Wegen Schiedsrichterentscheidungen:Sponsor will Vertrag mit DFB kündigen

Wegen Schiedsrichterentscheidungen: Der Anfang vom Ende: Im Januar 2020 stellte Thorsten Fischer (rechts) Felix Magath als Berater seines Fußball-Unternehmens vor.

Der Anfang vom Ende: Im Januar 2020 stellte Thorsten Fischer (rechts) Felix Magath als Berater seines Fußball-Unternehmens vor.

(Foto: Julien Christ/Beautiful Sports/imago)

Nach dem Spiel gegen Nürnberg ist der Aufsichtsratschef der Würzburger Kickers so entrüstet, dass er das millionenschwere Sponsoring seiner Firma mit dem Deutschen Fußball-Bund beenden will. Fehlentscheidungen bezeichnet er als "mutwillig".

Von Sebastian Leisgang

Er hängt noch da, draußen am Spielfeldrand, Höhe Mittellinie, knapp über der Werbebande. Zugegeben, aus der Ferne ist er nicht so leicht zu erkennen, aber er ist wirklich noch da, der Bildschirm, auf dem sich der Schiedsrichter eine Spielszene anschauen kann, wenn ihn der Videoassistent darauf hinweist, dass er eine seiner Entscheidungen noch mal überdenken soll.

Zwei Monate ist es nun her, dass Würzburgs Sportvorstand Sebastian Schuppan angekündigt hat, diesen Bildschirm im Dallenbergstadion abzubauen, da der Schiedsrichter ja ohnehin keinen Gebrauch von ihm mache. Damals hatten die Kickers bei Holstein Kiel verloren, weil der Schiedsrichter einen Elfmeter gegen sie verhängt hatte, bei dem die Indizienlage derart klar gegen einen Strafstoß sprach, dass es eigentlich überhaupt keinen Anlass gab, irgendwas zu überdenken. Der Videoassistent meldete sich trotzdem nicht, der Schiedsrichter blieb bei seiner Entscheidung, ohne an den Bildschirm zu gehen - die Kickers verloren durch den Strafstoß 0:1.

Ein Ergebnis, das ihnen auch am Sonntagnachmittag gegen den 1. FC Nürnberg lange drohte, ehe Lars Dietz gut zehn Minuten vor dem Ende nach einem aus Nürnberger Sicht überaus fragwürdigen Freistoß das finale 1:1 erzielte. Und doch: Der Schiedsrichter hatte auch mal wieder eine Entscheidung getroffen, die Würzburg in Wallung brachte - insbesondere den Aufsichtsratsvorsitzenden Thorsten Fischer. Er kündigte nach dem Spiel kurzerhand seine millionenschweren Sponsorenverträge mit dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) auf - zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Wenn man so will: eine Geldstrafe, ausnahmsweise mal gegen den DFB und nicht von ihm verhängt. Ein Entschluss jedenfalls, zu dem Fischer "mit aller Gelassenheit und ohne Emotionen" gekommen sei, da er inzwischen den Glauben "an eine Gleichbehandlung und seriöses Geschäftsgebaren verloren" habe.

Für Würzburg war es ja mal wieder ein bezeichnendes Spiel gewesen, ein Kickers-Spiel. Es war noch keine fünf Minuten alt, da war David Kopacz am eigenen Strafraum ein derart grober Querschläger unterlaufen, dass Eric Shuranov per Kopf zur frühen Nürnberger Führung traf. Das Kickers-Spiel hatte also begonnen, wie Kickers-Spiele beginnen. Nach gut einer Viertelstunde traf dann Schiedsrichter Tobias Reichel die Entscheidung, die im Nachgang Fischer auf den Plan rief: Nürnbergs Innenverteidiger Lukas Mühl wollte den Ball zu Torwart Christian Mathenia zurück köpfeln, traf ihn aber nicht richtig. Würzburgs Angreifer Ridge Munsy lief dazwischen, wurde von Mühl am Arm gehalten und ging zu Boden. Eine Notbremse, klagten die Würzburger - eine Notbremse, die Reichel allerdings nur mit Gelb ahndete.

11.04.2021 - Fussball - Saison 2020 2021 - 2. Fussball - Bundesliga - 28. Spieltag: FC Würzburger Kickers FWK - 1. FC N

Die Szene, die später debattiret wurde: Lukas Mühl (rechts) hält Ridge Munsy, der Nürnberger sieht aber nur Gelb.

(Foto: Sportfoto Zink / Daniel Marr/imago images/Zink)

Nach dem Spiel ließ Fischer dann eine Mitteilung herausgeben, in der er seinen Rückzug bekannt gab. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht es dabei um Sponsorengelder in einem Volumen von knapp vier Millionen Euro, die seine Druckerei vor allem für Bandenwerbung bei Länderspielen abziehen will. Fischer veröffentlichte eine Liste aller vermeintlichen "elf spielentscheidenden Fehlentscheidungen", die in der Saison gegen die Kickers ausgefallen sein sollen. Die Zahl der "krassen, ich sage mittlerweile mutwilligen Fehlentscheidungen" sei derart gravierend, dass er "keine andere Wahl" habe, als Konsequenzen zu ziehen. Bislang hat Fischers Online-Druckerei nicht nur bei Spielen der Nationalmannschaft geworben, sie war auch Namenssponsor der Frauen-Bundesliga. Dieses Engagement betrachte er allerdings "separat", erklärte Fischer, "weil die Frauen in dieser männerlastigen Domäne DFB überhaupt nichts dafürkönnen".

Fischers Rückzug ist ein Aufreger - dabei waren die Kickers nach dem dritten Trainerwechsel dieser Saison doch gerade auf dem Weg, ein besseres Bild abzugeben. Würzburg habe sich seit seinem Amtsantritt "in der Außendarstellung sehr, sehr gut präsentiert", sagte Interimscoach Ralf Santelli nach dem Spiel gegen Nürnberg. Sich selbst sehe er nun nicht in der Position, den Schiedsrichter zu beurteilen. Sein Gegenüber Robert Klauß hingegen sagte süffisant: "Er war so, wie das Spiel war." Und das war, nun ja, mäßig.

Nürnberg ging zwar früh in Führung, büßte dann aber seine anfängliche Dominanz im Laufe der ersten Hälfte ein und hatte Glück, nicht schon kurz vor der Pause den Ausgleich kassiert zu haben, als Würzburgs Mitja Lotric aus zehn Metern frei zum Schuss kam. "Wir haben den Gegner immer wieder mit Fehlpässen ins Spiel geholt", klagte Klauß. Nürnbergs Trainer war zwar "nicht zufrieden mit unserer Leistung" - dennoch wollte er das 1:1 nicht als Rückschritt werten. "Wir haben einen Punkt geholt" sagte Klauß, "das ist okay für die Tabellenkonstellation." Sechs Spiele vor Saisonende steht seine Mannschaft sieben Punkte vor dem Relegationsplatz - eine Position, von der Würzburg nur träumen kann.

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