Premier League:Wunder perfekt - Leicester wird Meister auf der Couch und im Pub

Lesezeit: 3 min

Durch ein 2:2 von Tottenham gegen Chelsea ist Leicester City englischer Meister. Der Trainer erfährt es als Letzter, er kommt vom Essen mit seiner 96-jährigen Mutter.

Von Martin Schneider

Leicester City ist Meister. Das ist gegen alle Prognosen, Erwartungen und gegen den gesunden Menschenverstand. Das ist gegen alle Gesetze des Fußballs. Aber es ist wahr. Tottenham Hotspur, der letzte Klub, der diesen Wahnsinn verhindern konnte, hat gegen Chelsea nicht gewonnen, 2:2 ging es aus, und darum hat Leicester nun sieben Punkte Vorsprung. Das ist nicht mehr einzuholen und der Satz ist immer noch so unglaublich, dass man ihn nochmal schreiben und eigentlich langsam lesen muss: Leicester City ist Meister.

Am Samstag hätte es das Team von Claudio Ranieri selbst auf dem Platz entscheiden können. Ein 1:1 gegen Manchester United reichte aber nicht. Jetzt weiß es der Trainer vielleicht noch gar nicht. Er hat angekündigt, er werde mit seiner Mutter in Italien essen gehen. Sein Mutter ist 96 Jahre alt und die Verabredung zum Essen sei schon lange ausgemacht. Und während Tottenham spielt, wird er im Flieger sitzen. "Ich werde der letzte Mann in England sein, der wissen wird, ob wir Meister sind", sagte Ranieri vor dem Spiel. Er sagte, er rechne sowieso damit, dass Tottenham alle verbleibenden Spiele gewinnen werde. Da war er zu pessimistisch.

Der Rest von Leicester wurde Meister auf der Couch oder im Pub (wahrscheinlich mehr im Pub). Niemand wird in dieser 330 000-Einwohner-Stadt ernsthaft erwarten, dass morgen jemand pünktlich und/oder nüchtern zur Arbeit kommt. Die Mannschaft, das kündigte Verteidiger Danny Simpson an, werde versuchen, sich das Spiel zusammen anzuschauen. Man möchte beim Schlusspfiff vor dem Fernseher dabei gewesen sein.

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Es ist der Abschluss einer unglaublichen Story. Leicester stand in der vergangenen Saison quasi als Absteiger fest. Dann gewann das Team sieben von acht Spielen und blieb in der Liga, alleine das war schon eine Sensation. In dieser Saison setzte die Mannschaft den Lauf einfach fort, obwohl jeder erwartete, dass ihnen irgendwann gegen die bessere Konkurrenz die Puste ausgehen könnte.

Als sie am letzten Spieltag der Hinrunde vom furios aufspielenden FC Arsenal überholt wurden, schien der Moment gekommen zu sein, an dem Leicester am Ende war. Waren sie aber nicht. Am 23. Spieltag schlug Leicester an einem kalten Januar-Tag Stoke City 3:0, Arsenal verlor bei Chelsea und seitdem steht das Logo mit dem Fuchs an der Spitze der Tabelle.

Eine Mannschaft aus Gescheiterten gewinnt die reichste Liga

Nun hat eine Mannschaft aus Gescheiterten die reichste Liga der Welt gewonnen. Toptorjäger Jamie Vardy trug einst eine Fußfessel und auch der Rest kickte zuvor teilweise bei Vereinen in der allertiefsten englischen Provinz. Dazu die Ex-Bundesligaspieler Christian Fuchs (Mainz, Schalke) und Shinji Okazaki (Stuttgart, Mainz). Und natürlich Robert Huth, der Ex-Nationalverteidiger mit einem Adamant-Schädel und dem Feingefühl einer Spaltaxt. Alles nicht die größten Graupen auf dem Fußballplatz. Aber englischer Meister? Mit Leicester?

In einer Liga, die seit ihrer Gründung nur die Tanker Manchester United, Manchester City, FC Chelsea und der FC Arsenal gewonnen haben (und einmal die Blackburn Rovers 1995, aber damals waren Überraschungen noch ein bisschen einfacher). Der große FC Liverpool jagt dem Titel seit 26 Jahren erfolglos hinterher. Und nun Leicester. In einer Liga, die wie keine zweite davon ausgeht, dass mehr Geld mehr Erfolg bedeutet.

Claudio Ranieri hat der Mannschaft einen konsequenten taktischen Plan mitgegeben, stabil in der Abwehr stehen und dann mit maximalem Risiko kontern. Kein Team in der Premier League hat mehr Fehlpässe gespielt als der nun offiziell englische Meister. Eine auf den ersten Blick irre Strategie. Aber die Taktik ist aufgegangen.

Allerdings, und diese Information muss man seit Wochen mittransportieren, sollen nach Informationen von ARD und Sunday Times allerdings auch unerlaubte Mittel verwendet worden sein. Ein Londoner Mediziner gab gegenüber verdeckten Ermittlern an, dass er mitunter Leicester-Profis mit verbotenen Methoden behandelte. Der Verein bestreitet das vehement.

Über diese Einschränkung wird in Leicester natürlich jetzt niemand diskutieren. Der Klub, dessen größter Erfolg bisher die Vize-Meisterschaft 1929 war, wird feiern, wie es die Stadt vermutlich noch nie erlebt hat.

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