Würzburger Kickers:Konfusion um ein Uhr nachts

v.li.: Ewerton (FC Würzburger Kickers), Simon Terodde (Hamburger SV), Daniel Hägele (FC Würzburger Kickers), 24.10.2020

Mit viel Kampfgeist: Der Verteidiger Ewerton (oben) überzeugte für die Würzburger gegen seinen früheren Verein.

(Foto: Frank Scheuring/imago images)

Die Kickers bleiben Tabellenletzter der zweiten Bundesliga. Gegen den HSV zeigen sie aber eine starke erste Halbzeit - trotz der Verwirrung um drei Corona-Tests.

Von Thomas Hürner

War er da? Gesichtet wurde Felix Magath jedenfalls nicht an jenem Ort, an dem er als sanftbeiniger Spielmacher große Dinge vollbrachte und später erstmals abkehren sollte von den ästhetischen Feinheiten dieses Sports. Im Hamburger Volksparkstadion startete Magath auch sein langjähriges Engagement als Fußballtrainer, wenngleich sich dieses Engagement für seine Spieler eher wie ein strenges Regiment angefühlt haben dürfte. Aus Felix wurde "Quälix", und als dieser erlangte Magath nationalen Ruhm, ehe er nicht mehr ganz so erfolgreich die Welt bereiste und unter anderem in Diensten von Shandong Luneng Taishan in China stand.

Trotzdem könnte es sich hierbei um wertvolle Expertise handeln, denn Magath arbeitet ja inzwischen als "Head of Global Soccer" für eine Onlinedruckerei mit Firmensitz in Würzburg, die als Hauptsponsor und Anteilseigner des örtlichen Fußball-Zweitligaklubs einiges vor zu haben scheint. Ein großes Anspruchsdenken ist Magath natürlich nach wie vor inhärent, und dennoch muss wohl nicht befürchtet werden, dass die Spieler der Würzburger Kickers nach ihrer 1:3-Niederlage am Samstag gegen den Hamburger SV bei ihrem Vorgesetzten Abbitte leisten müssen: Zu kompliziert war die Reise in den Norden, zu gut hat sich der Außenseiter trotz alledem geschlagen, zu groß war auch das sportliche Gewicht des Gegners.

Für Konfusion sorgte eine Nachricht, die gegen ein Uhr nachts in der Würzburger Kommandozentrale einging: Der Abwehrspieler Douglas sowie die beiden Co-Trainer Kurtulus Öztürk und Philipp Eckart seien positiv auf das Coronovirus getestet worden, hieß es aus dem zuständigen Labor. Woraufhin das symptomfreie Trio umgehend isoliert und für den darauffolgenden Morgen eilig eine neue Testreihe für die gesamte Mannschaft anberaumt wurde. Der Essensraum habe ausgesehen "wie ein Testlabor", berichtete der Würzburger Trainer Marco Antwerpen nach dem Spiel gegen den HSV. Die gegen Mittag eingegangenen Befunde waren schließlich ebenso beruhigend wie verwirrend: Alle Mitglieder der Würzburger Reisegemeinschaft waren negativ, jetzt auch Douglas, Öztürk und Eckart. Wie sich später noch herausstellen sollte, war dem Labor ein Fehler bei der Übermittlung der Ergebnisse unterlaufen - und eine professionelle Vorbereitung auf das Zweitligaspiel gegen den Tabellenführer damit "torpediert", wie Antwerpen sagte.

Mit einer engagierten Leistung und aggressivem Pressing stören die Würzburger den Favoriten

Der neue Trainer, seit etwa drei Wochen in Amt und Würden bei den Kickers, obwohl seinem Vorgänger Michael Schiele vor Saisonbeginn noch das absolute Vertrauen von Magath ausgesprochen worden war, wollte daraus jedoch nicht den alleinigen Grund für die Niederlage ableiten. Letztendlich, so Antwerpen, "wissen wir, dass der HSV nicht unsere Kragenweite ist". Und dass die erste Halbzeit trotz allem "sehr, sehr gut" war und die Würzburger da das umgesetzt haben, was sie auf den Platz bringen wollten, war ja nicht nur für den Kickers-Trainer ersichtlich. Das hing zwar auch damit zusammen, dass der HSV fahrig und irgendwie lasch wirkte. Nichtsdestotrotz waren es insbesondere auch die Unterfranken, die mit einer engagierten Leistung und aggressivem Pressing dazu beitrugen. In rhythmischen Abfolgen wurde der Favorit hoch angelaufen, dann postierten sich die Kickers wieder um den eigenen Strafraum. Besonders positiv in Erscheinung trat in der ersten Hälfte der Verteidiger Ewerton, der am letzten Transfertag nach Würzburg gekommen war und über dessen Wechsel ein Hamburger Lokalblatt schrieb: "Fehleinkauf ist weg - Magath erlöst den HSV!"

"Die Krone", fand Antwerpen, war dann aber der gar nicht mal unverdiente Führungstreffer für den Aufsteiger, erzielt von einem anderen Last-Minute-Zugang: Bei einem Eckball ließ der HSV sämtliche Ordnung vermissen, weshalb der Verteidiger Lars Dietz freistehend am langen Pfosten einschießen konnte (40. Minute). Dennoch sei dem Würzburger Coach bewusst gewesen, dass es "in der zweiten Halbzeit nicht so weitergehen wird", unter anderem wegen der "Tormaschine" Simon Terodde in Diensten des HSV. Der Stürmer bewies seine Extraklasse mit zwei Treffern (65./82.), den Schlusspunkt setzte Tim Leibold nach einem Konter (90.). Obwohl die Niederlage dann "in der Summe absolut verdient gewesen" sei, so Antwerpen, hätten er und seine Spieler den Platz etwas gebeutelt verlassen. Die Kickers stehen weiter mit nur einem Punkt am Tabellenende, obwohl Magath vor der Saison bereits von der "Vision Europapokal" sprach. Davon ist aber selbst der traditionsbeladene Spitzenreiter Hamburger SV noch ein Stück entfernt.

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