Nach einer herben Enttäuschung wird als Soforttherapie gerne ein Tapetenwechsel empfohlen. Die Marktmechanismen in der Volleyball-Bundesliga wollen es, dass ihn die meisten Teams gar nicht selbst aktiv anstreben müssen, sondern in Form von Spieler-Weggängen übergestülpt bekommen. So geschehen nach dem bitteren Playoff-Viertelfinal-Aus der WWK Volleys Herrsching, die den Sprung ins Halbfinale trotz ihres starken vierten Platzes in der Hauptrunde verpasst hatten. Von der bisherigen Startsechs wird in der kommenden Spielzeit nicht einmal mehr die Hälfte übrig sein. Zwar hatte Geschäftsführer Max Hauser bereits unmittelbar nach dem Aus betont, dass der neue Kader bereits feststehe, viele Leistungsträger der beendeten Saison werden darin jedoch fehlen.
Zuspieler Eric Burggräf verlässt den Ammersee ebenso nach zwei Jahren wie die Angreifer Filip John (Diagonal) und Daniel Gruvaeus. Der vom Verletzungspech verfolgte spanische Außenangreifer Victor Rodriguez zieht nach einer Saison weiter. „Grundsätzlich war uns klar, dass nach einer guten Saison viele rausgekauft werden, Daniel Gruvaeus bekommt woanders das Doppelte wie bei uns“, sagt Hauser. Er betont aber auch, „dass das relativ normal ist“.
Für diese Gelassenheit gibt es Gründe. Die Oberbayern haben sich nicht nur sportlich ins obere Mittelfeld entwickelt, sondern befinden sich auch in puncto Transfers nicht mehr am Anfang der Nahrungskette, sondern in einer Zwischenposition. „Wir können in der unteren Tabellenhälfte schauen“, sagt Hauser. Ziel sei es ohnehin schon immer gewesen, talentierte deutsche Spieler zu verpflichten, „aber langsam sind wir in der Situation, dass wir mehr Möglichkeiten haben, sie auch tatsächlich zu bekommen“.
Herrsching wird mit Karlsruhes Zuspieler Tobias Hosch und Mittelblocker Bastian Korreck in Verbindung gebracht
Bei aktuellen Transferspekulationen sind die Herrschinger somit nicht mehr nur als abgebender Verein vertreten. Von Medien aus dem Karlsruher Vereinsumfeld etwa werden sie unter anderem mit Karlsruhes scheidendem Zuspieler Tobias Hosch und Mittelblocker Bastian Korreck in Verbindung gebracht. Eine Bestätigung gibt es noch nicht. Gut einfügen würden sich die beiden aber allemal bei einer Kaderplanung, die noch stärker auf eine solide Breite abzielt als in der abgelaufenen Spielzeit. „Wir wollen wieder international spielen und haben gesehen: Die Belastung ist dann enorm“, sagt Hauser. Die Philosophie, vermehrt auf junge deutsche Spieler zu setzen, habe Priorität vor großen Namen, „auch wenn man theoretisch sogar einen kleinen Schritt zurück macht“.
Wobei Letzteres noch die Frage ist, wenn man berücksichtigt, dass es zwei Talente waren, die mit starken Leistungen auftrumpften, als eben jene großen Namen (Gruvaeus und Rodriguez) verletzt fehlten: Jannes Wiesner und Laurenz Welsch füllten die Lücken im Außenangriff aus. Beide unterschrieben nicht nur Vertragsverlängerungen für die kommenden zwei Spielzeiten, sondern klettern auch im internen Ranking. „Wir werden ihnen nicht zwei Neue davorsetzen, sondern entsprechend Verantwortung übertragen, so konsequent wollen wir sein“, sagt Hauser. In die noch nicht namentlich genannten Zugänge setzt er ähnliche Hoffnungen. Man habe neben „relativ viel Vertrauen in ihre Entwicklung“ auch Vertrauen „in uns selber, dass wir diese Spieler weiterbringen“.
Anders stellt sich die Situation beim Rivalen Dachau dar, wo zwei Jahre nach dem Aufstieg ebenfalls große Umwälzungen anstehen. „Der Cut war logisch“, sagt Abteilungsleiter Denis Werner. Das Team war gemeinsam aufgestiegen und damit ligaübergreifend seit sechs Jahren in einer ähnlichen Konstellation zusammen. Man sei langsam „an einen Punkt gekommen, an dem es keine Weiterentwicklung mehr gibt“. Die aber ist für den Tabellen-Elften unbedingt notwendig, denn in der kommenden Spielzeit gibt es erstmals seit dem Auffüllen der Liga keine Nichtabstiegs-Garantie mehr. Dachaus größte Baustelle war bei viel Talent laut Werner die zu flache Team-Hierarchie, die verhinderte, dass das Potenzial voll ausgeschöpft wurde. Dachau reagierte mit dem ersten Zugang: dem 30 Jahre alten spanischen Angreifer Carlos Jimenez.