Zehnkampf:Solide glänzen

Die Zehnkämpfer Rico Freimuth und Kai Kazmirek holen Silber und Bronze. Von der Favoritenrolle wollten sie nichts wissen - und der Franzose Kevin Mayer ist am Ende zu stark.

Von Joachim Mölter, London

Auf den letzten Metern ließ es Kevin Mayer fast gemütlich angehen, der Zehnkämpfer aus Frankreich schlenderte am Samstagabend fast so über die Ziellinie des Londoner Olympiastadions als bewege er sich gerade zum Flanieren auf den Champs-Élysées in Paris. Er konnte es sich leisten, seine ärgsten Verfolger waren weit zurück, in diesem abschließenden 1500-Meter-Lauf, aber auch im Gesamtklassement.

Der 25-Jährige ist nun also der neue Zehnkampf-Weltmeister vor Rico Freimuth (Halle), dem WM-Dritten von Peking 2015, und Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied), dem Olympia-Vierten von Rio 2016, die auf 8564 bzw. 8488 Punkte kamen. Der dritte deutsche Teilnehmer, Mathias Brugger aus Ulm, hatte bereits am ersten Tag nach vier Disziplinen wegen Muskel- und Kniebeschwerden aufgegeben.

Weil der Weltrekordler, Olympiasieger und Titelverteidiger Ashton Eaton aus den USA nach den Spielen 2016 in Rio seine Karriere beendet hat, war der Thron des sogenannten "Königs der Athleten" vakant gewesen. Den besetzt nun also Kevin Mayer aus Argenteuil, der natürliche Nachrücker: Er war im vorigen Jahr in Rio schon Zweiter gewesen bei Olympia. An seine damalige Leistung von 8834 Punkten kam er nicht ganz heran: Mit 8768 stellte er immerhin eine Weltjahresbestleistung auf.

Zehnkampf: Teamwork: Rico Freimuth (r.) Zweiter im Zehnkampf, massiert seinen Konkurrenten Kai Kazmirek, der Dritter wird.

Teamwork: Rico Freimuth (r.) Zweiter im Zehnkampf, massiert seinen Konkurrenten Kai Kazmirek, der Dritter wird.

(Foto: Matthias Schrader/AP)

Zwar war der 29 Jahre alte Freimuth als Weltjahresbester nach London gekommen nach seiner Steigerung auf 8663 Punkte in Ratingen ("Da war ich im Flow"), aber so eine Leistung zu wiederholen, ist ja nicht immer so leicht: "Das ist ein internationaler Wettkampf", sagte Freimuth zwischen den Tagen, "that means heavy mental stress." Also auf gut Deutsch: ganz schön Stress.

Mayer wackelt nur ein Mal

Von einer Favoritenrolle hatte Freimuth auch deshalb nichts wissen wollen, weil Mayer vor London überhaupt noch keinen Zehnkampf gemacht hatte in diesem Jahr. Freimuth hatte ihn dennoch auf der Rechnung gehabt, seinen Landsmann Kazmirek allerdings auch: "Ich würde ihn nicht unterbuttern", hatte er gewarnt. Nur in einer Hinsicht lag Freimuth etwas daneben: "Ich denke, man braucht in London 8600 Punkte für eine Medaille."

Die brauchten dann weder er noch Kazmirek, der am Ende des ersten Tages zur Spitze aufschloss, als bester Hochspringer (2,11 Meter) und 400-Meter-Läufer (47,19 Sekunden) des Teilnehmerfeldes. Freimuth sammelte dafür im Diskuswerfen (51,17 Meter) mehr Zähler als alle anderen. Insgesamt lieferten die beiden Deutschen einen soliden Wettkampf ab: ohne einen riesigen Ausreißer nach oben, ohne großen Aussetzer, der Punkte gekostet hätte. Um Kevin Mayer zu bezwingen hätte es freilich einer außerordentlichen Leistung bedurft.

16th IAAF World Athletics Championships London 2017 - Day Nine

Hoch hinaus: Rico Freimuth.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Franzose wackelte ein einziges Mal während der zwei Wettkampftage, am Samstagmittag beim Stabhochsprung. Da hatte er die Latte bei seiner Anfangshöhe von 5,10 Meter schon zweimal gerissen, auch beim dritten Versuch zitterte sie gefährlich - blieb aber liegen. Damit brachte er genug Punkte in die Wertung ein, um auf Titelkurs zu bleiben; aber weil er nicht mehr höher kam, trieb er vom Weltrekordkurs ab, auf dem er sich bis dahin befunden hatte.

Mayer nahm jedenfalls einen beruhigenden Vorsprung mit in die letzten beiden Disziplinen, rund 100 Punkte betrug der Abstand zu Freimuth, rund 200 zu Kazmirek. Und der Franzose brachte sowohl im Speerwurf als auch über 1500 Meter die bessere Vorleistung mit - damit war die Entscheidung so gut wie gefallen: Mayer hätte sich zum Abschluss schon verlaufen müssen auf den dreidreiviertel Runden, um seinen ersten internationalen Titel noch zu verlieren.

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