Zehn Zylinder der Formel 1:Bulldogge Hamilton fletscht die Zähne

Lewis Hamilton taktiert teamintern ähnlich talentiert wie hinter dem Lenkrad. Daniel Ricciardo fährt wie er denkt. Und Sebastian Vettel kommt sich vor, als würde er mit einem Holzknüppel gegen Scharfschützen kämpfen. Die Highlights des Rennwochenendes.

Von Elmar Brümmer, Spa-Francorchamps

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Zehn Zylinder der Formel 1:Daniel Ricciardo

F1 Grand Prix of Belgium

Quelle: Getty Images

Lewis Hamilton taktiert teamintern ähnlich talentiert wie hinter dem Lenkrad. Daniel Ricciardo fährt wie er denkt. Und Sebastian Vettel kommt sich vor, als würde er mit einem Holzknüppel gegen Scharfschützen kämpfen. Die Highlights des Rennwochenendes.

Daniel Ricciardo: Das Bild vom lachenden Dritten. Es gibt wohl niemanden in der Formel 1, auf den es je besser passte als auf diese australische Entdeckung. Zum zweiten Mal hintereinander ist der neue WM-Dritte Nutznießer der internen Streitigkeiten im Hause Mercedes. Sein Dauergrinsen schien diesmal noch ein bisschen breiter zu sein. Nicht nur, weil er weiterhin der einzige Fahrer bleibt, der Mercedes vom Siegen abhalten kann, oder weil er seinen Red-Bull-Nebensitzer Sebastian Vettel langsam in die Sinnkrise treibt: "Wenn alle sagen, dass Du keine Chance hast, dann musst Du Dich eben selbst überraschen", sagte Ricciardo. Das klingt unbeschwert, aber genauso denkt, lebt und fährt der 25-Jährige: "Unter schwierigen Umständen zu gewinnen, ist doch besonders schön." Natürlich fällt kein Wort darüber, dass der prominente Teamkollege davon momentan weit entfernt schein. Das nennt man dann: stiller Triumph.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Nico Rosberg

F1 Grand Prix of Belgium

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Nico Rosberg: Dem Teamkollegen (und härtesten WM-Kontrahenten) den Reifen aufgeschlitzt, zum dritten Mal aus vier Pole-Positionen keinen Sieg gemacht, aber die Gesamtführung auf stattliche 29 Punkte ausgebaut - Nico Rosbergs Gefühlslage entspricht in etwa der Topographie der belgischen Rennstrecke: einer Berg- und Talbahn. Sein Versuch, sich unter Verweis auf die Untätigkeit der Rennkommissare als Unschuldslamm zu inszenieren, scheiterte schon bei der Siegerehrung: Dort wurde er mit Buhrufen empfangen, selbst Moderator Eddie Jordan hatte Mitleid. Der von dem 29-Jährigen verursachte Big Bang wird die heile Mercedes-Welt noch ein Weilchen erschüttern. Eine Wahl hatte er in Les Combes nicht - er musste sich einmal gegen Hamilton, der zuvor schon mehrere Absprachen gebrochen hatte, wehren. Es war nur eben zu früh und zu ungelenk. Oder, wie es sein Vorgesetzter Toto Wolff sagt: "Ein No, No, No."

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Zehn Zylinder der Formel 1:Lewis Hamilton

F1 Grand Prix of Belgium

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Lewis Hamilton: Niemand sei so loyal wie seine beide Bulldoggen, glaubt Lewis Hamilton, und postete das in scheinbar weiser Vorahnung vor dem Großen Preis von Belgien. Deshalb kann ihn das Verhalten von Nico Rosberg in der zweiten Runde kaum überrascht haben, die beiden vertrauen sich schon länger nicht mehr. Der Brite weiß, dass ihn dieser Rückschlag den Titel kosten kann. Aber es ist zu früh um das Opferlamm zu spielen. Der 29-Jährige ist in Sachen Teampolitik mindestens so talentiert wie hinter dem Lenkrad. Er wird die öffentliche Empörung für sich nutzen, wie er es einst bei McLaren im Zwist mit Fernando Alonso getan hat. Schon behauptet er, Rosberg habe in der ersten Aussprache quasi zugegeben, den Crash mit Absicht verursacht zu haben. Um im tierischen Bild zu bleiben: Jetzt werden die Zähne gefletscht.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Sebastian Vettel

F1 Grand Prix of Belgium

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Sebastian Vettel: Fast Erster in der ersten Kurve, am Ende Fünfter nach spektakulären Mittelfeldduellen - der Noch-Weltmeister der Formel 1 kann sich an solche Episoden seines neuen Alltags im Verfolgerfeld nur schlecht gewöhnen. Bald droht ihm die erste Rückversetzung am Start, denn am Freitag in Spa musste das erlaubte fünfte neue Aggregat gleich wieder ausgebaut werden. Für den Heppenheimer ist der Renault-Motor an sich schon eine Strafe. Der Sieg von Daniel Ricciardo tat ein Übriges: "Mein Auto war unberechenbar, und mein Abstand war zu groß. Ich kann mir das nicht erklären." Hinter der unschuldig klingenden Analyse verbirgt sich das Feuer, das unter dem Dach von Red Bull schwelt. Davon kündet jedenfalls seine drastische Bilanz: "Man schickt mich an eine Front, wo scharf geschossen wird. Ich komme mir vor, als stünde ich dort mit einem Holzknüppel."

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Zehn Zylinder der Formel 1:Eau Rouge

F1 Grand Prix of Belgium

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Eau Rouge: Die berühmteste Kurve der Formel 1 ist wieder da. Die Links-Rechts-Kombination, in der es mit Tempo 300 eine 18-prozentige Steigung hoch geht, aus dem Cockpit sieht man nur den Himmel - die ultimative Mutprobe. Bis die Achtzylinder-Autos kamen, die dem Knick den Zauber nahmen. Jetzt, mit der Hybrid-Zusatzpower und dem fehlenden Anpressdruck, kostet Eau Rouge wieder Überwindung. Jenen Moment, in dem das Gehirn den entscheidenden Impuls sendet, den Gasfuß doch ein ganz klein wenig zu lupfen. "Die Kräfte, die hier wirken, sind absolut unvorstellbar", gesteht Nico Rosberg, "es ist hart an der Grenze. Aber genau so muss Formel-1-Fahren sein." Für Sebastian Vettel ist es mehr eine "Schlitterpartie". Verzichten aber will keiner mehr auf dieses Kribbeln im Bauch.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Kimi Räikkönen

F1 Grand Prix of Belgium - Qualifying

Quelle: Getty Images

Kimi Räikkönen: Zum ersten Mal in dieser Saison war Kimi Räikkönen schneller als sein Ferrari-Teamkollege Fernando Alonso. Der vierte Platz auf einer Strecke, auf der er schon vier Mal gewinnen konnte, war zugleich das beste Resultat für den Finnen seit seiner Rückkehr zu den Roten. Der neue Ferrari-Teamchef Marco Mattiacci hatte schon vor dem Rennen eine Belohnung für Räikkönen in Aussicht gestellt. Die Scuderia, die gerade technisch und personell komplett auf den Kopf gestellt wird, möchte am liebsten auch im kommenden Jahr die Dienste des 34-Jährigen in Anspruch nehmen. Ob es dazu kommt? Räikkönen hatte zuletzt eine gewisse Rennmüdigkeit an den Tag gelegt. Außerdem ist Minttu Virtanen, die Freundin des Weltmeisters von 2007, schwanger, was sie per Social Media mitteilte: "Baby an Bord."

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Zehn Zylinder der Formel 1:Bernie Ecclestone

Formula One Chief Executive Ecclestone talks to reporters before a practice session of the Belgian F1 Grand Prix in Spa-Francorchamps

Quelle: REUTERS

Bernie Ecclestone: Erster Auftritt nach der Sommerpause der Formel 1, erster Auftritt nach dem Prozess von München. Bernie Ecclestone zieht wieder aus seinem anthrazitfarbenen Wohnanhänger in Reisebus-Größe die Strippen im Fahrerlager. Erst bittet er die Journalisten zum Hintergrundgespräch, dann alle Teamchefs. Die Botschaft ist die gleiche: "Es wird keinen Unterschied zu vor dem Prozess geben." Auch die Zukunftsaussichten handelt er kurz und knapp ab: "Ich will die Formel 1 noch so lange wie möglich führen." Ein Signal auch an den Rechte-Halter CVC, der Ecclestone im Falle einer Verurteilung entmachtet hätte. Die Luxemburger Investoren sollen angeblich an einen Verkauf ihrer Mehrheitsanteile denken. In der Tat nichts Neues für Ecclestone - der Kampf um sein Lebenswerk geht weiter.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Max Verstappen

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Quelle: AP

Max Verstappen: Musterschüler oder Jugendwahn? Max Verstappen ist noch nicht mal 17, saß noch nie in einem Formel-1-Auto - spaltet aber die PS-Branche, seit bekannt wurde, dass er im kommenden Jahr für Toro Rosso fahren wird. Das ist der Talentschuppen von Red Bull, in dem schon Sebastian Vettel großgezogen wurde, der bisher jüngste Champion des Grand-Prix-Sports. Ob Verstappen es bei allem Talent packen kann, ist schwer zu sagen. Wenn ja, prognostiziert sein Vorgänger Jean-Eric Vergne, mit 24 als zu alt aussortiert: "Dann werden wohl künftig alle schon mit 16 oder 17 Jahren in die Formel 1 einsteigen." Die mangelnde Reife der Playstation-Generation birgt eine große Gefahr: Die Erwartungen, dass der Teenie ein "Super-Max" wird, sind so hoch, dass er bei der ersten Krise daran zerbrechen könnte. Er selbst sieht das nicht so: "Ich will Weltmeister werden." Was bleibt ihm auch sonst?

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Zehn Zylinder der Formel 1:Toto Wolff

Toto Wolff

Quelle: Jens Büttner/dpa

Toto Wolff: Alles eine Frage des Zusammenwachsens für den Mercedes-Motorsportchef. Das gilt für die gebrochenen Knochen vom Fahrradunfall ebenso wie für das Verhältnis der beiden rasenden WM-Kandidaten, die "Toto" Wolff zu beaufsichtigen hat. Es ist nicht leicht, den Friedensrichter in der Adrenalin-Arena zu spielen. Der Österreicher hat sich für das Handling von Nico Rosberg und Lewis Hamilton fachmännischen Rat geholt - bei Ex-Weltmeister Alain Prost, dessen "Inteam"-Feindschaft mit Ayrton Senna bis heute als legendär gilt. Wolff muss eine Spaltung des Silberpfeil-Rennstalls unbedingt vermeiden: "Das, was passiert ist, lässt uns dämlich aussehen. Das ist nicht akzeptabel. Es tut mir leid, dass wir die Politik der freien Fahrt aufgeben müssen. Wir wollen nicht am Ende der Saison als Idioten dastehen." Die 38 Minuten lange Krisensitzung in Spa wird nicht die letzte Verhandlung gewesen sein.

(Archivbild)

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Zehn Zylinder der Formel 1:André Lotterer

Belgium Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

André Lotterer: Zwischenzeitlich habe er sich wie ein "Superstar" gefühlt, sagt André Lotterer, und er sagt es mit einem Grinsen und mit Blick auf das Medieninteresse. 40 Reporter hatten den Weg zum Hinterbänkler-Team Caterham gefunden, etwa so viele wie bei den ersten elf WM-Läufen zusammen. Aber wo gibt es das schon, dass ein Rennfahrer mit 18 seine erste Formel-1-Testfahrt absolviert - und 14 Jahre später sein erstes Rennen. Der 32-Jährige aus Duisburg, der in Belgien aufwuchs und in Japan lebt, hat zwischendrin drei Mal Le Mans geworden. Und er hat bei dem aus Ingolstadt geführten britischen Rennstall ausgeholfen, um sich seinen Lebenstraum doch noch zu erfüllen. Leider ging nach anderthalb Runden der Motor aus. Trotzdem: Der Mann hat Talent. Aber worauf es ankommt, ist das Geld. Der Japaner Kamui Kobayashi bekommt sein Cockpit zurück, wenn mehr Yen fließen. Lotterer sagt, er habe sein Wochenende trotzdem genossen.

© SZ.de/leja
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