Neulich auf der Reise in die Bretagne, am Rande von Bayer Leverkusens Champions-League-Partie gegen Stade Brest (1:1), passierte etwas Ungewöhnliches: Xabi Alonso, 42, erzählte eine Geschichte von früher. Der baskische Trainer erinnerte sich im Kreis der Mitreisenden an das Europacup-Finale mit dem FC Liverpool gegen die AC Mailand.
Jeder in der Runde kannte zwar die dramaturgische Pointe – Liverpool holte gegen Mailand einen 0:3-Pausenrückstand auf und gewann im Elfmeterschießen –, aber alle hörten trotzdem sehr gern zu, denn Alonso ist im Klub bisher nicht als großer Anekdotenerzähler aufgefallen. Die Vergangenheit, so ruhmreich die Karriere auch war, ist nicht sein Thema, Neigung zu Sentimentalitäten gibt er schon gar nicht zu erkennen. Als Super-Profi, der Xabi Alonso ist, richtet er den Blick und das Gespräch vor allem auf die Gegenwart und das nächste Spiel.
Am Montag führt ihn die nächste Aufgabe des herbstlichen Hetzbetriebs nach Liverpool, wo er zwischen 2004 und 2009 das Mittelfeld der Reds bearbeitete. Beim besagten Finale gegen Milan in Istanbul erzielte er im Nachfassen eines von ihm verschossenen Elfmeters das 3:3. Am Freitagabend nach dem Ligaspiel gegen Stuttgart wollte Alonso auf der Pressekonferenz noch nicht über seine Empfindungen vor der Rückkehr nach Liverpool, der ersten seit 2009, sprechen.
Die Gedanken steckten noch viel zu sehr im gerade beendeten Match, sagte er und verwies auf den nächsten Pressetermin am Montagabend. Doch auf Bitten eines Zeitungsmannes, der auf technische Zwänge verwies, war der Trainer doch zu einem Statement bereit – nicht ohne zuvor die Professionalität des Reporters zu loben. Typisch Alonso.
Sein Kommentar zum Wiedersehen mit dem FC Liverpool, dessen Gefolgschaft und legendärer Heimat bewegte sich dann zwar im erwarteten Rahmen („es gibt kaum Besseres, als in Anfield zu spielen“), enthielt aber ein aufrichtiges Bekenntnis. Bei aller Berufsroutine: Seine ehemaligen Vereine, sein dortiges Ansehen und Vermächtnis seien Alonso enorm wichtig, sagen Leverkusener Klubangehörige. Die Avancen des FC Liverpool und des FC Bayern im Frühjahr – auf der Suche nach den Nachfolgern für Jürgen Klopp und Thomas Tuchel – behandelte er deshalb nicht mit der üblichen Höflichkeit, mit der er andere Anfragen verneint hat, sondern mit besonderem Taktgefühl.
Leverkusens Sportchef Rolfes geht davon aus, dass Alonso seinen bis 2026 laufenden Vertrag einhält
Neueste Meldungen, dass sich Real Madrid, der dritte Klub in Alonsos Laufbahn als Spieler, auf die Übernahme des Trainers im nächsten Sommer vorbereite (bevorzugt im Paket mit Florian Wirtz), haben bei Bayer Leverkusen keinen Schrecken verbreitet. Sportchef Simon Rolfes durfte guten Gewissens erklären, er gehe im Moment „zu 100 Prozent“ davon aus, dass der Coach den bis 2026 laufenden Vertrag einhalten werde. Einstweilen gilt die stille Übereinkunft mit Alonso und Familie Wirtz, dass erst wieder im neuen Jahr über die Eventualitäten des nächsten Sommers gesprochen wird.
Bis dahin folgen noch einige wegweisende Spiele. Die Partie in Liverpool ist eine davon, Bayer Leverkusen möchte seinen Premium-Platz in der längsten Tabelle der Fußballwelt verteidigen, im Klassement rangieren sie auf Position sechs. „Wir spielen gegen eine der besten Mannschaften Europas“, sagt Xabi Alonso, „es ist eine große Herausforderung, aber eine schöne Herausforderung“. Ein bisschen persönliche Emotion klingt da schon mit.