Zehn Zylinder der Formel 1:"Unter Schock, surreal, aber auch ziemlich cool"

Daniel Ricciardo freut sich ungewöhnlich über den ersten Rennsieg seiner Karriere. Sebastian Vettel schimpft über seine "Gurke". Und Felipe Massa liest im Streckenhospital dem Mann im Bett nebenan die Leviten. Die Zehn Zylinder vom Großen Preis in Kanada.

Vom Elmar Brümmer, Montreal

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Zehn Zylinder der Formel 1:Felipe Massa

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Quelle: AFP

Daniel Ricciardo freut sich ungewöhnlich über den ersten Rennsieg seiner Karriere. Sebastian Vettel schimpft über seine "Gurke". Und Felipe Massa liest im Streckenhospital dem Mann im Bett nebenan die Leviten. Die Zehn Zylinder vom Großen Preis in Kanada.

Felipe Massa: Der gereckte Daumen, der da aus dem Rollbett und unter dem Ärmel eines blauen Krankenhauskittels herauslugt, gehört Felipe Massa. Der Brasilianer, der bei Williams-Mercedes so etwas wie eine sportliche Rekonvaleszenz nach seiner Zeit als Nummer zwei bei Ferrari erlebt, hätte zum Schluss des Chaos-Grand-Prix von Montreal Sebastian Vettel noch den dritten Platz streitig machen können. Bis er auf den Force India von Sergio Perez knallte. Der Mexikaner hatte sich, so sehen es Massa und die Rennkommissare, vor der Schikane gegen die Regeln breitgemacht. Beide Rennwagen knallten in die an dieser Stelle extra gepolsterten Barrikaden, der Aufprall Massas betrug dramatische 27 G. Im Streckenhospital lagen die beiden praktischerweise nebeneinander. Da hatte der 33-Jährige jedoch den Zeigefinger erhoben: "Du musst daraus lernen", erklärte er dem neun Jahre jüngeren Gegner.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Daniel Ricciardo

Daniel Ricciardo

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Daniel Ricciardo: Typische Frage, untypische Antwort. Wie er sich denn fühle, als 105. Grand-Prix-Sieger der Formel-1-Geschichte, wollte Moderator Jean Alesi wissen. "Ich stehe unter Schock", gestand der Australier, erst seit sieben Rennen Teamkollege von Sebastian Vettel, und schon vor dem Abo-Weltmeister. Der 24-Jährige konnte sich nach seinem Coup, als er in der vorletzten Runde Nico Rosbergs Silberpfeil auf der Piste aufschnupfte, kaum beruhigen: "Es ist alles so surreal", sagte er und machte eine Pause für sein Breitwandgrinsen, "aber es ist auch ziemlich cool." Das größte Talent der neuen Rennfahrergeneration wirkt so, als sei er einem Werbekatalog des Getränkekonzerns entsprungen, aber er ist im gelegentlich völlig überdrehten Fahrerlager einer der angenehmen und klugen Zeitgenossen. Sein Teamchef Christian Horner bringt die Überraschung der Saison in einem Wort auf einen Nenner: "phänomenal."

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Zehn Zylinder der Formel 1:Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve

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Jacques Villeneuve: Er war auch mal so ein Typ wie Daniel Ricciardo, aber nach seinem frühen Weltmeistertitel 1997 ging es mit der Karriere des Kanadiers rapide abwärts. Das Leben des heute 43-Jährigen verläuft wie die Motorsport-Disziplin, der er momentan hauptsächlich frönt: Rallyecross. Auf der Rennstrecke, die nach seinem Vater Gilles benannt ist, wollte das kanadische Idol nicht fehlen. Er hat dank aufwändiger Transplantationen wieder so etwas wie eine Haarpracht, aber er spürt auch, das nur Erfolg sexy macht. Und mittlerweile gibt es eine Menge wirklich cooler Typen, Villeneuve hingegen übte sich als Gast des italienischen Fernsehens wieder nur in den üblichen Nörgeleien: "Die Formel ist auf dem Holzweg." Nein, früher war wirklich nicht alles besser. Die Popularität des Rennens nutzte er aber gern in eigener Sache - er stellte den ersten Rotwein des Weingutes vor, das er in der Toskana gekauft hat. Dieser nennt sich "La Febbre" - das Fieber.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Grand Prix du Canada

Canada Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Grand Prix du Canada: Montreal besitzt einen morbiden Charme, vor allem aber eine überschwängliche Begeisterung für sein Formel-1-Rennen, das per U-Bahn-Tunnel unter dem Sankt-Lorenz-Strom bequem zu erreichen ist. Die Rennfahrer wiederum lieben die Lebensfreude in der Stadt, und die spektakuläre Piste auf der Ile de Notre-Dame, zum 35. Mal war die Königsklasse an Pfingsten zu Gast in Quebec. Das Geschäft auf Gegenseitigkeit bleibt bestehen. Der Vertrag für den kanadischen Grand Prix wurde gleich um zehn Jahre verlängert. Das hat seinen Grund: Vermarkter Bernie Ecclestone, der seinen Besuch diesmal mit der bereits im Münchner Prozess zu besichtigenden Erkältung absagte, fordert erhebliche Investitionen in die Bauten entlang der ehemaligen olympischen Ruderstrecke.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Danica Patrick

Pocono 400 - Practice

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Danica Patrick: Mehr als die Hälfte der aktuellen elf Formel-1-Rennställe kämpft ums finanzielle Leben, weshalb die Nachricht, dass der Automobilweltverband Fia ein neues Team zugelassen hat, eine eher freudige ist. Den Zuschlag bekam der im US-Rennsport bereits erfahrene und erfolgreiche Unternehmer Gene Haas. Der beauftragte den ehemaligen Red-Bull-Geburtshelfer Günther Steiner mit dem Aufbau der Truppe. Dessen erste Analyse sorgt jetzt für eine Verzögerung: Haas Racing wird erst in der Saison 2016 an den Start gehen. Dann aber vielleicht mit einem Superstar des nordamerikanischen Sport-Show-Geschäfts: Die 32 Jahre alte Danica Patrick, die momentan für Haas in der Nascar-Serie fährt, hatte als erste Frau einen Indycar-Lauf gewonnen - das ist das nordamerikanische Pendant zur Formel 1. "Sie ist eine gute Kandidatin", ahnt Haas. Und Titelseiten-erprobt - unter anderem auf dem Cover der Swimsuit-Ausgabe von Sports Illustrated.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Adrian Newey

Adrian Newey

Quelle: dpa

Adrian Newey: Die schlechte Laune von Sebastian Vettel trotz Platz drei hat nicht allein seine Ursache im kraftlosen Renault-Triebwerk. Kurz vor dem Großen Preis von Kanada versuchte Red Bull aus einer schlechten Nachricht eine gute zu machen. Man gab die Verlängerung von Designguru Adrian Newey, dem geistigen Vater der Siegerautos, bekannt. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit. Denn der Brite, genervt von den immer größeren Einschränkungen der Aerodynamik in der Formel 1, wird sich aus dem Tagesgeschäft weitgehend zurückziehen, eher als Mentor tätig sein. Dafür baut ihm Red Bull eine - noch genauer zu definierende - technische Spielwiese. Vielleicht darf er sogar seinen Traum, eine America's Yacht zu bauen, verwirklichen. Hauptsache, dass er nicht das Angebot von Ferrari angenommen hat.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Nico Rosberg

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Quelle: AFP

Nico Rosberg: Irgendwann, gestand der einzige ins Ziel gekommene Mercedes-Werksfahrer, habe er nicht mehr gewusst, an welcher Stelle im Rennen er lag. So viel war passiert, so viel schief gegangen. Was lange nach einem erneut klaren Doppelerfolg für die Paarung Rosberg/Hamilton aussah, wurde nach dem Ausfall einer Kontrollbox im Silberpfeil zur Zitterpartie. Der Defekt, der 160 Zusatz-PS und die elektronische Bremse kostete, war bei den Autos der beiden Inteamfeinde parallel aufgetreten, was nicht nur der Wiesbadener als "ziemlich verrückt" empfand. Doch im Gegensatz zum Briten, der nach 47 Runden sein Auto abstellen musste, kam Rosberg durch, wurde erst in der vorletzten Runde abgefangen, und baute seine WM-Führung gegenüber Hamilton auf 140:118 Punkte aus. Wie er das gemacht hat? "Ganz einfach, ich habe wie wild alle Knöpfe im Cockpit gedrückt."

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Zehn Zylinder der Formel 1:Sebastian Vettel

Red Bull Formula One driver Vettel of Germany drives during the Canadian F1 Grand Prix at the Circuit Gilles Villeneuve in Montreal

Quelle: REUTERS

Sebastian Vettel: Platz drei in der Startaufstellung, Platz drei im Rennen - die Welt erwartete einen glücklichen Weltmeister Sebastian Vettel. Und bekam einen zu sehen und zu hören, der nach eigenen Angaben ziemlich "angefressen" war. Er hing nämlich das halbe Rennen hinter Nico Hülkenberg fest, was ihn am Ende ein besseres Resultat kostete. Zweigeteilte Manöverkritik, eine so heftig wie die andere. Erst gegen das Team: "Ich hätte mir gewünscht, dass uns was cleveres einfällt in der Strategie." Und dann bekam Motorenhersteller Renault sein Fett weg: "Mit unserer Gurke geht nichts auf der Geraden. Und ohne Dampf beißt man sich die Zähne aus." Die neue Hoffnung beschleunigt den alten Ehrgeiz des Heppenheimers: "Ich komme ja nicht hierher, um Zweiter oder Dritter zu werden."

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Zehn Zylinder der Formel 1:Pastor Maldonado

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Quelle: AFP

Pastor Maldonado: Er ist häufiger ausgefallen als er ins Ziel kam in dieser Saison. Und das ist für den Vorgänger von Daniel Ricciardo als Sieges-Debütanten (im Frühjahr 2012 in Barcelona) kaum zu ertragen. Schließlich befüllt sein Heimatland Venezuela die sonst eher leeren Rennstallkassen von Lotus mit zweistelligen Millionensummen. Viel Kilometergeld fiel für den 29-Jährigen in Montreal nicht an, nach 21 Runden ging seinem Renault-Motor die Power abhanden. Der Rennfahrer selbst hatte bereits beim Aus in der ersten Qualifikationsrunde am Samstag mal wieder die Kontrolle verloren. Als er den kraftlosen Lotus parken musste, nahm er einfach das Lenkrad mit. Das gab für den Renn-Rüpel mal wieder eine Verwarnung.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Lewis Hamilton

Lewis Hamilton, Nico Rosberg, Formel 1

Quelle: AP

Lewis Hamilton: Die nach einem Versöhnungsanruf von Lewis Hamilton bei Nico Rosberg ausgerufenen und via Twitter bekräftigten Freundschaftswochen im Mercedes-Werksteam waren schon in der ersten Kurve von Montreal wieder hinfällig: Beim Kampf um die Führung hatten sich Nico Rosberg und Angreifer Lewis Hamilton berührt. Das ging gerade nochmal gut, aber nach Hamiltons unverschuldetem Ausscheiden muss der Brite künftig noch aggressiver an die Sache herangehen. Und natürlich gab es auch diesmal im Rennen eine streitbare Szene, als Nico Rosberg eine Kurve abkürzte. Die Kommissare sprachen ihn frei, aber Hamilton grummelte: "Normalerweise machst du langsamer, wenn du in der Schikane abgekürzt hast, und lässt dich überholen. Er hat es nicht gemacht. Naja." Es bleibt zwischen den beiden Titelkandidaten spannend, oder sollte man besser sagen: angespannt.

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