Trainer Zinnbauer:Magic Joe heißt jetzt Jay-Z

Orlando Pirates - Trainer Zinnbauer

"Nicht Pep-Guardiola-One-Touch", aber doch "sehr dominanten Ballbesitz", so beschreibt Joe Zinnbauer den Fußball, den er von seiner Mannschaft spielen lässt.

(Foto: Ralf Krüger/picture alliance/dpa)
  • Der frühere HSV-Coach Joe Zinnbauer trainiert inzwischen die Orlando Pirates in Südafrika - und ist noch ungeschlagen.
  • An diesem Samstag trifft er im Spitzenspiel auf die von Ernst Middendorp trainierten Kaizer Chiefs.

Von Sebastian Fischer

Wenn Josef Zinnbauer erklärt, was anders ist an seiner neuen Aufgabe, dann spricht er viel über Freude. Zum ersten Mal als Trainer müsse er nicht gegen den Abstieg kämpfen, sagt er zum Beispiel. Oder die Stimmung im Stadion: nicht aggressiv, eher "eine Feier für die Familie". Neu ist auch die Sprache, klar: "Mein Englisch ist nicht top." Und neu ist, obwohl er das selbst nicht so sagen würde, der Erfolg. Wahrscheinlich war er als Trainer noch nie so gefragt wie in diesen Tagen in Johannesburg, als Coach der Orlando Pirates.

Es ist Freitag, der Tag vor dem großen Spiel, als Zinnbauer für ein Gespräch am Telefon Zeit hat: An diesem Samstag treffen die Pirates, der Tabellendritte, im Stadtderby der zwei beliebtesten südafrikanischen Klubs auf die Kaizer Chiefs, den Tabellenführer. Es ist das Duell zweier deutscher Trainer, die Chiefs coacht der in Bielefeld als "Jahrhunderttrainer" verehrte Ernst Middendorp. Es ist ein Spitzenspiel, weil Zinnbauer seit seiner Ankunft im Dezember von acht Begegnungen in der Liga keine verloren und sieben gewonnen hat. "Die Stadt bebt", sagt er. Das Stadion mit rund 90 000 Plätzen ist ausverkauft. Zum Vergleich: Als er im Mai 2017 nach fünf Niederlagen in Serie beim Schweizer Erstligisten FC St. Gallen beurlaubt wurde, hatten 11 977 Zuschauer ein 0:2 gegen den BSC Young Boys gesehen. Danach blieb er mehr als zweieinhalb Jahre ohne Trainerjob.

Josef, genannt "Joe" Zinnbauer, 49, geboren Schwandorf in der Oberpfalz, war nie ein ganz gewöhnlicher Protagonist der Fußballbranche. Als er in den Neunzigerjahren einen Profivertrag beim Karlsruher SC unterschrieb, war er bereits mit seinem Finanzberatungsunternehmen reich geworden und fuhr der Legende nach einen Ferrari als Zweitwagen. Das meistgeklickte Youtube-Video zum Suchbegriff "Zinnbauer" ist ein zeitlos schöner Beitrag, den die Redaktion von "Zeiglers wunderbarer Welt des Fußballs" aus dem Archiv holte: Der 24-jährige Zinnbauer, wie er im hellgrün-gelb karierten Sakko am Schreibtisch sitzt und quasi nebenbei seinem Traumberuf als Fußballer nachgeht.

Als Spieler wurde er so durchaus bekannt, einmal war er im "Aktuellen Sportstudio" zu Gast, er lief aber nie in der Bundesliga auf. Als Trainer wurde er 2014 beim Hamburger SV zum Bundesligacoach für 24 Spiele befördert. "Magic Joe", nannte ihn der Boulevard zu Beginn, die Magie war jedoch nicht allzu nachhaltig. Zinnbauer selbst findet zwar, seine Trainerlaufbahn werde in Deutschland oft allzu negativ dargestellt. Doch der aktuelle Erfolg ist für ihn dennoch speziell. Wenn er von den inzwischen fast drei Monaten in Südafrika erzählt, spricht er von einem "Glücksgefühl".

Neulich waren Zinnbauer und Middendorp zur Spielbeobachtung zufällig im selben Stadion

Seine Verpflichtung bei den Pirates wurde zunächst skeptisch kommentiert. "Der Klub hat in den letzten zehn Jahren elf Trainer beschäftigt, von denen nur zwei schwarz waren", schrieb die Zeitung City Press. Zinnbauer befürchtete negative Reaktionen. Doch dann, so erzählt er es, sah er bei seinem Debüt "Welcome"-Schilder auf der Tribüne. Inzwischen werde er mit "mein Coach" auf der Straße angesprochen. Manche nennen ihn auch "Jay-Z", wegen seiner Initialen.

Die Trainerstationen von Joe Zinnbauer

seit 10.12.2019 Orlando Pirates

16.09.2015 - 04.05.2017 FC St. Gallen

01.07.2015 - 16.09.2015 Hamburger SV II

16.09.2014 - 22.03.2015 Hamburger SV

01.07.2014 - 15.09.2014 Hamburger SV II

27.03.2012 - 30.06.2014 Karlsruher SC II

01.01.2011 - 26.03.2012 KSC (Co-Trainer)

01.07.2005 - 30.06.2010 VfB Oldenburg

01.02.2004 - 30.06.2005 Henger SV

01.07.1998 - 31.01.2004 TSV Wendelstein

01.07.1996 - 30.06.1997 SK Lauf

Die südafrikanischen Zeitungen sind in diesen Tagen voll mit Vorberichten zum Spiel, Zinnbauer gibt ein Interview nach dem anderen, er war in dieser Woche sogar in der deutschen Botschaft zu Gast. Überall wird er zum Duell um die Meisterschaft gefragt, aber so weit will er bei sechs Punkten Rückstand auf die Kaizer Chiefs und einem Zähler weniger als dem zweitplatzierten Titelverteidiger Mamelodi Sundowns noch nicht gehen. Er freut sich eher, dass seine Mannschaft, in der bis auf den französischen Torwart Joris Delle nur Afrikaner spielen, ihn zu verstehen scheint. Den Spielstil beschreibt er so: "Nicht Pep-Guardiola-One-Touch", aber doch "sehr dominanten Ballbesitz" mit eingestreuten schnellen Kontern. Es sei die Herausforderung, viele Spieler vom Typ Straßenfußballer zu einem Team zu formen.

Ernst Middendorp, Zinnbauers Gegner am Samstag, trainiert die Kaizer Chiefs schon zum zweiten Mal, in Südafrika sind sie sein sechster Klub. Als die beiden Trainer neulich zur Spielbeobachtung zufällig im selben Stadion waren und sich auf der Tribüne nebeneinandersetzten, war das Echo der südafrikanischen Medien fast so aufgeregt wie in Deutschland bei Thomas Tuchel und Pep Guardiola, als sie in der Münchner Schumanns-Bar Systeme mit Salzstreuern nachstellten. "Ernst ist ein toller Typ", sagt Zinnbauer.

Ob er wie Middendorp, der auch in Ghana, Thailand oder Iran arbeitete, ein Trainer fern der Heimat bleibt oder ob er bei einem Angebot aus Deutschland zurückkehren würde, das will Zinnbauer noch nicht vorhersagen. Erst mal möchte er weiter gewinnen.

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