Süddeutsche Zeitung

Würzburger Kickers:Schnäppchenjäger

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Vor der Relegation fiebert ganz Würzburg mit um den Aufstieg in Liga zwei. Der Trainer und dessen clevere Personalpolitik geben den Ausschlag für den Erfolg.

Von Fabian Swidrak

Um ganze Häuserblocks zogen sich am Dienstag in Würzburg die Warteschlangen derer, die um Tickets für die Relegation der Kickers anstanden, das Onlinekontingent war innerhalb weniger Minuten vergriffen, nur auf dem Schwarzmarkt tauchten noch Karten auf. Wenn die Würzburger Kickers an diesem Freitagabend (19.10 Uhr) zum Hinspiel der Relegation zur zweiten Bundesliga den MSV Duisburg treffen, wird im Stadion am Würzburger Dallenberg kein Platz frei bleiben, 10 000 Zuschauer werden kommen, dreimal so viele Karten hätte der Drittliga-Aufsteiger verkaufen können. Die ganze Stadt will dabei sein, wenn die Kickers um den größten Erfolg ihrer Vereinsgeschichte spielen. Doch Trainer Bernd Hollerbach, dem alle Spieler zur Verfügung stehen, bleibt ruhig: "Wir sind in allen Belangen der Underdog."

Vor zwei Jahren übernahm der frühere Bundesligaverteidiger die sportliche Verantwortung für den Klub, der ihm einst als Sprungbrett für seine Profikarriere diente. Er machte die aus ambitionierten Hobbykickern bestehende Regionalligamannschaft zu einem Kader voller Berufsfußballer und schaffte gleich in seiner ersten Saison den Aufstieg. Jetzt könnte Würzburg zum erst zweiten Klub nach RB Leipzig werden, dem seit Einführung der dritten Liga der Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga gelingt.

Finanziell möglich gemacht hat das Thorsten Fischer, dessen Online-Druckerei seit 2014 einer der größten Sponsoren des Vereins und Namensgeber des Stadions ist. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Kickers ist dabei der rasanten sportlichen Entwicklung des Klubs gedanklich stets einen Schritt voraus. Mit Geld allein lässt sich die Würzburger Erfolgsgeschichte jedoch nicht erklären, der Saisonetat von rund dreieinhalb Millionen Euro gehört zu den kleinsten der dritten Liga. Hollerbach verstand es allerdings in den vergangenen beiden Jahren perfekt, das Preis-Leistungs-Verhältnis seiner Mannschaft immer weiter zu optimieren: Alle 31 Spieler, die Hollerbach bislang verpflichtet hat, wechselten ablösefrei nach Würzburg.

Auch in der dritten Liga ist das durchaus ein Kunststück. Immer wieder bewies der 46-Jährige dabei ein Gespür für - insbesondere junge - Spieler, die ihr Potenzial zuvor andernorts nicht hatten abrufen können. "Wir haben viele Spieler, die woanders schon als gescheitert galten", sagt Hollerbach nicht ohne Stolz. Clemens Schoppenhauer, 24, setzte sich in der Jugend von Werder Bremen nicht durch und dirigiert nun das Würzburger Abwehrbollwerk. Peter Kurzweg, 22, wechselte von der zweiten Mannschaft des TSV 1860 München und ist unter Hollerbach als Linksverteidiger gesetzt. Elia Soriano, 26, den Hollerbach im Winter von den Stuttgarter Kickers holte, ist bereits bei mehreren Klubs durchs Raster gefallen und schoss nun für Würzburg zuletzt acht Tore in 13 Spielen.

In Transferfragen, sagt Rüdiger Schmitt, Sportvorstand des Hauptvereins, vertraue der gesamte Klub Hollerbach blind. "Im Fußball ist entscheidend, was du aus deinen Möglichkeiten machst", sagt Hollerbach. Und in Würzburg lassen sie ihn machen: Bei der Zusammenstellung seines Kaders hat er alleinige Entscheidungsgewalt. Auch Sportdirektor Norbert Mahler, mit dem er in Würzburg früher selbst noch gespielt hat, redet ihm dabei nicht rein. Hollerbach führt die Vertragsgespräche und ist in letzter Instanz auch für das Scouting zuständig: "Wenn ich frei habe, schaue ich mir immer irgendwo Fußball an", sagt er, der einst als Co-Trainer von Felix Magath beim VfL Wolfsburg Stürmer Edin Dzeko während eines Länderspiels in Tschechien sichtete und seinem Chef daraufhin die sofortige Verpflichtung des Bosniers empfahl.

"Wir wollen vielleicht irgendwann die Nummer eins in Franken sein", sagt Aufsichtsratschef Fischer

In der Hinrunde, als die Kickers in den ersten zehn Spielen nur vier Tore schossen, musste Hollerbach sich Kritik gefallen lassen, vor der Saison keine drittliga-taugliche Sturmspitze verpflichtet zu haben. Doch nach der erfolgreichen Aufstiegsrelegation, entgegnet Hollerbach den Kritikern, sei kein passender Spieler mehr auf dem Markt gewesen sei. "Ich wollte kein Risiko eingehen, keine verrückten Sachen machen", sagt Hollerbach - Erfolg um jeden Preis ist in Würzburg mit ihm nicht zu haben. Andere Vereine hätten schon Spieler für die dritte Liga geholt, den Aufstieg dann doch nicht geschafft "und sind daran kaputt gegangen", erklärt er. "Ich habe dann gesagt: Wir schaffen den Klassenerhalt auch so." Nach einer Siegesserie in der Rückrunde kann Würzburg nun nicht nur den Verbleib in der dritten Liga sondern mit den Spielen gegen Duisburg zwei weitere Saisonhöhepunkte genießen.

Ein erneuter Aufstieg würde den Verein allerdings vor große strukturelle Herausforderungen stellen. Allein der dann unumgängliche Umbau des Stadions könnte rund 15 Millionen Euro kosten. Hollerbach sagt: "Auch das würden wir wuppen." Aufsichtsratschef Fischer ist erneut schon einen Schritt weiter. Dem BR sagte er kürzlich: "Wir wollen vielleicht auch irgendwann die Nummer eins in Franken sein."

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SZ vom 20.05.2016
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