Da saß er, das linke Bein über das rechte geschlagen, den Ellenbogen auf die Armlehne gestützt. Zehn Monate zuvor hatte Sebastian Schuppan noch auf dem Feld gestanden und die Würzburger Kickers im letzten Spiel seiner Fußballerkarriere mit einem Elfmeter in die zweite Bundesliga geschossen - nun saß er als Sportvorstand auf diesem Stuhl neben der Auswechselbank, ruhig, fast stoisch, jedenfalls außerstande, irgendetwas auszurichten.
Selbst als Schiedsrichter Sven Waschitzki ein letztes Mal in seine Pfeife blies und das Spiel beendete, zeigte Schuppan keine Regung. Nach dem 1:3 gegen den Vorletzten VfL Osnabrück stand Würzburgs Abstieg zwar fest, doch Schuppan harrte so lange aus, bis ihm Daniel Sauer eine Hand auf die Schulter legte. Dann ließ sich der Vorstandsvorsitzende auf dem Stuhl neben Schuppan nieder. Da saßen sie dann an diesem frühsommerlichen Samstagnachmittag, Sauer, der Mann, der den Verein in den vergangenen Jahren geführt hat und sich in wenigen Wochen aus seinem Amt zurückzieht - und Schuppan, der Mann, der den Kickers nun den Weg in die Zukunft weisen soll.
Dass Würzburg in der nächsten Saison wieder drittklassig ist, lenkt den Blick ja auch deshalb in das Ressort, das Schuppan und Sauer gemeinsam verantworten, weil dort, in der Geschäftsstelle, die strategischen Entscheidungen fallen. Die Entscheidungen, die die Richtung vorgeben und alledem vorausgehen, was später da draußen auf dem Rasen passiert. Was also ist da drinnen schief gegangen im vergangenen Sommer?
Als Schuppan, 34, nicht mehr auf dem Stuhl am Spielfeldrand, sondern im Presseraum des Würzburger Dallenbergstadions saß, da war ihm immer noch deutlich anzumerken, wie sehr ihn die 90 Minuten mitgenommen hatten. War das nicht ein Endspiel gewesen? War es hier nicht um alles gegangen? Und hatte Trainer Ralf Santelli vor dem Spiel nicht gesagt, die Mannschaft sei bereit?
"Ich weiß nicht, ob die Spieler überhaupt noch daran geglaubt haben", sagt Schuppan
Man kam nicht drum herum, all diese Fragen zu stellen. Die Kickers waren es ja selbst gewesen, die sie in der ersten Spielhälfte aufgeworfen hatten. Eine halbe Stunde lang wirkten sie gehemmt, ja fast apathisch, in jedem Fall alles andere als bereit. Auch das war es, was Schuppan nach dem Spiel zu schaffen machte. "Es tut jetzt richtig weh - und das soll's auch, weil sowas will man nicht gerne mehrmals erleben", sagte der Sportvorstand. Er werde Zeit brauchen, um das Spiel und den Abstieg zu verarbeiten - in der Stunde der Niederlage sei jedenfalls nicht daran zu denken, die Saison im Detail zu analysieren. Er, Schuppan, wolle auch "nicht mit dem Finger auf die Leute zeigen", aber, nur so viel: "Es ist ja bekannt, wie viele Trainer diese Saison hier tätig waren." Und, auch dieser Satz ließ ziemlich tief blicken: "Ich weiß nicht, ob die Spieler überhaupt noch daran geglaubt haben."
Schon vor ein paar Wochen hatte Schuppan dem einen oder anderen Spieler vorgeworfen, es mangele an der Einstellung. Wer am Samstagnachmittag dann auf der Pressetribüne saß und der Würzburger Mannschaft in den ersten 45 Minuten dabei zusah, wie sie - ja, was eigentlich tat? -, der erkannte, dass sich am Dallenberg grundsätzlich etwas ändern muss.
Santelli kehrt zum Nachwuchs zurück, er überlässt den Wiederaufbau einem neuen Coach
Bei der Auswahl der Spieler hatten die Verantwortlichen ebenso danebengelegen wie bei ihren Trainer-Entscheidungen. Santelli war nach Michael Schiele, Marco Antwerpen und Bernhard Trares der vierte Coach. Nun werden die Kickers als abgeschlagener Tabellenletzter absteigen und einen Umbruch auf allen Ebenen vollziehen müssen. Santelli kehrt ins Nachwuchsleistungszentrum zurück und überlässt den Wiederaufbau einem neuen Trainer, mindestens 15 Spieler gehen, und auch Berater Felix Magath wird sich aller Voraussicht nach zurückziehen.
Zuvor aber hat Würzburg noch zwei abschließende Spiele zu bestreiten: am Samstag bei Eintracht Braunschweig und eine Woche später gegen den SC Paderborn. 180 Minuten, in denen die Kickers zwar nicht mehr geraderücken können, was sie in 32 Spielen in Schieflage gebracht haben, 180 Minuten aber, die durchaus noch eine Bedeutung haben. Das stellte Schuppan klar, als er am Samstagnachmittag sagte: "Der Fokus sollte jetzt darauf liegen, sich mit Würde zu verabschieden."
Es war ein Satz, der weniger fordernd klang, als ihn Schuppan eigentlich gemeint hatte.