Würzburger Kickers:Sprintduell vor der Langstrecke

04.07.2020, xhbx, Fussball 3.Liga, Kickers Wuerzburg - Hallescher FC emspor, v.l. Trainer Michael Schiele (Wuerzburger K; Fußball - Würzburger Kickers -  Trainer Schiele

Ein Bild aus dem Juli - und doch aus einer anderen Epoche: Die Kickers feiern mit Trainer Michael Schiele den Aufstieg.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Die Pokalpartie gegen Hannover 96 kommt für die Würzburger Kickers mit ihrem physischen Spielansatz zu früh. Zudem wird noch immer ein zentraler Mittelfeldmann gesucht.

Von Sebastian Leisgang

Nach allem, was man weiß, ist es noch nicht ganz sicher, ob die Würzburger Kickers an diesem Montagabend wirklich gegen Hannover 96 spielen werden. Die Partie ist zwar nicht abgesagt worden, und es ist auch nicht zu erwarten, dass irgendein Landgericht den Anstoß noch verhindert - trotzdem lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, ob es tatsächlich die Kickers sein werden, die da in der ersten Runde des DFB-Pokals auf Hannover treffen.

Gut, ein paar Indizien sprechen schon dafür. Erstens, dass die Partie im Stadion am Dallenberg ausgetragen wird, zweitens, dass ein Schriftzug auf dem Trikot elf Spieler als Würzburger Mannschaft ausweisen wird, und drittens, dass ein schwäbischer Muttersprachler am Rande des Spielfelds stehen wird. Nur: Genügt das schon, um als Kickers durchzugehen?

Das Würzburger Spiel ist äußerst physisch. Sich in den Zweikämpfen niemals zurücknehmen, oft sprinten, wieder und wieder angreifen, dem Gegner und sich selbst wenige Leerlaufphasen zugestehen, all das mit dem Ziel, den Ball schon in der gegnerischen Hälfte zu erobern: Das macht den Stil der Kickers aus, seit Michael Schiele sie trainiert. Das Problem ist bloß: Die Mannschaft ist momentan nicht sie selbst, weil sie noch gar nicht imstande ist, derart aufwendig zu spielen.

Im Grunde ist Schiele, 42, kein Pragmatiker. Er hat eine klare Idee, wie seine Elf Fußball spielen soll, und wenn sie seinen Ideen keine Taten folgen lässt, dann greift er eben so oft und so konsequent ein, bis seine Mannschaft so auftritt, wie er sich das vorstellt. Momentan aber mangelt es dem derzeitigen Kader, wie sie in der Stadt sagen würden, fei a weng an Glasse, um den Ansprüchen in der zweiten Liga gerecht zu werden. Schiele treibt deshalb die Überlegung um, gegen Hannover von seinem eigentlichen Ansatz abzukehren, eine Fünferkette vor dem eigenen Tor aufzustellen und dem Gegner den Ball zu überlassen.

Seine Mannschaft sei "noch nicht bei 100 Prozent", gesteht Schiele. Sie habe auf der einen Seite zwar Fortschritte gemacht im Laufe der Vorbereitung, auf der anderen Seite fordert Schiele aber auch: "Wir müssen weiter arbeiten." Dass der Trainer der Kickers nicht rundum zufrieden ist mit dem Status quo, lässt er auch durchblicken, indem er sagt - wohlgemerkt nur gut zwei Monate nach der Rückkehr in die zweite Liga und wenige Tage vor einem Spiel gegen einen attraktiven Gegner wie Hannover 96: "Die Euphorie könnte noch mehr sein."

Schiele ist mittlerweile seit beinahe drei Jahren im Amt. In seinen ersten Tagen war er sich selbst nicht sicher, ob er, der Assistenztrainer, der Aufgabe in der ersten Reihe gewachsen ist. Inzwischen vertraut er sehr wohl darauf, dass er Spieler entwickeln und eine Mannschaft formen kann - er weiß aber auch, dass der Kader noch aufgewertet muss, damit sich die Kickers nicht zum dritten Mal nach nur einem Jahr in der zweiten Liga wieder verabschieden.

Seit Wochen suchen die Kickers vergeblich nach einem zentralen Mittelfeldmann. Eine Lösung ist nicht in Sicht, und das Personal, das schon da ist, genügt einfach nicht. Spieler wie Fabian Giefer und Arne Feick bringen die Mannschaft zwar mit ihrer Erfahrung aus dem Stegreif voran, es sind aber längst noch nicht alle Neuen bereit für das Würzburger Spiel. Innenverteidiger Douglas etwa ist nach knapp vier Jahren Pause schlichtweg nicht fit, Flügelspieler Keanu Staude geht das Bewusstsein für die Defensive ab, und auch Florian Flecker muss sich noch verbessern.

Die gute Nachricht aber ist: Bevor sich die Kickers auf der Langstrecke beweisen müssen, steht ihnen das Sprintduell mit Hannover bevor - und in 90 oder allenfalls 120 Minuten lässt es sich mit Herz und Verstand durchaus kaschieren, wenn a weng Glasse fehlt.

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