Aus gegebenem Anlass erst einmal ein Rückblick auf diesen Samstag vor fünf Jahren, einen August-Abend im Süden Würzburgs. Die Stadt hatte die meisten Weinfeste zwar schon hinter sich, doch an diesem Tag gab es noch einmal was zu feiern. In der ersten Runde des DFB-Pokals war die TSG Hoffenheim zu Gast, ein Bundesligist, dem die Würzburger Kickers einen epischen Kampf lieferten.
Wer damals auf der Tribüne saß, wird sich bis heute erinnern. Es war das mitreißendste, ja wahrscheinlich das beste Spiel, das je am Dallenberg zur Aufführung kam. Hier die Kickers, ein Drittligist – und dort die Hoffenheimer, die es in der vorangegangenen Saison in der Champions League mit Manchester City aufgenommen hatten. Hätte ein Duell ungleicher sein können? Hätte ein Duell reizvoller sein können?
Als das Spiel gespielt war, sprach der damalige Würzburger Fabio Kaufmann von einer „Liebesgeschichte über 120 Minuten“, einer „Lovestory, wie sie keiner besser hätte schreiben können“. Trotz des Ausscheidens im Elfmeterschießen waren die Würzburger Herzen nicht gebrochen, im Gegenteil: Die Kickers hatten sich derart aufgeopfert, dass alle hinterher nur eines empfanden: Stolz.
Sebastian Neumann, 33, spielte damals noch für den MSV Duisburg, heute ist er Würzburgs Sportdirektor und entgegnet auf die Frage, ob das, was sich damals zugetragen hat, am Freitagabend wieder passieren könnte, wenn Hoffenheim erneut nach Würzburg kommt: „Ich hoffe es. Wenn wir das auf den Platz bringen, was wir zuletzt gegen Ansbach in der zweiten Halbzeit auf den Platz gebracht haben, könnte eine Überraschung möglich sein.“
Wenn der Aufstieg wieder nicht gelingt, ist es wohl aus mit den professionellen Strukturen
Beim 5:0 in der vergangenen Woche in der Regionalliga schossen die Kickers in der zweiten Hälfte vier Tore und zeigten all das, was sich das Publikum von ihnen verspricht: Offensivfußball, der erfolgreich ist und die Leute mitnimmt. Das Problem ist nur: Die Mannschaft bewegt sich in einem Spannungsfeld, das es in sich hat. Einerseits haben die Kickers einen gewaltigen Umbruch vollzogen und benötigen deshalb Zeit, um sich zu finden und die Ideen ihres neuen Trainers Markus Zschiesche zu verinnerlichen – andererseits haben sie gerade alles, nur eines nicht: Zeit.
„Es macht keinen Spaß, im Bus von Burghausen nach Würzburg zu sitzen, sich anzuschauen und sich zu fragen: Was ist da eigentlich passiert?“, sagt Neumann und spielt damit auf das dritte Saisonspiel an, als die Kickers 0:2 verloren und vor Augen geführt bekamen, was es heißt, als Favorit durch den Freistaat zu fahren. Druck kann einer Mannschaft Beine machen, er kann sie aber auch lähmen; und bis zum Ansbach-Spiel hatte man eher den Eindruck, als seien die Ambitionen eher Last als Antrieb.
„Wir brauchen Geduld. Wir brauchen Ruhe. Wir brauchen Zeit, die wir nicht haben“, sagt Neumann und klingt wie ein Arzt, den alle nach der Diagnose fragen, obwohl er die Untersuchungen noch gar nicht abgeschlossen hat. Der FWK war in den vergangenen Jahren ja tatsächlich so etwas wie ein Patient. Erst der Absturz in die Regionalliga, dann beinahe das finanzielle Aus und schließlich auch noch zwei vergebliche Versuche, in die dritte Liga zurückzukehren: Die Kickers haben harte Zeiten durchgemacht, und jetzt, da sie ins dritte Regionalliga-Jahr gegangen sind, bleibt ihnen, um noch mal das Bild zu bemühen, nur noch eine allerletzte Chance, als Profiverein zu überleben.
Wenn der Aufstieg wieder nicht gelingt, ist es wohl aus mit den professionellen Strukturen – und das in einer Situation, in der auch andere Klubs die Gunst der Stunde nutzen wollen, da der Meister in dieser Saison direkt aufsteigt und nicht den Weg über die Entscheidungsspiele gehen muss. Genau genommen ist jener Weg eher ein Umweg, aber man könnte auch sagen: ein Unweg, weil es ja nicht nur ein Ding ist, als Meister nicht aufzusteigen, sondern auch ein Unding.
Am Ende war es ein einziger Schuss im Elfmeterschießen, der über Wohl und Wehe der gesamten Saison entschied
Im Vorjahr sind die Kickers auf den letzten Metern an der zweiten Mannschaft von Hannover 96 gescheitert. Am Ende war es ein einziger Schuss im Elfmeterschießen, der über Wohl und Wehe der gesamten Saison entschied und Würzburg regelrecht erstarren ließ. Für ein paar Tage wirkte der Verein fast bewegungsunfähig, dann begann der x-te Wiederaufbau. Neuer Trainer, neue Spieler – und diesmal soll alles ein besseres Ende nehmen.
„Wir haben alle ein Ziel“, betont Neumann, „dafür müssen wir von Anfang an Ergebnisse einfahren, und die Mannschaft ist auch gut genug, um das zu schaffen.“ Würzburgs Sportdirektor ist zuversichtlich, er weiß aber auch, dass die Kickers mit ihren Ambitionen nicht alleine dastehen. „Viele schieben uns die Favoritenrolle zu“, sagt Neumann, „aber wenn man sieht, wie sich Illertissen, Schweinfurt und Bayern verstärkt haben, ist klar, dass sie sich auch Hoffnungen machen.“
Nur: Der Unterschied zwischen Würzburg und den anderen ist, dass Würzburg keine Wahl hat. Der Aufstieg dürfte die letzte Überlebenschance sein, die dem Profifußball bei den Würzburger Kickers noch bleibt.