Zehn Zylinder der Formel 1:Den Tränen so nahe wie dem Sieg

Lewis Hamilton wird von seinem eigenen Team um den Erfolg gebracht, die Lotus-Rennwagen fahren mit einer provokanten Aufschrift durch die Straßen Monte Carlos. Und das virtuelle Safety-Car überrascht alle. Die Zehn Zylinder der Formel 1.

Von Elmar Brümmer, Monte Carlo

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Max Verstappen

Marshalls remove the car of Toro Rosso driver Verstappen of Netherland after he crashed during the Monaco Grand Prix in Monaco

Quelle: REUTERS

Ein Auto darf er in Monte Carlo mit 17 noch nicht mieten, Formel 1 fahren schon. Als einziger Pilot im Feld, der noch nie auf dem Hafenkurs gefahren ist, sorgte der Niederländer beim ersten Training für eine Sensation, wurde als Zweiter hinter Lewis Hamilton notiert. Man erwarte noch viel, lobte Toro-Rosso-Ausbildungschef Franz Tost. Verstappen wurde dann der Mann, der das Rennen auf den Kopf stellte - im Kampf um einen WM-Punkt verbremste er sich, krachte erst in einen Lotus und dann in die Barrieren. Das Safety-Car rückte aus, und bei Mercedes passierte die Strategiepanne, über die später alle heftig diskutierten. Beim Ärger über die verpasste Chance und den eigenen Fehler bleibt es nicht - in Montreal wird "Sad Max" um fünf Startpositionen zurückversetzt. Strafe muss sein.

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Virtuelles Safety Car

Formula One Grand Prix of Monaco

Quelle: dpa

Der Crash von Max Verstappen war auch die Premiere für eine neue Sicherheitsmaßnahme in der Formel 1 - das virtuelle Safety Car. Das ist eine Neutralisierung des Rennens, ohne dass der AMG Mercedes von Bernd Mayländer auf die Strecke gehen muss. Auf den Displays der Fahrer leuchten Warnungen auf, die Fahrer müssen alle das gleiche, reduzierte Tempo fahren. Eine Maßnahme, die nach Jules Bianchis Unfall in Japan eingeführt wurde und die Streckenposten schützen soll. Wäre es beim virtuellen Safety Car geblieben, hätte das Hamiltons Position an der Spitze gefestigt und die seltsame Mercedes-Taktik verhindert. Doch aus dem Auto von Verstappen wurden beim Aufprall derart starke Kräfte an die Box gemeldet, dass automatisch ein Alarm im Arztauto ausgelöst wurde. Und wenn das rausfährt, geht auch das herkömmliche Safety Car auf die Piste. Die Rechnung der Mercedes-Strategen hatte sich aber nur auf die virtuelle Situation bezogen. So verlor Hamilton seinen sicher geglaubten Sieg an Teamkollege und Rivale Nico Rosberg.

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Mercedes

F1 Grand Prix of Monaco - Practice

Quelle: Getty Images

Mit Algorithmen braucht man Niki Lauda, im Zweitberuf auch Aufsichtsrat des Mercedes-Werksteams, nicht kommen. Der Österreicher hat die Strategen des Rennstalls ohnehin auf dem Kieker. Da werde zu viel und zu lange diskutiert, vor und zurück, und dann passiere so ein Fehler. Er habe ja immer gewarnt, sagte er - und marschierte dann in das Boxenkabuff zur Krisensitzung. Schnell wurde erklärt, dass Chefdenker James Vowles seinen Job behalten dürfe. Der Brite hatte den Rechenfehler nachträglich erkannt und auch zugegeben. Lauda will keine drakonischen Strafen, in der zunehmend durch Taktik bestimmten Formel 1, geht es ihm um die Zukunft. Er will eine klarere Entscheidungs-Hierarchie, mit Technikchef Paddy Lowe an der Spitze. Denn: "Zu viele Köche verderben den Brei."

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Nico Rosberg

Formula One Grand Prix of Monaco

Quelle: dpa

Auf einer Stufe mit Ayrton Senna, Graham Hill und Alain Prost - Nico Rosberg hat mit seinem Hattrick in Monaco Formel-1-Geschichte geschrieben. Die Bittersüße seines zehnten Grand-Prix-Erfolges, der ihn wieder auf zehn Punkte an WM-Spitzenreiter Hamilton heranbringt, ist ihm bewusst: "Ich kann mir vorstellen, wie schrecklich er sich jetzt fühlen muss. Er hatte den Sieg definitiv verdient nach diesem brillanten Wochenende. Für das ganze Team ist es merkwürdig." Doch Rosberg kennt das Gesetz der Straße: "Man muss die Siege nehmen, wie sie kommen. Das war mit Sicherheit die glücklichste Erfahrung dieser Art in meiner bisherigen Karriere." Er selbst hatte "nicht gleich kapiert, was los war", als er sich plötzlich als Erster hinter dem Safety Car befand. Aber in zehn Jahren werde er wohl zurückblicken und sich sagen: "Ziemlich cool!"

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Lewis Hamilton

-

Quelle: AP

Er versuchte erst gar nicht, auszudrücken, was er fühlte. Beim offiziellen Interview mit den ersten Drei war er den Tränen nahe. So nahe, wie er auch dem Sieg in Monte Carlo war. Schuldzuweisungen aus der Enttäuschung heraus zu machen, dazu ist Lewis Hamilton inzwischen auch zu clever. Was passiert war? "Es ging so schnell, dass ich mich nicht erinnere. Man vertraut auf das Team." Aber direkt nach dem überhasteten Boxenstopp spürte er das Unheil hereinprasseln: "Leute, habe ich das Rennen jetzt verloren?" Hatte er. Und Mercedes-Teamchef Toto Wolff war sofort bei ihm, um sich zu entschuldigen. Aber der Schmerz sitzt tief: "Das war das Rennen, was mir seit Jahren am meisten am Herzen gelegen ist. Und dann läuft alles so großartig, ich habe nicht mal übermäßig Gas geben müssen..."

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Das Einheitsauto

Bernie Ecclestone

Quelle: AP

Ausgerechnet in der Glitzerformel soll künftig ein Herz für Zweitwagen schlagen. Weil es keinen besseren, beziehungsweise durchsetzbaren Plan für die finanzielle Gesundung der zweiten Hälfte des Starterfeldes gibt. Bernie Ecclestone, zu dessen früheren Tätigkeiten tatsächlich der Gebrauchtwagenhandel gehört, hat unter dem Piratenfelsen von Monaco einen Leasingplan für die nahe Zukunft ausgeheckt. Die drei großen Teams mit Automobilhersteller-Background (Ferrari, Mercedes und McLaren-Honda) sollen mehr Autos bauen, und diese gegen eine Rate von 30 bis 50 Millionen Euro an die Kleinen geben. Die sparen sich damit enorme Entwicklungskosten, geben dafür aber auch ihre Ehre als Konstrukteure auf.

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Christian Horner

F1 Grand Prix of Monaco

Quelle: Getty Images

Es läuft schon ein Weilchen nicht mehr richtig rund bei Red Bull Racing, und dementsprechend ist auch die Laune des Teamchefs. Nach seiner Hochzeit mit dem ehemaligen Spice Girl Geri Halliwell hat er für den Großen Preis von Monaco seine Flitterwochen geopfert. Von der neuen Zweisamkeit zum alten Einzelgängertum. Horner kokettiert gern damit, dass er einer der Egoisten in der Strategiekommission der Formel 1 ist, die seit zwei Jahren nahezu ergebnislos tagt: "Jeder kämpft in seiner Ecke." Und der 41-Jährige selbst kämpft offenbar gegen jeden. Gegen die Werksteams, die Mitbestimmung der Fahrergewerkschaft, gegen Motorenlieferant Renault und freche Journalisten. Wenigstens betrachtete er die Plätze vier und fünf seiner Piloten Daniil Kvyat und Daniel Ricciardo als verspätetes Hochzeitsgeschenk.

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Jules Bianchi

(FILE) Jules Bianchi Undergoes Surgery After Suffering Severe Head Injury In Japanese Grand Prix

Quelle: Getty Images

Ein Jahr ist es her, dass der Franzose in Monaco sensationell die ersten beiden Punkte für das Manor-Marussia-Team geholt hat, mehr als ein halbes Jahr, dass der 25-Jährige beim Großen Preis von Japan schwerste Kopfverletzungen erlitt. Seither liegt der Rennfahrer im Koma, inzwischen wurde er von Asien nach Frankreich geflogen. Vater Philippe Bianchi will die Hoffnung nicht aufgeben, aber gesteht eine "Phase der Stagnation" ein: "Die neurologische Entwicklung ist natürlich nicht so, wie sich das eine Familie wünschen würde." Die Formel-1-Gemeinde kann wenig Trost spenden, beweist aber Mitgefühl durch Armbänder oder die Aufkleber #ForzaJules. Teamchef John Booth, der in Nizza am Bett des Koma-Patienten war, ist tief bewegt: "Alle in unserer Mannschaft wissen, dass wir ohne die Punkte, die Jules hier gewonnen hat, sicher nicht mehr in der Formel 1 dabei wären." (Archivbild)

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Pharrell Williams

Pharrell Williams

Quelle: AP

Tabakwerbung verboten, Alkoholwerbung auch schon längst - und dann fahren die Lotus-Rennwagen mit der Aufschrift "Dope" durch das saubere Monte Carlo. Das liegt daran, dass das luxemburgische Team einen neuen Marketing-Partner hat - den US-Musiker Pharrell Williams. Der wirbt auf den schwarz-goldenen Autos mit dem Titel seines neuen Films. Die "kreative Kraft" des 42-Jährigen (hier bei den Filmfestspielen in Cannes) soll den finanziell und sportlich kränkelnden Rennstall, der seine Statements meist mit Songtiteln überschreibt, nach vorn treiben - zumindest PR-technisch. Der Auftakt beim Glamour-Grand-Prix ging daneben - Roland Grosjean wurde Zwölfter, Pastor Maldonado schied aus. So bleibt Williams, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen britischen Formel-1-Team, derzeit der einzige, der "Happy" singen kann.

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Jenson Button

F1 Grand Prix of Monaco

Quelle: Getty Images

Achte Plätze, das gibt bei einem so erfolgsverwöhnten Team wie dem McLaren-Rennstall sonst eher eine Abmahnung. Doch seit die Briten wieder gemeinsame Sache mit Honda machen und einen zweijährigen Entwicklungsrückstand aufholen müssen, wurden die Punkte, die Jenson Button in Monte Carlo einfahren konnte, gefeiert. Denn es sind die ersten der Verbindung, und man hatte angesichts der Kinderkrankheiten des Antriebstrangs schon befürchtet, dass es 2015 vielleicht überhaupt nichts Zählbares gibt. "Wir werden nicht stolz sein", sagte Button, der von Rang zehn aus gestartet war, "aber es ist ein guter Tag für uns. Denn wir haben das Maximum für uns rausgeholt." Was man vom leidgeprüften Kollegen Fernando Alonso nicht sagen konnte. Beim Spanier, der sich direkt hinter Button befand, spielte das Getriebe verrückt, vor der ersten Kurve sprang der Gang in den Leerlauf - das Aus nach 42 Runden.

© Süddeutsche.de/mane
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