Der Weg war längst vorgezeichnet. Die Würzburger Kickers hatten gerade Mannschaften wie den 1. FC Kaiserslautern, den TSV 1860 München und den MSV Duisburg hinter sich gelassen, sie waren in die zweite Bundesliga aufgestiegen, und es wäre bestimmt nur eine Frage der Zeit gewesen, bis sie dort auch den Hamburger SV, den 1. FC Nürnberg und Fortuna Düsseldorf überflügelt hätten. Vor gut einem Jahr sprach Felix Magath vorsichtshalber also schon mal vom Europapokal - es kann ja auch dann nicht schaden, groß zu denken, wenn man gerade so klein ist, dass man es ein paar Wochen zuvor noch mit Meppen, Magdeburg und Münster zu tun hatte.
Europapokal am Dallenberg: Ja, so wäre es bestimmt gekommen, wenn die Kickers Trainer Michael Schiele im September des vergangenen Jahres nicht entlassen hätten. Würzburg müsste sich dann schon bald keine Gedanken mehr machen, warum Rostock mittlerweile enteilt ist - der neue Gegner würde ja Rostow heißen und zu den Spielen würden eher 98700 als 987 Zuschauer kommen.
Es hätte zumindest etwas Größeres werden können zwischen den Würzburger Kickers und Michael Schiele, doch dann war Magath der Meinung, dass es ein anderer Trainer bestimmt besser machen würde. Wer Schiele mehr als ein Jahr später auf seine Entlassung anspricht, der bekommt nur ein paar Antworten, die man zwar auf seinen Notizblock, nicht aber in die Zeitung schreiben darf.
Mit Abstand sieht Schwarz das Meppen-Spiel "nicht mehr so kritisch"
Er sei "zwiegespalten", sagt Schiele, bevor er an diesem Dienstag mit Eintracht Braunschweig an den Dallenberg zurückkehrt. Drei Jahre lang hat er für die Kickers gearbeitet - und in Würzburg haben sie bis heute das Gefühl, dass es damals viel zu früh zu Ende ging. Allzu emotional wird es trotzdem nicht zugehen, wenn Schiele nun wieder nach Würzburg kommt. "Es sind ja nicht mehr viele da", sagt Braunschweigs Trainer.
Nach dem Abstieg haben die Kickers mal wieder einen großen Umbruch vollzogen, mit Torsten Ziegner einen neuen Trainer engagiert und dann einen Fehlstart hingelegt. Wie groß die Hypothek der ersten Saisonwochen ist, zeigt sich auch daran, dass Würzburg unter Ziegners Nachfolger Danny Schwarz zwar acht Punkte aus den ersten fünf Spielen geholt hat, nach wie vor aber auf dem vorletzten Tabellenplatz steht.
Nach dem jüngsten 1:3 gegen den SV Meppen hatte Schwarz ziemlich vorwurfsvolle Töne angeschlagen. Er habe die Grundtugenden vermisst und hoffe nun auf "einen Hallo-Wach-Effekt", sagte Würzburgs Trainer unmittelbar nach dem Spiel - am Montagvormittag ruderte er dann wieder zurück. Jetzt, da er die 90 Minuten noch einmal in Ruhe analysiert habe und mit etwas Abstand über das Spiel rede, da sei er "nicht mehr so kritisch", meinte Schwarz: "Wir haben beileibe kein schlechtes Spiel gemacht. Also ich habe keine 16 Tabellenplätze Unterschied gesehen zwischen den Mannschaften." Am Ende aber verloren die Kickers.
Schon vor dem Spiel hatte Schwarz davon gesprochen, dass sich sein Team auf einen langen und harten Abstiegskampf einstellen müsse. Seit Schwarz bei den Kickers ist, geht in Würzburg zwar wieder die Hoffnung um, einen Trainer gefunden zu haben, mit dem sich etwas aufbauen lässt wie zuletzt mit Schiele - er selbst aber weiß: "Wir werden nicht in zwei Monaten aus dem Schlamassel draußen sein."
Die Gegenwart heißt Abstiegskampf und 987 Zuschauer gegen Meppen. Und eben nicht: Europapokal und Rostow.