Zehnjährige Alzain Tareq:Wie ein Kind die Schwimm-WM aufmischt

Schwimm-WM - Beckenschwimmen

Alzain Tareq muss in Kasan nicht nur schwimmen - sondern auch viele Fragen beantworten.

(Foto: dpa)
  • Bei der Schwimm-WM in Kasan steht Alzain Tareq plötzlich im Mittelpunkt.
  • Das Mädchen aus Bahrain ist erst zehn Jahre alt - und nimmt an den Beckenwettbewerben teil.
  • Möglich ist das, weil der Weltverband auf eine Altersbeschränkung verzichtet.

Von Saskia Aleythe

Der Startblock reicht ihr fast bis zur Hüfte, doch Alzain Tareq ist gut im Klettern. Sie krabbelt auf die Plattform, nimmt die Position ein, linker Fuß zum Abdrücken, rechter nach vorne, die Hände ganz Richtung Wasser gerichtet. Der Kopf taucht ein, dann der Körper, Tareq schwimmt, fast zehn Sekunden nach der Ersten schlägt sie am anderen Ende der Bahn an. Um eine Hundertstel hat sie ihre Bestzeit verpasst - aber Tareq hat ja noch viel Zeit zum Üben. Sie ist erst zehn Jahre alt.

Dieses Mädchen aus Bahrain ist eine kleine Berühmtheit geworden bei der Schwimm-WM in Kasan, nach diesem Vorlauf über 50 Meter Schmetterling, also 41 Sekunden im Wasser, gibt sie Interviews, eine halbe Stunde lang. Die pinke Schwimmbrille klebt an ihrer Stirn, sie bibbert ein bisschen in ihrem weißen Handtuch. Teamchef Sultan Khaled filmt alles stolz mit, er sagt: "Sie trainiert acht Mal die Woche, fünf Mal vormittags. Sie liebt es!"

Natürlich ist Tareq bemerkenswert: Manche Gleichaltrige bekommen nicht mal einen Purzelbaum hin, Tareq schwimmt gleich mal den schwierigsten Stil. Bei einer WM! Und traut sich dann auch noch vor Kameras. Was noch bemerkenswerter ist: Dass der Weltverband Fina Kinder bei diesem Event starten lässt.

Es ist Montag, der zweite Tag der Beckenwettbewerbe, da prangt ein großes Interview mit Tareq auf der Website des Verbandes. Auf dem Foto lächelt sie und winkt freundlich, die Athleten-Akkreditierung baumelt um ihren Hals, das Band ist viel zu lang für ihren kurzen Oberkörper. Sie freue sich, hier zu sein, ein bisschen Sightseeing will sie auch machen und dann ihren Schulfreunden davon erzählen, sagt Tareq. Und: "Ich habe vor nichts und niemandem Angst."

Ihr Vater ist ehemaliger Schwimmer und in Kasan natürlich dabei. "Sie liebt, was sie tut", versichert Belal Tareq, "sie wohnt im Athletendorf, sie sieht all die tollen Schwimmer, alle wollen mit ihr reden." Überfordern würden die Eltern das Mädchen nicht, "wir machen ihr auch keine Zeitvorgaben. Sie hat Geschichte geschrieben als jüngste Teilnehmerin und wir sind alle sehr stolz."

Erinnerungen an van Almsick

FINA Swimming World Championships 2015

Alzain Tareq macht sich bereit für den Start.

(Foto: Patrick B. Kraemer/dpa)

Dass sie in Kasan starten darf, liegt an einer Regelung des Weltverbandes: Um möglichst viele Länder bei der WM vertreten zu haben, darf jede Nation zwei Männer und zwei Frauen entsenden, ohne überhaupt eine Norm erfüllt zu haben. An eine Altersbeschränkung wurde dabei nicht gedacht. Der europäische Verband Len lässt Athleten erst ab 14 Jahren teilnehmen, bei Olympischen Spielen müssen sie 16 Jahre alt sein, Ausnahmen sind aber möglich. So wurde Litauens Rūta Meilutytė 2012 in London Olympiasiegerin über 100 Meter Brust, mit 15 Jahren.

Ob Tareq einmal ganz oben stehen wird, kann heute niemand sagen. Bahrain ist nicht gerade eine Schwimm-Nation, vor allem deshalb ist sie nun in Kasan dabei. Natürlich sorgt das auch für Diskussionen. "Wie viel Freiwilligkeit dabei ist oder wie viel Druck von Eltern oder Verwandten, das müsste man hier sehen", sagt Chefbundestrainer Henning Lambertz, "ich glaube, eine Zehnjährige ist lieber auf dem Spielplatz statt hier bei einer WM." Mag sein. Aber wissen Erwachsene immer genau, was Kinder am liebsten tun?

Tareq scheint sich ganz wohl zu fühlen: "Auf der Tribüne hat sie sich in unserer Nähe hingestellt, hat eine Tüte Popcorn gegessen, hat sich kaputt gelacht", berichtet Lambertz weiter, "das sieht für mich alles nach einem kindlichen, freudvollen und spaßigen Urlaubserlebnis aus und deswegen find' ich das okay."

Auf der Suche nach Spielkameraden würde Tareq auch in Kasan fündig werden: Bei den zwölfjährigen Ahnt Khaung Htut und Su Moe San aus Myanmar etwa oder der 13-jährigen Kaya Adwoa Forson aus Ghana. Wer den Eindruck hat, es sei ein neuer Jugendwahn im Schwimmen ausgebrochen, täuscht sich aber. Schließlich springen bei dieser WM 2500 Sportler ins Wasser, Fälle wie Tareq sind die absolute Ausnahme. Und junge Schwimmerinnen sind kein allzu neues Phänomen - siehe Franziska van Almsick, die vor 23 Jahren mit 14 bei Olympia in Barcelona zweimal Bronze gewann.

Am Samstag hüpft Tareq noch einmal ins Wasser, über 50 Meter Freistil, dann ist das Abenteuer WM für sie beendet. Einen eingeschüchterten Eindruck machte sie nicht, für andere Kinder kann so eine Erfahrung jedoch zum Problem werden - eine Altersbeschränkung der Fina würde das verhindern. Bei der nächsten WM 2017 in Budapest könnte es sonst zu noch kurioseren Szenen kommen. "Alzain hat eine Schwester", sagt Vater Tareq, "die ist sieben, und die ist noch schneller als sie."

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