Xabi Alonso in Leverkusen:Als Spieler ein Großer - und als Trainer?

Bayer Leverkusen trennt sich von Trainer Gerardo Seoane und präsentiert sofort Xabi Alonso als Nachfolger. Der hat zwar einen bekannten Namen im Fußball - ist aber nur ein Trainer-Novize.

Von Ulrich Hartmann

In einer portugiesischen Drachenhöhle haben die Fußballer von Bayer Leverkusen am Dienstagabend mit einer wenig ritterlichen Leistung dazu beigetragen, dass ihr angeschlagener Trainer Gerardo Seoane tags darauf nach der Heimkehr ins Rheinland entlassen wurde. Im "Estadio do Dragao" verlor die kriselnde Werkself auch ihr Champions-League-Spiel beim FC Porto mit 0:2. Für den Fall eines solchen Ergebnisses waren Seoane vom Verein bereits vorab unmissverständlich Konsequenzen angedroht worden.

"Wir müssen jetzt schnell nach vorne schauen", hatte der Trainer aus der Schweiz die Bayer-Fußballbosse kurz nach dem Spiel zwar noch abzulenken versucht, doch weil jene letztlich diesem Rat auf ihre Weise folgten, war der 43-Jährige am Mittwoch bereits mit privaten Planungen beschäftigt - statt mit der Vorbereitung auf das Bundesliga-Heimspiel gegen Schalke 04 am kommenden Samstag.

Ein Jahr und drei Monate nach seinem Dienstantritt wurde Seoanes Beurlaubung am Mittwochnachmittag vollzogen, weil seinem Team in dieser Saison bislang magere zwei Siege in zwölf Pflichtspielen gelungen sind und weil auch die Leistung in Porto weder tröstlich noch hoffnungsvoll war. Im DFB-Pokal war Bayer am Drittligisten Elversberg gescheitert, in der Bundesliga sind die stets Ambitionierten nur Vorletzter, in der Champions League drohen sie das Achtelfinale zu verpassen.

Es ist eine verzwickte Situation, die entweder gar nicht oder - je nach Sichtweise - umso mehr wie gemacht ist für einen unbedarften Trainer-Novizen, der auf diesem Level noch nie als verantwortlicher Coach gearbeitet hat: Xabi Alonso, 40, hat sich dazu entschieden, diese Herausforderung anzunehmen - in einem Land, in dem er als Führungsspieler von 2015 bis 2017 immerhin drei Mal in Serie mit dem FC Bayern Meister wurde. Sein Vertrag als Bayer-Cheftrainer wird zunächst bis 2024 gelten. Gewinnt er zu seinem Einstand gegen Schalke nicht, dann werden die Wochen bis zur WM-Unterbrechung Mitte November vermutlich noch ungemütlicher als Seoanes Abschiedsvorstellung in Porto.

Die turbulente erste Hälfte dort war zwar 0:0, aber keineswegs torlos ausgegangen. Auf jeder Seite wurde ein Treffer aberkannt, zudem verschoss Patrik Schick für Leverkusen einen Elfmeter. Bayers vermeintliche Führung durch Callum Hudson-Odoi in der 15. Minute galt nicht, weil Robert Andrich beim vorangegangenen Ballgewinn ein Foul begangen hatte.

Auch Portos vermeintliche Führung in der 42. Minute fand auf kuriose Weise keine Anerkennung, weil Abwehrmann David Carmo vor der Einleitung des in Ziel gebrachten Konters im eigenen Strafraum ein vom Referee übersehenes Handspiel begangen hatte. In Portos 1:0-Jubel hinein erkannte Schiedsrichter Anthony Taylor am Monitor dann nicht nur das Tor ab, sondern entschied stattdessen auf Strafstoß für Leverkusen: Bayer-Torjäger Schick vollendete das kleine Drama, weil er an Torwart Costa scheiterte (45.).

In der zweiten Halbzeit verloren entmutigte Leverkusener dann jegliche Torgefahr. Zaidu Sanusi (69.) und Galeno (87.) schossen Porto 2:0 in Führung, ehe Bayers Jeremie Frimpong auch noch mit Gelb-Rot vom Feld musste (88.). Insgesamt war Leverkusen zu nervös, zu einfallslos. Die Misserfolgsserie und das drohende Schicksal des Trainers zeigten Wirkung, die Nerven lagen blank. "In der zweiten Halbzeit ist es uns nicht mehr gelungen, die gleiche gute Leistung zu bringen wie in der ersten", sagte Seoane. Tags darauf sollte sich bewahrheiten, dass dies einer seiner letzten Sätze als Bayer-Coach war.

Drei Jahre lang trainierte Alonso Real Sociedad aus San Sebastián - allerdings die zweite Mannschaft

Auf den Weg nach Leverkusen machte sich Alonso - einer, der sich aus Liverpool, Madrid und München zwar bestens in der Champions League auskennt, aber eben als Spieler, nicht als Trainer. Das macht die Sache spannend. Alonso trainierte bis zum vergangenen Mai drei Jahre lang die zweite Mannschaft von Real Sociedad aus San Sebastian, mit der er in die zweite spanische Liga auf- und wieder abstieg. Vor eineinhalb Jahren war Alonso als Trainer bei Borussia Mönchengladbach gehandelt worden, doch diese Geschichte zerschlug sich. Gladbachs damaliger Sportchef Max Eberl kaufte lieber den Österreicher Adi Hütter für 7,5 Millionen Euro aus dessen Vertrag in Frankfurt heraus.

Gemessen daran, dass Bayer-Geschäftsführer Fernando Carro am Sonntag im Fernsehen behauptet hatte, man sei auf alle Eventualitäten vorbereitet, benötigten die Leverkusener am Mittwoch allerdings quälend lang, um den Trainerwechsel zu vollziehen.

Alonsos wichtigste Aufgabe in Leverkusen ist anfangs vor allem, die Blockaden der Spieler zu lösen. Die individuellen Fähigkeiten dieses derzeit verkrampften Kaders waren zuletzt kaum noch zu erkennen. Sollten sich die Erfolge, die Alonso als Spieler sammelte, beeindruckend und motivierend auf die Bayer-Kicker auswirken, dann hätte der Weltmeister (2010), zweimalige Europameister (2008, 2012), zweimalige Champions-League-Sieger (2005 mit Liverpool, 2014 Real Madrid) und spanische Fußballer des Jahres (2o03) schon einiges erreicht.

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