ACC Basketball Tournament - Quarterfinals

Kommt ein Kraftpaket geflogen: Zion Williamson von der Duke University beim Dunk, seiner Lieblingsbeschäftigung.

(Foto: AFP)
  • Wie jedes Jahr im März ermitteln die US-Colleges ihren Basketball-Meister - es ist also die Zeit der "March Madness".
  • Favorit ist die Duke University - unter anderem, weil Zion Williamson für das Team spielt, der den Wettbewerb prägen könnte.
  • Die Frage ist, ob er mit seinem körperbetonten Spiel auch in der NBA herausragen würde. Der 18-Jährige ruft dennoch große Vergleiche hervor.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer herausfinden möchte, wie immens der Einfluss von Zion Williamson derzeit auf die amerikanische Popkultur ist, der sollte sich den Aktienkurs des Sportartikelherstellers Nike ansehen und dabei auf diesen beachtlichen Knick am 21. Februar achten. 1,37 Milliarden Dollar verlor die Firma an diesem Tag kurzfristig an Wert - und das nur deshalb, weil der Student Williamson am Abend zuvor während einer Partie seines Basketball-Teams der Duke University aufgrund einer Fehlfunktion seines Schuhs umgeknickt war.

Williamson ist 18 Jahre alt. Er hat noch keine einzige Profipartie absolviert, und doch sorgte die Verletzung (letztlich war es nur ein verstauchtes Knie) für einen Kurssturz. Denn prognostiziert wird, dass Williamson in der sich anbahnenden Profikarriere ungefähr so viel verdienen dürfte, wie Nike an jenem Februar-Tag an Wert verlor. Dabei darf er als Student noch keine Sponsoring-Verabredung haben, er trug im Augenblick der Verletzung jedoch das Nike-Produkt. Ob er seinen ersten offiziellen Ausrüstervertrag dann bei Nike zeichnet, wird wohl verkündet, bevor er die erste Partie in der nordamerikanischen Profi-Liga NBA absolviert. Die Schätzungen belaufen sich im Augenblick auf circa 80 Millionen Dollar für einen Sieben-Jahre-Kontrakt.

Zunächst aber hat der Wahnsinn im März wieder begonnen, die Amerikaner nennen die Ausschlussrunde im College-Basketball "March Madness". Weil da tatsächlich alle durchdrehen, die je eine Uni besuchten (und damit deren Logo auf Lebenszeit auf ihr Herz tätowiert haben), oder die sich auch nur emotional mit einem College verbunden fühlen.

Godzilla! Flummi! Und etwas von Fred Astaire! So beschreibt ihn Sports Illustrated

Offiziell ist dies ein Amateurturnier, an dem inklusive einer Mini-Vorrunde 68 Universitäten teilnehmen, gespielt wird im K.-o.-Format: Wer verliert, scheidet aus. Die Fans analysieren das Tableau und die insgesamt 67 Partien, als wären es Aktienkurse, dann tippen sie auf ihre Favoriten. Insgesamt werden bei Buchmachern (oder auch untereinander) circa zehn Milliarden Dollar auf den Ausgang verwettet.

Duke ist, bei allem Respekt für die Teams von Virginia, Gonzaga, North Carolina, Kentucky und Michigan State, der Favorit in diesem März: Trainer Mike Krzyzewski (der bereits fünf College-Titel gewonnen und die US-Profis zu drei olympischen Goldmedaillen geführt hat) verfügt neben Williamson über zwei weitere Akteure (R.J Barrett, Cam Reddish), die beim NBA-Draft, bei dem die Profiklubs am 20. Juni die besten Talente verteilen, unter den ersten Fünf gewählt werden dürften.

An diesem Freitag aber spielt Duke zunächst gegen North Dakota State, und Duke dürfte nur dann verlieren, wenn Williamson, Barrett und Reddish allesamt völlig versagen und zugleich die Hölle zufriert. Andererseits: 2018 unterlag das an Nummer eins gesetzte Virginia in der ersten Runde gegen die Universität von Maryland (UMBC), 2012 verlor Duke die erste Partie gegen Lehigh/Pennsylvania - deshalb nennen die Amerikaner das Turnier "March Madness", den März-Wahnsinn.

Diese Mal wird alles noch ein bisschen wahnsinniger, weil es da eben diesen Typen gibt, von dem selbst Experten behaupten, dass sie so einen noch nicht gesehen haben. 130 Kilogramm verteilen sich auf zwei Meter Körpergröße, und es ist nicht einfach, Williamson zu beschreiben, ohne dass es übertrieben bis lächerlich klingt. Die Zeitschrift Sports Illustrated (SI) versuchte es kürzlich so: "Godzilla mit den Fähigkeiten eines Flummis und in seinen Bewegungen inspiriert von Fred Astaire." Ein Riese mit Sprungfedern statt Füßen und der Beweglichkeit eines Tänzers.

Die New York Knicks haben derzeit die größte Chance, ihn für die NBA zu verpflichten

Williamson ist im US-Bundesstaat North Carolina aufgewachsen, im Vorschulalter bemerkte Mutter Sharonda, dass ihr Sohn mit einer unfassbaren Physis gesegnet ist. Schon gibt es die Legende, dass Williamson bereits als Fünfjähriger jeden Tag um fünf Uhr morgens aufgestanden sei, um sich auf ein Leben als Profisportler vorzubereiten. "Es wird bei ihm nicht nur um einen Ausrüstervertrag gehen", wird Sonny Vaccaro im Godzilla-Flummi-Astaire-Artikel zitiert. Vaccaro hat als Nike-Manager Anfang der Achtzigerjahre den Studenten Michael Jordan verpflichtet, es war der Beginn des Basketball-Schuh-Wahnsinns, der in milliardenschweren Verträgen gipfelte wie jenem heute von LeBron James bei den LA Lakers. "Zion hat bereits Millionen von Fans, ein lockeres Lächeln, einen unvergesslichen Namen und diese einzigartige Spielweise. Die Möglichkeiten zur Vermarktung sind quasi unbegrenzt", so gerät Vaccaro ins Schwärmen.

Es steckt immer reichlich Pathos in der Heldenverehrung von Sportlern in den USA, die Akteure werden zu bislang nie gesehenen Attraktionen verklärt. Nur: Während des Wahnsinns kommen etwa tausend Spieler zum Einsatz, nicht einmal 15 Prozent davon werden später ihr Geld als Basketballprofis verdienen. Williamson spielt also nicht nur gegen künftige NBA-Profis, sondern auch gegen Leute, die demnächst als Anwälte, Bankberater oder Lehrer arbeiten werden. Das Niveau ist hoch, gewiss, aber keinesfalls zu vergleichen mit der NBA. Er wirkt deshalb wie ein Mann unter Kindern. Was also wird er in seiner Profikarriere erreichen können?

Derzeit profitiert Williamson unterm Korb von seiner Physis und seiner Spielfreude, in der Defensive gleicht er taktische Schwächen über Athletik und Intuition aus. Seine Quoten bei Freiwürfen (65,4 Prozent) und von jenseits der im College-Basketball näher als in der NBA gezogenen Drei-Punkte-Linie (31,5) sind eher mittelprächtig. Seine herausragende Qualität ist der "Monsterdunk", ein Gewaltakt, bei dem regelmäßig die Korbanlage wackelt. Mehr noch als mit anderen, wird Williamson derzeit mit Charles Barkley, heute 56, verglichen, der einst als springende Wuchtbrumme durch die Arenen flog.

Doch wie wird das werden, wenn sich der Neue gegen ähnlich große, ähnlich wuchtige und ähnlich bewegliche Leute durchsetzen muss? Die zudem durch mehrere NBA-Spielzeiten gestählt und deshalb abgezockt sind? In einer Liga, die aktuell nicht auf dominante Nahkämpfer, sondern mehr auf bewegliche Fernschützen fixiert ist? Die Mehrheit der Experten glaubt trotzdem: Dieser Williamson habe das Potenzial, den Basketball so dominant zu prägen, wie dies damals Jordan und heute James gelungen ist. Dieser Williamson habe das Potential zur popkulturellen Ikone.

Williamson dürfte beim Draft an erster Stelle gewählt werden, er ist sogar mit acht Millionen Dollar dagegen versichert, nicht zu den ersten 16 Auserwählten zu zählen. Die Reihenfolge des Wahlrechts der Klubs wird am 14. Mai ausgelost; die New York Knicks haben aufgrund ihrer miesen Bilanz in der noch laufenden NBA-Saison die größte Wahrscheinlichkeit, Williamson zu bekommen. Natürlich wäre das ein Traum für jeden, der Williamson zum Milliardär machen will, wenn diese Mischung aus Godzilla und Fred Astaire im Madison Square Garden zu bestaunen wäre.

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