Zehn Zylinder in der Formel 1:Da brodelt doch was!

Die Formel 1 ist in Aufruhr: Sebastian Vettel denkt nicht ans Gewinnen, sondern nur ans Wohlfühlen. Norbert Haug stichelt gegen Red Bull, Mark Webber ist der einzige erwachsene Fahrer - und plötzlich sorgen auch noch zwei Frauen für Aufregung. Eine Zusammenfassung des Wochenendes in der Formel-1-Kolumne Zehn Zylinder.

Elmar Brümmer, Shanghai

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Nico Rosberg

China Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Die Formel 1 ist in Aufruhr: Sebastian Vettel denkt nicht ans Gewinnen, sondern nur ans Wohlfühlen. Norbert Haug stichelt gegen Red Bull, Mark Webber ist der einzige erwachsene Fahrer - und plötzlich sorgen auch noch zwei Frauen für Aufregung. Eine Zusammenfassung des Wochenendes in der Formel-1-Kolumne Zehn Zylinder.

Nico Rosberg: Vorgekommen sind ihm diese 56 Runden "wie das 24 Stunden-Rennen von Le Mans". Aber genug bekommen konnte der Mercedes-Pilot trotzdem nicht davon. 111 Anläufe, endlich ist das böse Etikett "ewig" vor seiner Berufsbezeichnung als Talent weg. Nico Rosberg hat sich in seinem siebten Formel-1-Jahr endlich emanzipiert. Erste Pole-Position, erster Sieg. Aus dem Reifenfresser ist ein Reifenflüsterer geworden - wer nach Belieben 25 Sekunden Vorsprung herausfahren kann, der muss alles unter Kontrolle haben. Die Hymnen quittiert er so, wie es seine Art ist: Ziemlich cool. Nur die große Party wird verschoben: Aus Shanghai geht's gleich weiter zum nächsten Rennen. Aber warten, das kennt er ja, irgendwie.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Norbert Haug

Formel 1: Grosser Preis von China 2012

Quelle: dapd

Norbert Haug: 111 Jahre nach dem ersten Sieg eines Mercedes in einem Autorennen, 57 Jahre nach dem letzten als reines Werksteam in der Formel 1 wird der Stuttgarter Motorsportchef aufs Podium gebeten. Und dann findet er auf Anhieb nicht gleich das richtige Türchen. "So oft sind wir da ja nicht", entschuldigt sich Haug mit einem Grinsen. Und umklammert fest den hässlichen Pokal, von dem eine Replika in sein Büro geschickt werden wird. Der Druck von außen hat nachgelassen, zweieinviertel Jahre hat das Dream-Team auf diesen Moment gewartet. Der Druck von innen beginnt erst: "Genugtuung kenne ich nicht, nur einen Plan." Und dann rechnet er, kurz bevor er ins Flugzeug nach Hause steigen muss, doch noch vor, dass Red Bull fünf Jahre bis zum ersten Sieg gebraucht habe. Das kommt aus der Seele.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Mark Webber

China Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Mark Webber: War nun drei Mal in der Qualifikation vor Sebastian Vettel, zum zweiten Mal im Rennen und auch in der noch frischen WM-Tabelle. Die vielleicht doch nicht letzte Red-Bull-Saison des Australiers lässt sich so an, wie er es sich seit drei Jahren schon wünscht. Der RB 8 kommt seinem Fahrstil mehr entgegen, zum Schluss kann er mit etwas mehr Gummi noch am ewigen Heppenheimer vorbei auf Platz vier ziehen. Das tut gut nach all den Demütigungen. Webber fährt um die Wertschätzung. Die der Journalisten hat er schon, schließlich war der 35-Jährige erneut einer der ganz wenigen, der sich zum Problem-Grand-Prix in Bahrain äußern wollte. Er gesteht, dass man ihm keine Wahl lasse, und dass er zumindest privat eine (andere) Meinung habe. Tut ganz gut, es manchmal mit erwachsenen Rennfahrern zu tun zu haben.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Jean Todt

F1 Grand Prix of China - Qualifying

Quelle: Getty Images

Jean Todt: Interviews mag der Präsident des Automobil-Weltverbandes gerade keine geben. Er wolle nicht missverstanden werden, entschuldigt ein Sprecher. Der Sarkozy des Motorsports ist erzürnt, seit er in seinem Pariser Hauptquartier die Berichterstattung über das umstrittene Rennen kommende Woche in Bahrain verfolgt hat. Die Londoner Times hat die Beteiligung des arabischen Königshauses am GP2-Team seines Sohnes ebenso in Zusammenhang mit der sturen FIA-Meinung gesetzt wie den Stimmenfang für die Wahl des ehemaligen Ferrari-Machthabers. Bei RTL bittet Todt dann ausdrücklich darum, Politik und Sport auseinander zu halten. Als ob es so etwas jemals gegeben hätte. Die Formel 1 wird kommende Woche zum Propaganda-Vehikel, weil der Mut offenbar auf die Rennstrecke beschränkt bleibt.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Sebastian Vettel

Formel 1: Grosser Preis von China 2012

Quelle: dapd

Sebastian Vettel: Ans Siegen will er - ausnahmsweise - erst mal nicht denken. Wohlfühlen, das wär schon was. Doch dieser RB 8, an dem selbst Konstrukteur Adrian Newey leichte Zweifel zu haben scheint, will einfach nicht richtig in Balance kommen. Elfter in der Qualifikation, und das nach einer Runde ohne Fehler. "Ich habe das Autofahren eigentlich nicht verlernt", sagt der Champion trotzig. Für Sebastian Vettel beginnt im erhofften Hattrick-Jahr eine neue Phase der Karriere, er muss sich in einem nicht mehr überlegenen Rennwagen profilieren. Nach dem verschlafenen Start hat er sich nach großem Kampf zwischenzeitlich auf den zweiten Rang nach vorn gekämpft. Am Ende wird er im Rahmen der Schadensbegrenzung Fünfter. Aber er muss jede Gerade fürchten: "Wir haben einfach zu wenig Dampf." Doch da brodelt was.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Monisha Kaltenborn

Chinese F1 Grand Prix - Practice

Quelle: Getty Images

Monisha Kaltenborn: Als juristische Beraterin ist sie zum Sauber-Rennstall gekommen, und weil sie sich von Bernie Ecclestone nicht gleich hat unterbuttern lassen, durfte die Österreicherin mit den indischen Eltern im Schweizer Team bleiben. Beim Großen Preis von China hat sie schon mal die neue Rolle geübt. Die Geschäftsführerin soll Ende des Jahres, spätestens in der neuen Saison alleinige Teamchefin werden, denn Prinzipal Peter Sauber will mit 70 nicht mehr an der Boxenmauer stehen. Die Nachfolgerin ist 30 Jahre jünger, und sie hat den rührigen Privat-Rennstall nach der Trennung von BMW auf Vordermann gebracht. Auch wenn in Shanghai nur ein Ehrenpunkt durch Kamui Kobayashi drin war, sind die Schweizer die positivste Überraschung unter allen Rennställen. Die weibliche Intuition tut offenbar gut.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Felipe Massa

China Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Felipe Massa: Jetzt hat er wirklich alles versucht, sogar die ganze Familie mit nach China gebracht. Und es ist trotzdem wieder zum Verzweifeln. Fernando Alonso wird mit einem nahezu unfahrbaren Ferrari, einem ohne Speed und ohne Traktion, am Ende immerhin noch Neunter. Und der Adjudant Felipe Massa? Er wird bei einem Nicht-Angriffs-Manöver vorgeführt und landet außerhalb der Punkteränge auf dem 13. Platz. Die mentale Krise beim Brasilianer geht weiter, er scheint dem Ende seiner Tage in Maranello entgegen zu schleichen. Unsicher schaut er auf Sergio Perez aus dem Sauber-Team, der Mexikaner ist zwar auch nur Elfter geworden, aber er weiß sich geschickter in Szene zu setzen, strahlt mit 22 jene Selbstsicherheit aus, die Massa nur in der Saison 2008 gehabt hat - bis ihm auf den letzten Metern der Titel weggeschnappt wurde.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Bernie Ecclestone

China Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Bernie Ecclestone: Der dreht gerade mal wieder am ganz großen Rad. Die Formel 1 soll schon im Sommer an die Börse, die 20 Prozent Anteile, die die Vermarktungsgesellschaft CVC los werden will, sind allein in den USA schon dreifach überzeichnet. Die Geschäfte laufen gut, und die meisten Rennställe brauchen dringend zusätzliches Geld. In der vermeintlichen Gönner-Rolle fühlt sich der Brite wohl. Darüber hat er mit ihnen in China verhandelt, nicht über einen Startverzicht in Bahrain. Die moralische Frage ist für den Zampano ganz einfach zu beantworten: "Ich habe einen gültigen Vertrag." So lange der von den Bahrainis nicht aufgehoben werde, habe er keine Handhabe. Damit ist einmal mehr bewiesen: Ecclestone, die Unschuld in Person.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Susie Wolff

Susie Wolff

Quelle: dpa

Susie Wolff: Plötzlich tummeln sich Frauen in der Formel 1, und das hat nichts mit den - ohnehin meist erfundenen - Boxenludern zu tun. Stolz hat der Williams-Rennstall, einst eines der großen Teams in diesem Geschäft, verkündet, künftig eine Entwicklungsfahrerin namens Susie Wolff zu beschäftigen. Das wäre die zweite PS-Amazone, nachdem schon Hinterbänkler Hispania als rollenden PR-Gag die bislang kaum in Erscheinung getretene Spanierin Maria de Villota als Testpilotin verpflichtet hat. Miss Wolff, 29, ist da ernster zu nehmen. Unter ihrem Mädchennamen Stoddart hat sie es immerhin zur Mercedes-Werksfahrerin in die DTM gebracht. Die Empfehlung für die Königsklasse ist eine andere: Die Schottin ist mit Williams-Teilhaber Toto Wolff verheiratet.

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Zehn Zylinder in der Formel 1:Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of China - Race

Quelle: Getty Images

Lewis Hamilton: Dreimal Dritter, das ist für einen wie Lew, den Löwen nicht gerade das, was er sich unter einem gelungenen Saisonstart vorstellt. Bemerkenswert ist daher vor allem, dass sich der McLaren-Pilot damit nicht nur zufrieden gibt, sondern das Mitläufertum auf dem Podium zur Strategie erklärt: "In dieser Saison kommt es für mich vor allem auf Konstanz an." Den Beweis für die schnelle Bescheidenheit kann er an der WM-Tabelle ablesen: Die drei dritten Plätze haben ihn dort an die Spitze gebracht, knapp vor seinen direkten Gegenspieler Jenson Button. Von sieben auf drei in solch einem Rennen, das habe den Spaßfaktor erhöht: "Ich habe alles aus dem Auto herausgeholt. Das ist eine Meisterschaft ganz nach meinem Geschmack."

© SZ.de/jüsc/wib
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