Bayer Leverkusen:Er coacht so, wie er spielte

Bayer Leverkusen: Wie man es richtig macht: Bundesliga-Trainernovize Xabi Alonso (Mitte) spricht sich mit Moussa Diaby (links) und Jeremie Frimpong aus.

Wie man es richtig macht: Bundesliga-Trainernovize Xabi Alonso (Mitte) spricht sich mit Moussa Diaby (links) und Jeremie Frimpong aus.

(Foto: Laci Perenyi/Imago)

Da ist sie also, die neue Trainer-Attraktion der Liga. Xabi Alonso führt Bayer Leverkusen gleich zu einem 4:0 gegen Schalke: mit vielen Instruktionen, Vertrauen in einen Ausgemusterten - und einer einmaligen Sprachen-Melange in der Analyse.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Wohin der Weg von Bayer Leverkusen und seinem neuen Trainer Xabi Alonso in den kommenden Wochen führen wird, kann niemand sagen; zu verrückt hat sich diese Saison angelassen. Sofort auffällig war bei der Premiere des Spaniers als Bundesligatrainer, dass die Spielklasse durch ihn an Stil gewinnt: Er trug weiße Sneaker, eine enge, dunkelstblaue Hose und einen lässigen dunklen Pullover, der nicht dick sein musste, weil der Himmel auf den annoncierten Regen verzichtete und die Sonne frühlingshaft auf die Akteure schien. So sah der Hintergrund auf Erinnerungsfotos nach dem ungefährdeten 4:0 (2:0) gegen Schalke 04 angemessen heiter aus.

Man konnte auch erahnen, dass der Spanier, der als Mittelfeldspieler bei Real Madrid, Liverpool und dem FC Bayern Weltklasse verkörperte, coachen wird, wie er spielte: mit kurzen, überlegten Schritten und Aktionen, bei denen Worte die Bälle ersetzen. Häufig dirigierte er seine Spieler mit Handzeichen weiter nach vorne, und bei fast jeder längeren Pause rief er einen Profi zu sich, um ihn zu instruieren. Alonso hatte nach der Beurlaubung seines Vorgängers Gerardo Seoane nur zwei Tage gehabt, um sein Team kennenzulernen. Ein paar Namen musste er sich aufschreiben lassen.

Man hatte während seines ersten Spiels als Bundesligatrainer auch deswegen Gelegenheit, Xabi Alonso so genau zu beobachten, weil das Spiel zunächst der Ankündigung gerecht wurde, ein Duell der prominentesten Sorgenkinder der Liga zu sein. Bayer hatte früh zwei Mini-Chancen durch Moussa Diaby, passte sich danach dem Niveau des Gegners an. Na gut, das ist zu harsch, weil Leverkusen einiges versuchte, während Schalke 04 den Ball bei fast jeder Gelegenheit auf gut Glück nach vorne drosch. Das Team war zugleich, wie zuletzt gegen Augsburg (2:3), vom Glück verlassen. Offenbar war auch hier eine übergeordnete Macht im Spiel, die nicht wollte, dass jemand für diese Idee von Fußball belohnt wird.

"Es gibt einiges, was wir verbessern können", kündigt Alonso an

Vielleicht hatte der umstrittene Schalker Trainer Frank Kramer auf diese Art einen Punkt beim verunsicherten Werksklub entführen wollen. Doch nach 25 Minuten fingen die Leverkusener an, etwas zielgerichteter anzugreifen, am liebsten über die rechte Seite, wo Außenbahn-Flitzer Jeremie Frimpong seinen Gegenspieler Mohr immer wieder mit Wonne narrte. (Trainer Kramer wartete mit einem Wechsel dennoch bis zur Halbzeit.) Bloß die Flanken des Leverkuseners waren regelmäßig unbrauchbar. Das war aber spätestens egal, als es 2:0 stand.

"Ich bin zufrieden, aber es gibt viel, was wir verbessern können", sagte Alonso später in einer einmaligen, völlig unvorhersehbaren Melange aus Deutsch, Englisch und Spanisch. "Es war ja nur ein Spiel", sagte Alonso - das Match, auf das es ankäme, sei jenes am Mittwoch in der Champions League gegen Porto. Das werde einiges über das Team verraten.

Alonsos Worte könnte man als arrogante Haltung gegen die Schalker deuten, dessen Coach wie zur Strafe ausharren musste, während Alonso detailliert antwortete. Aber es war bloß die Wahrheit. Nachdem den Hausherren das 1:0 gelungen war - Robert Andrichs scharf getretener Diagonalpass zerschnitt die Schalker Abwehr, Diaby überwand Gästetorwart Schwolow mit einem satten Linksschuss unter die Latte (38.) - ging es schnell: Keine drei Minuten später tauchte Callum Hudson-Odoi in der Mitte der Gästehälfte auf, dribbelte unangetastet gegen vier Schalker, passte nach rechts, wo die Flügelzange Diaby/Frimpong mal wieder Mohr narrte und Frimpong aus spitzem Winkel das 2:0 erzielte (41.).

Bayer Leverkusen: Doppeltorschütze: Jeremie Frimpong (links) gelangen gegen Schalke zwei Treffer.

Doppeltorschütze: Jeremie Frimpong (links) gelangen gegen Schalke zwei Treffer.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Wenn die Partie zu diesem Zeitpunkt nicht entschieden war, dann war sie es spätestens nach der ersten Szene der zweiten Hälfte. Diaby riss wieder dribbelnd Löcher in die Gästeabwehr und schickte den ebenfalls rochierenden Frimpong in die Spitze, der nach seinem Treffer zum 3:0 auf vier Saisontore kommt - drei mehr als Goalgetter Patrik Schick, den Xabi Alonso dringend in die Spur bringen muss. Ein paar Schalker monierten später, dass der niederländische Doppeltorschütze wegen einer versuchten Tätlichkeit gegen Marius Bülter gar nicht mehr auf dem Platz hätte stehen dürfen. Diese übertriebene Reaktion passte zur Schalker Vorstellung an diesem Tag.

Paulinho sollte verkauft werden - Alonso will ihm noch eine Chance geben

Nach dem 3:0 wollte Bayer nicht mehr so richtig, Schalke konnte ohnehin nicht, was man auch sehen konnte, als Xabi Alonso einen Profi brachte, der wirklich wollte: Paulinho, den Seoane degradiert hatte, erhöhte auf 4:0 (90.) und wurde stellvertretend von seinem neuen Trainer gelobt. "Bei mir hat jeder die Chance, sich zu zeigen", sagte Alonso. Er sieht darin eine Chance für den ganzen Klub: "Die Mannschaft und ich werden herausfinden, was am besten passt." Richtig moderiert, könnte das angesichts des Kaders prominenter, aber verunsicherter Spieler schnell zum Trumpf des Werksklubs werden. "Das war schon ein kleiner Wow-Effekt", sagte Robert Andrich, der die Spieler inspiriert habe.

Und so hat die Liga plötzlich nur noch ein richtiges Sorgenkind: Schalke 04. Sportchef Rouven Schröder, der sich gewöhnlich nie um eine Antwort drückt, erbat sich diesmal einen Abend ohne Stellungnahme. Einige Beobachter unkten, Schröder habe noch mit Thomas Reis reden müssen, den ehemaligen Coach des VfL Bochum, den Schröder eigentlich vor der Saison hatte verpflichten wollen und der jetzt frei ist.

Erst spät am Abend gab der Klub ein entwarnendes Statement heraus, das manche Fans als Warnung verstanden haben dürften: Der Trainer werde mindestens beim kommenden Heimspiel auf der Bank sitzen: "Der Trainerstab um Frank Kramer, die Mannschaft, wir alle sind nun gefordert, gegen Hoffenheim eine in allen Belangen verbesserte Leistung zu zeigen", hieß es darin. Man kann sich das nach dem Auftritt in Leverkusen kaum vorstellen. "Wir haben schon gemerkt, dass Schalke kein Fußball spielen wollte", sagte Andrich ebenso scharf wie begründet, ehe er zum K.-o.-Schlag ansetzte: "Es ist immer noch Luft nach oben. Denn Schalke hat uns - ohne respektlos klingen zu wollen - schon viele Räume gegeben." Auch das war nicht respektlos, sondern die Wahrheit.

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