Süddeutsche Zeitung

Zahlreiche Absagen vor Länderspiel:Löw muss gegen Holland basteln

Nur ein Sieg dürfte die Debatten verkleinern: Zum Abschluss des EM-Jahres steht für die Nationalelf noch einmal ein wichtiger Test gegen die Niederlande an. Doch Joachim Löw plagen Personalsorgen. Nach Boateng und Schmelzer sagten nun auch Schweinsteiger und Kroos für den umstrittenen Länderspiel-Termin ab.

Nach einer unerwarteten Absagewelle wird das Stimmungsfinale 2012 für Joachim Löw zu einer schwierigen Aufgabe. Der Bundestrainer musste vor der Reise zum Prestigeduell in den Niederlanden die Ausfälle von gleich vier Akteuren hinnehmen. Die Bayern-Profis Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Jérôme Boateng und der Dortmunder Marcel Schmelzer sind krank oder verletzt und fehlen beim brisanten Jahresabschluss am Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) gegen Oranje.

Löw ließ sich erst noch ein wenig Zeit, reagierte dann aber auf die Absagenflut, indem er den Frankfurter Sebastian Jung sowie Borussia Dortmunds Sven Bender nachnominierte. DFB am Sonntagabend bekannt. Der 21 Jahre alte Jung steht damit erstmals im Kader der A-Nationalmannschaft. Vize-Kapitän Schweinsteiger fehlt wegen eines Virusinfekts, Kroos hat Magen-Darm-Probleme. Schmelzer laboriert seit Samstag an einer Fußprellung und Boateng hatte schon am Samstag wegen eines Muskelfaserrisses abgesagt.

Sein Vereins-Kollege Thomas Müller ist erkältet, soll aber am Montag nach Amsterdam reisen, teilten die Bayern mit. Da in den verletzten Holger Badstuber und Sami Khedira ohnehin zwei Stammspieler fehlen, steht Löw vor einem Personalpuzzle. Je drei Akteure aus Abwehr und Mittelfeld fallen aus. Durch Schmelzers Blessur steht fast schon fest, dass Kapitän Philipp Lahm, der am Sonntag noch seinen 29. Geburtstag in München feiern konnte, wieder auf die linke Abwehrseite rückt.

Nach der Kritik aus der Liga an Termin und Gegner und der von Löw nicht erhörten Forderung nach einer Pause für einige Stammkräfte hat sich der Kader nun auf andere Weise personell verändert. Die Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines emotional brisanten, sportlich aber bedeutungslosen Testspiels ist auch an den Spielern nicht vorbei gegangen. Der erkältete Müller bemerkte am Wochenende ironisch: "Ein klasse Termin, auf den wir uns alle freuen. Da werden wir mit voller Leidenschaft unser Land vertreten und werden das tun, wofür wir geboren wurden - für Deutschland Fußball zu spielen."

Für Löw wird die Situation nicht leichter. Wenn er seinen Kader im schicken City-Hotel an der Stadthouderskade von Amsterdam versammelt, bleibt ihm nur wenig Zeit. Im Schnellverfahren muss der Bundestrainer seine verbliebenen Akteure auf die 40. Auflage des stets packenden Länderspiel-Klassikers vorbereiten Die schwierigen Themen der vergangenen Monate blendet Löw beim Kurztrip ins Nachbarland so gut wie irgend möglich aus. "Der Fokus liegt komplett auf Holland", schwor Löw sein Team ein.

Nur am Rande sollen die krassen Fehler beim irren 4:4 gegen Schweden im Oktober noch einmal besprochen werden. "Es wäre ein pädagogisch falscher Ansatz, zwei Stunden über das Schweden-Spiel zu sprechen", mahnte Löw. Zwischen Treffpunkt am Montagmittag und dem Anpfiff in der Amsterdam ArenA bleiben gerade 55 Stunden um mit dem dezimierten Kader, dem auch Torwart-Rückkehrer René Adler und Neuling Roman Neustädter angehören, zu arbeiten.

Der Bundestrainer will in den nur zwei Trainingseinheiten die Voraussetzungen für einen gelungenen Jahresabschluss legen. Der dritte Sieg in Serie gegen Oranje würde die Diskussionen über Strategie und Personal der DFB-Elf einstweilen verstummen lassen und auch Löw die Grundlage für einen ruhigen Jahreswechsel verschaffen. "Wir wollen uns mit einer guten Leistung von unseren Fans verabschieden", erklärte der Bundestrainer. Doch das wird schwer genug, wie auch Löw weiß. "Wir müssen davon ausgehen, dass wir auf einen hochmotivierten Gegner treffen", sagte der 52-Jährige voraus.

Im Nachbarland sind die jüngsten Niederlagen gegen Deutschland beim 0:3 in Hamburg und dem 1:2 bei der EM noch nicht verdaut. "Wir haben super Fans. Es wird viel orange sein im Stadion", kündigte Bayern Münchens Holländer Arjen Robben an. Einen Vorgeschmack deutsch-holländischer Rivalität lieferten sich am Bundesliga-Wochenende schon einmal Schalkes Benedikt Höwedes und Bremens Eljero Elia mit ihrer Kabbelei auf dem Platz. Löw sieht natürlich keinen Grund, den Vergleich nutzlos verstreichen zu lassen.

"Wir haben vor zwei Jahren beschlossen, für Testspiele möglichst starke Gegner zu bekommen. Wir wollen uns mit den Besten messen", erläuterte er. Erstaunlich defensiv äußern sich die Niederländer: "Wir sind noch in der Entwicklung. Vor allem unsere neuen Spieler können sich mal messen mit einigen der besten Spieler der Welt. Ich finde, im Moment ist Deutschland viel weiter als wir", sagte Robben.

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