Süddeutsche Zeitung

Würzburger Kickers:Kalte Tage auf der alten Mainbrücke

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Die Kickers haben nur eines der vergangenen sechs Spiele gewonnen - nun treffen sie auf einen direkten Konkurrenten, gegen den sie punkten müssen: Viktoria Köln.

Von Sebastian Leisgang

Man kann die Sache so und so sehen. Man kann es, einerseits, gutheißen, dass am Samstag Viktoria Köln an den Dallenberg kommt, schließlich hat der Aufsteiger seit neun Spielen nicht gewonnen und weiß deshalb vermutlich gar nicht mehr, wie es sich anfühlt, nach 90 Minuten ein Tor mehr geschossen als kassiert zu haben. Man kann der Partie, andererseits, aber auch skeptisch entgegensehen, schließlich haben die Würzburger Kickers in den vergangenen Wochen ja selbst recht selten ein Tor mehr geschossen als kassiert. Und jetzt müssen sie ausgerechnet gegen einen direkten Konkurrenten ran, der ebenfalls nur knapp vor den Abstiegsplätzen der dritten Fußball-Liga rangiert.

Der Spielplan sieht in diesem Kalenderjahr noch drei Spiele vor, ehe er die Würzburger in die Winterpause entlässt. Erst dann, wenn der Ball nicht mehr rollt, können sie sich am Dallenberg in aller Ruhe mit jenen Fragen befassen, die das Team in den vergangenen Wochen aufgeworfen hat. Erst in der Winterpause können die Verantwortlichen hinter verschlossener Kabinentür erörtern, warum diese Mannschaft, die sie im Sommer nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt haben, so häufig Rätsel aufgibt - und ob dennoch zu erwarten ist, dass sie, wie in den beiden Jahren zuvor, in der Rückrunde zu einer Aufholjagd ansetzt.

Es sind kalte Tage in Würzburg, das ist nicht nur am Thermometer abzulesen und daran zu erkennen, dass auf der alten Mainbrücke Glühwein ausgeschenkt wird - es ist auch anhand des Stimmungsbarometers rund um den Dallenberg auszumachen. Es sei stets "ein Geben und Nehmen", sagt Trainer Michael Schiele, "gerade bei einem schlechteren Spiel ist es wichtig, dass die Zuschauer von außen Emotionen reinbringen, die dann aufs Spielfeld überschwappen". Beim jüngsten Heimspiel, dem 1:2 gegen den KFC Uerdingen, hat er das vermisst. Deshalb geht es für die Kickers am Samstag gegen Viktoria Köln auch darum, nicht nur das Spiel, sondern auch den zunehmend missmutigen Anhang wieder für sich zu gewinnen.

Schiele, 41, ist nach wie vor ein sehr geschätzter Mann in Würzburg. Selbst an kalten Tagen wie diesen lässt sich kaum jemand auftreiben, der seine Fachkompetenz anzweifelt - weder vor noch hinter verschlossener Kabinentür. Die Mehrzahl der Fans hat ebenso großes Vertrauen in Schiele wie Sportdirektor Daniel Sauer, dabei haben die Kickers nur eines der vergangenen sechs Spiele gewonnen und in diesem Zeitraum - mit Ausnahme des Unentschiedens in Chemnitz - in unschöner Regelmäßigkeit mindestens ein Tor kassiert (oder sie haben sich eben vorsichtshalber selbst den Ball reingeschossen, wenn es schon nicht der Gegner fertiggebracht hat, wie zuletzt beim 0:1 in Rostock).

Obwohl seine Mannschaft vor dem letzten Heimspiel des Jahres nur noch vier Punkte vor dem Chemnitzer FC und dem ersten Abstiegsplatz steht, wirbt Schiele dafür, die Dinge differenziert zu sehen. Ja, die Leistungen seines Teams seien schwankend, sagt Würzburgs Trainer, aber nein, das sei nicht auf die grundsätzliche Leistungsfähigkeit seiner Mannschaft zurückzuführen, sondern lediglich auf ihre Jugend. Bei Hansa Rostock beispielsweise habe er sieben U23-Spieler in seine Anfangself berufen, "da fehlt dann eben die Abgezocktheit in gewissen Situationen", erklärt Schiele.

An der Qualität an sich hat er keine Zweifel, und tatsächlich hat Schieles Team in dieser Saison schon häufiger als einmal gezeigt, zu was es imstande ist. Aber: Dieser Tage kommen die Kickers wie eine junge Elf daher, die zwar eine verheißungsvolle Zukunft vor sich haben könnte, sich aber mühen muss, um mit den Lasten der Gegenwart fertig zu werden.

Das Duell mit Viktoria Köln sei "wichtig", sagt Schiele. Als Schlüsselspiel will er die Partie des Tabellen-16. gegen den um einen Punkt besser gestellten 15. nicht bezeichnen, obwohl den Würzburgern danach noch zwei anspruchsvolle Auswärtsspiele in Halle und bei Bayern II bevorstehen. Für Schiele geht es am Samstag auch darum, die Fans zu versöhnen - "vor allem, weil wir zu Hause spielen und zuletzt gegen Uerdingen keine gute Leistung abgeliefert haben". Er weiß: Seine Mannschaft ist gut beraten, in Vorleistung zu gehen - dann sorgt auch das Publikum dafür, dass Emotionen von den Tribünen aufs Spielfeld schwappen.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2019
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