Zehn Zylinder in der Formel 1:Schmollen an der Schikane

Nico Rosberg bekommt Falten vom grimmigen Blick, Daniel Ricciardo heizt mit 362 Kilometern pro Stunde über den Asphalt und ein 19-Jähriger ist zum Bewerbungsgespräch in Monza. Die Höhepunkte des Großen Preises von Italien in der Formel-1-Kolumne.

Von Elmar Brümmer, Monza

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Nico Rosberg

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Quelle: AP

Richtig erklären konnte oder wollte sich Nico Rosberg nicht, was da in der 29. Runde zu Monza in der tückischen ersten Schikane passiert war. Einfach geradeaus gefahren war er, zum zweiten Mal im Großen Preis von Italien. Diesmal aber mit der Konsequenz, dass er den Sieg damit an seinen direkten Rivalen Lewis Hamilton verloren hat. Als ob es eine innere Stallorder geben würde, als ob der Druck zu groß ist. Alles völlig untypisch für ihn. Aber vielleicht ein weiteres Indiz dafür, dass diese WM auch mental entschieden wird. Rosberg braucht nach drei unglücklichen Rennen in Folge dringend wieder ein Erfolgserlebnis, damit sich sein Gesichtsausdruck, irgendwo zwischen Unsicherheit, Trotz und schlechter Laune angesiedelt, wieder aufhellt. Sofort nach der Zieldurchfahrt entschuldigte er sich über Funk bei seinen Mechanikern. Einen internen Krieg der Sterne braucht er jetzt nicht auch noch.

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Kamui Kobayashi

F1 Grand Prix of Italy - Previews

Quelle: Getty Images

Er ist nicht mehr richtig drin, aber auch nicht richtig draußen. Die Cockpit-Umbesetzungen beim Caterham-Rennstall erinnern an das Geschacher auf einem Basar, und Stammpilot Kobayashi drohen zum Saisonende hin die Argumente, sprich: die nötigen Yen, auszugehen. Er musste schon in Belgien pausieren und saß das ganze Rennwochenende über in einem Hotel nahe der Rennstrecke. In Monza sollte der Spanier Robert Merhi (23) fahren, doch dem fehlt für die Rennen noch die Superlizenz, der Formel-1-Führerschein. Also wurde Kobayashi eingeflogen. Mittwochs noch in Tokio, Freitags im Rennwagen. "Mir geht es ums Rennfahren. Die letzten Wochen drehten sich aber mehr um Politik", klagt der 27-Jährige. Die Beziehung mit dem maroden Team scheint zerüttet. Aber besser, immerhin manchmal zu fahren als nie.

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Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Italy - Qualifying

Quelle: Getty Images

Irgendwie scheint der noch amtierende Weltmeister genug zu haben von der Leidensphase bei Red Bull. Auch die Ankündigung, dass der dominante Rennstall der letzten vier Jahre künftig den Werksteam-Status beim Motorenlieferanten Renault bekommt, scheint den Heppenheimer nicht zu versöhnen. Er kommt mit dem Auto und den neuen Regeln nicht klar, er hat mit Daniel Ricciardo einen Teamkollegen, der alle Defizite weglächelt. Immer häufiger klagt Vettel über Versäumnisse und Strategiefehler im Team. Zum Saisonende verliert er auch noch seinen langjährigen Renningenieur Guillaume Roquelin und Chefdesigner Adrian Newey. Macht - relativer - Misserfolg einsam? Es soll da ja noch ein Wechselangebot von McLaren geben, angeblich mit einem Jahresgehalt von 32 Millionen Dollar garniert. Eine Erfolgsgarantie ist das nicht. Aber genau die sucht der 27-Jährige.

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Monza

Italian Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Seit mit Ivan Capelli ein ehemaliger Rennfahrer Chef des stolzen Autodromo Nazionale ist, schreitet die Modernisierung der Piste vor den Toren Mailands voran, selbst die alten Steilkurven glänzen frisch. So wollen die Italiener Bernie Ecclestone endgültig überzeugen, dass der Gran Premio, seit der ersten Formel-1-Saison 1950 dabei, weiter im Kalender bleibt. Das beste Argument neben der italienischen Begeisterung für das Automobil sind trotz nachlassender Zuschauerzahlen die Ergebnisse der Radarfalle an der Höchstgeschwindigkeitsstrecke. Nico Rosberg erreichte mit einem Top-Speed von über 353 km/h den bislang besten Wert in dieser Saison. Und Geschwindigkeit ist immer noch die Essenz dieser Sportart. "Dreihundertfünfzig", sinniert Rosberg, "das ist eine irrsinnige Zahl". Manchmal funktioniert die Faszination in der Formel 1 doch wie beim Autoquartett.

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Pascal Wehrlein

Trainingslager Südtirol

Quelle: dpa

Die Vorbilder heißen Michael Schumacher, Karl Wendlinger und Heinz-Harald Frentzen - das Mercedes-Juniorteam in den Neunziger Jahren hat die Formel 1 und die Motorsport-Leidenschaft in Deutschland geprägt. Ende des Jahres plant der Konzern, dann vermutlich mit dem Weltmeistertitel ausgezeichnet, die nächste Nachwuchs-Offensive. Erster Kandidat ist der 19 Jahre alte Pascal Wehrlein aus Sigmaringen. Der fährt in der DTM Tourenwagen, aber auch schon im Formel-1-Simulator in der britischen Rennfabrik. "Es ist kein Zufall, dass er an diesem Wochenende in Monza ist", gesteht Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Allerdings gibt es keine Direktbeförderung zum fünften deutschen Grand-Prix-Piloten - das Talent soll über eine der Nachwuchsformeln an die große Aufgabe herangeführt werden. "Es muss unser Ziel sein, dass wir die nächste Generation an Formel-1-Fahrern ausbilden", sagt Wolff.

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Luca di Montezemolo

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Quelle: AFP

Die feierlichen Anlässe im Leben des Markgrafen wollen gar kein Ende nehmen. Erst feierte der Ferrari-Präsident seinen 67. Geburtstag, dann kam der Automobil-Feiertag mit dem Großen Preis von Monza. Von dem die italienischen Medien spekulieren, dass es der letzte im Amt für den erfolgreichen Rennleiter der Siebziger sein könnte. Der große Charismatiker, der wie kein anderer die Faust den heranbrausenden Rennwagen entgegen reckt und sich einen Moment später galant wie ein Modezar durchs immer noch lang getragene Haar fahren kann, inszenierte seine Botschaft an die Ferraristi von einer Wendeltreppe herab: "Ich habe den Sturm der letzten Tage gesehen. Aber ich bin hier, um zu arbeiten." Beim Mutterkonzern Fiat beklagen sie nicht die wirtschaftlichen, wohl aber die sportlichen Ergebnisse: Ausfall Fernando Alonso, Platz neun Kimi Räikkönen.

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Felipe Massa

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Quelle: AP

Dritter in Monza, das fühlt sich für den Brasilianer wie ein Sieg an. Zumindest einer über alle Zweifler, die den Fast-Weltmeister von 2008 für einen ewigen Verlierer hielten. Das von Ferrari enttäuschte Publikum adoptierte ihn mit Begeisterungsstürmen. Und der 33-Jährige, acht Jahre bei Ferrari Wasserträger, blieb selbst keine Emotionen schuldig: "Ich bin kein Roter mehr, aber ich bin immer bei euch", rief er vom Podest, "es ist großartig, ein solches Auto zur Verfügung zu haben." Sein Rennsonntag hatte schon gut angefangen, mit einer Vertragsverlängerung bei Williams. Und am Ende des Tages trug sein Ergebnis, knapp vor Teamkollege Valtteri Bottas, mit dazu bei, dass der britische Rennstall Ferrari vom dritten Platz in der Konstrukteurs-WM verdrängen konnte.

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Daniel Ricciado

F1 Grand Prix of Italy

Quelle: Getty Images

Es gab dann doch noch Ersatz für das ausgefallene Mercedes-Duell in der tückischen ersten Schikane von Monza. Nicht minder hart ausgefahren, als es Rosberg und Hamilton hätten tun können. Sechs Runden vor Schluss schossen die Red-Bull-Kollegen Sebastian Vettel und Daniel Ricciardo Rad an Rad in die Prima Variante, kurvenausgangs schnappte sich der Australier dann mit den frischeren Reifen knallhart den Noch-Weltmeister. Es ging nicht um den Sieg, dafür um Platz fünf - und die Vorherrschaft im Team. Der 25-Jährige liegt als WM-Dritter 72 Punkte hinter Spitzenreiter Rosberg, aber 60 vor Vettel - und fordert frech für den Rest der Saison Stallorder zu seinen Gunsten ein. Der Tempo-Rekord von Monza geht auch an ihn: 362,1 km/h!

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Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Italy

Quelle: Getty Images

Immer dann, wenn es besonders schwierig für ihn ist in der Formel 1, braucht Lewis Hamilton emotionalen Treibstoff. Freundin Nicole Scherzinger und seine beiden Bulldoggen haben den Part in den Tagen vor der Neuauflage der Inteamfeindschaft mit Nico Rosberg übernommen. In Monza aber waren sein Vater (li.) und seine Stiefmutter (re.) an seiner Seite, durften mit aufs Siegerbild. "Sie kommen nicht zu vielen Rennen, aber vielleicht sollte ich sie jetzt jedes Mal mitnehmen", sagt der Mann mit dem metallicroten Privatjet. Allein im Cockpit trieb ihn der Frust nach der durch einen Kupplungsfehler verlorenen Pole-Position nach vorn, und sicher auch noch die Wut über Spa. Trotz 22 Punkten Rückstands auf Nico Rosberg ist dieses Titelrennen immer noch weit offen. Denn was am besten funktioniert, ist Hamiltons eigener Motivationshybrid.

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Sotschi

Formel 1 - Rennstrecke Sotschi

Quelle: dpa

Fünf Wochen noch, dann soll der erste Große Preis von Russland ausgetragen werden - Protz, Prestige und PS für Putin in der Olympiastadt Sotschi. Vielen aus der Formel 1 ist nicht wohl bei diesem Geschäft, aber offiziell wird das verleugnet. Wie schon beim umstrittenen Grand Prix in Bahrain versucht der Motorsport, die weltpolitische Lage zu ignorieren. Man verlasse sich da ganz auf den Automobilverband und Promoter Bernie Ecclestone, ist die Standard-Ausflucht, der sich auch alle großen Autokonzerne gern anschließen. Weltmeister Sebastian Vettel, der kürzlich ein paar Demo-Runden auf der vom deutschen Architekten Hermann Tilke gebauten Piste fuhr, verspricht sogar: "Das Rennen wird Spaß machen." Einzig Ari Vatanen, der ehemalige Rallye-Weltmeister und heutige Fia-Funktionär, fordert offiziell eine Absage: "Das russische Regime vermischt bereits Politik und Sport auf eine krasse Art, weshalb wir reagieren müssen."

© SZ.de/ska/rus
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