Süddeutsche Zeitung

Würzburger Kickers:Kein gutes Bild

In den Kickers und Stürmer Marvin Pourié brechen zwei miteinander, die sich eigentlich gebraucht hätten. Wie soll der Klub jetzt im Kampf gegen den Abstieg aus der dritten Liga bestehen?

Von Sebastian Leisgang

An diesem Abend vor gut einem Monat, da klang er noch wie einer, der weiß, wo's langgeht. Als Marvin Pourié Ende November vor dem Kabinentrakt des Würzburger Stadions stand und über den Abstiegskampf der dritten Fußball-Liga sprach, da konnte man meinen, ihm sei klar, was jetzt zu tun ist. Was ihm damals allerdings noch nicht klar war: dass es das letzte Mal sein würde, dass er als Spieler der Würzburger Kickers Fragen von Journalisten beantwortet.

Begegnung also mit Marvin Pourié, ein Dienstagabend vor ein paar Wochen. Die Kickers hatten gerade 0:2 gegen Eintracht Braunschweig verloren, jetzt sprach Pourié über die vorangegangene Saison, in der er noch beim 1. FC Kaiserslautern gespielt hatte. "Da war das so", sagte Pourié, "wir hatten keine andere Wahl, wir durften nicht absteigen. Das hat man uns zum Teil eingeprügelt." Kurze Pause, dann meinte er: "Da standen 5000 Leute vorm Trainingsplatz und haben uns klar gesagt: Ihr solltet besser nicht absteigen mit diesem Verein."

Der Würzburger Mannschaft gehe die Um-jeden-Preis-Mentalität ab, fand Pourié

5000 Leute, da kriecht einem der Schauer ja schon alleine wegen der Pandemie über den Rücken, doch darum ging es Pourié in diesem Moment nicht. Als er die Geschichte aus Kaiserslautern erzählte, stemmte er die Hände in die Hüften, und auch sonst hatte er etwas ziemlich Bestimmendes an sich. Diese Haltung, die die Fans des FCK damals eingefordert hätten, diese Um-jeden-Preis-Mentalität, die gehe der Würzburger Mannschaft gerade ab. "Der Punkt ist, dass die Jungs sowas noch lernen müssen", sagte Pourié und sprach seinen Mitspielern damit die Einstellung ab.

Andere hätten ihre Sätze vermutlich ummantelt, sie hätten sich zurückhaltender geäußert, weniger forsch, doch Pourié klang nur zu Beginn irgendwie väterlich. Tatsächlich war er eher belehrend als fürsorglich, eher appellierend als in Schutz nehmend, und so zeigte sich an diesem Abend Ende November besonders gut, wie Marvin Pourié ist. Wie er sich im Gespräch mit Reportern gibt, aber auch wie er sich im Mannschaftskreis verhält. Und gerade deshalb hilft es ja, sich Pouriés Auftritt nach dem Spiel gegen Braunschweig nochmal ins Gedächtnis zu rufen, jetzt, da die Kickers den Angreifer aus ihrem Kader gestrichen haben und nur noch fernab der Mannschaft trainieren lassen.

Das ist also die Würzburger Geschichte zu Beginn eines Jahres, in dem doch alles besser werden sollte: Da brechen zwei miteinander, ein Verein und ein Spieler, die sich eigentlich gebraucht hätten. Die Kickers Pourié, weil ihre anderen Spieler im vergangenen Jahr offenbar verlernt haben, Tore zu schießen - und Pourié die Kickers, weil er im Laufe seiner Karriere schon für genug Gesprächsstoff abseits des Platzes gesorgt hat. Dass die beiden jetzt aber schon nach einem halben Jahr nicht mehr eins sind, ist ein deutliches Zeichen, dass in der Würzburger Kabine einiges im Argen liegen muss.

Ist es nicht gerade das, was eine gute Gemeinschaft ausmacht: Einzelne einzufangen, wenn sie mal ausbüxen?

Auch die Kickers geben in diesen Tagen ja nicht gerade ein gutes Bild ab. Dass es an Trainer Danny Schwarz war, die Nachricht von Pouriés Aus der Öffentlichkeit zu überbringen, ist ebenso zu hinterfragen wie die Mannschaft, die augenscheinlich alles andere als geschlossen ist, obwohl sie im Abstiegskampf nichts dringender nötig hat, als eine Einheit zu sein. Ist es nicht gerade das, was eine gute Gemeinschaft ausmacht: Einzelne einzufangen, wenn sie mal ausbüxen?

Wer Pourié nun am Telefon hat, um ihm ein paar Fragen zu stellen, der hat es mit einem zu tun, der sich wie ein Anwalt anhört. Pourié trainiert ja noch in Würzburg und ist parallel auf der Suche nach einem neuen Klub, es ist also quasi ein schwebendes Verfahren, von daher: lieber kein Kommentar.

Dass Pourié nach nur 15 Einsätzen und vier Toren nicht mehr für die Kickers spielen wird, wirft auch die Frage auf: Wie soll diese Mannschaft im Abstiegskampf eigentlich bestehen? Saliou Sané hat in 25 Punktspielen für Würzburg exakt vier Tore geschossen, Moritz Heinrich ist bislang weit hinter den Erwartungen geblieben, Maximilian Breunigs Schultern sind längst noch nicht breit genug, um derart viel Verantwortung zu tragen - und ob Marco Hausjell weiterhilft, der im Tausch für Vladimir Nikolov vom österreichischen Partnerklub Mödling gekommen ist, bleibt ohnehin abzuwarten.

Am Donnerstag, als ein Testspiel beim Zweitligisten FC Ingolstadt anstand, da traf Robert Herrmann - am Ende aber verloren die Kickers 1:3, weil Niklas Hoffmann (Eigentor), Filip Bilbija und Merlin Röhl das Spiel drehten.

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