Würzburger Kickers:Held im Hemd

2. Bundesliga; FC Wuerzburger Kickers - Hannover 96; 22.11.2020 Sebastian Schuppan (Vorstand FC Wuerzburger Kickers) hie

Kritik im Fernsehen: In seiner Funktion als Kickers-Sportvorstand hat sich Sebastian Schuppan nun schon zwei Mal mit den Schiedsrichtern angelegt.

(Foto: Julien Christ/Beautiful Sports/imago)

Ob Bernd Hollerbach oder Michael Schiele: Jahrelang war es der Trainer, der den Würzburger Kickers ein Gesicht gab. Das soll sich nun ändern - mit Sebastian Schuppan, der seit drei Wochen das Amt des Sportvorstands bekleidet. Über einen Mann auf heikler Mission.

Von Sebastian Leisgang

Wenn sich etwas ändert, geht immer auch etwas verloren. Das ist es, was man im Hinterkopf haben sollte, wenn man dieser Tage über die Würzburger Kickers im Großen und über Sebastian Schuppan im Kleinen nachdenkt.

Die Kickers haben sich enorm verändert in den vergangenen Monaten. Seit Januar mischt Felix Magath als Investoren-Berater mit, im Sommer ist der Spielerkader runderneuert worden, im September musste der Trainer gehen, ein anderer kam und ging dann auch wieder, jetzt ist schon der dritte da, und auf einmal gibt es in Würzburg einen Sportvorstand. Alles im Fluss also. Wer kann sich da tatsächlich wundern, dass die Kickers in der Stadt eine Menge Kredit und in der zweiten Bundesliga acht ihrer zehn Fußballspiele verloren haben?

Eine Woche ist es her, dass Schuppan, 34, im Lokal des Dallenbergstadions saß. Es war zu spüren, dass ihm die frische Erinnerung an das 1:2 in Regensburg aufs Gemüt drückte. Schuppan definiert sich im Amt des Sportvorstands zwar als Mannschaftsspieler, aber es ist ja auch sein Werk, das da gerade im Abstiegskampf auf dem Spiel steht. Drei Jahre lang hat er die Knochen in guten wie in schlechten Zeiten hingehalten, er hat die Kickers als Kapitän angeführt, und er hat sie Anfang Juli gegen den Halleschen FC mit dem letzten Schuss seiner Karriere zurück in die zweite Liga gebracht.

Sowas schweißt Menschen zusammen. Auch Schuppan und die Kickers, für die er sich 2017 auch deshalb entschieden hat, weil er sonst kaum Alternativen hatte. 116 Spiele später steht Schuppan dem Klub in verantwortlicher Position vor und kämpft mit neuen Waffen darum, dass Würzburg bald wieder zu den Gewinnern gehört.

Nur: Ist Schuppan da auf dem rechten Weg?

Die Kickers, und damit ein kleiner Exkurs, waren immer ein Trainerverein. Bernd Hollerbach überstrahlte den gesamten Klub schon bei Amtseintritt, später war Michael Schiele so nahbar und natürlich, dass es auch ihm gelang, Würzburg ein Gesicht zu geben. Dass es aber nicht nur an der Seitenlinie, sondern auch in den Geschäftsräumen einen braucht, der für die Kickers steht, einen, der Ahnung vom Fußball hat, "das", sagt Schuppan im Lokal, "das wusste ich die ganze Zeit. Das wussten alle im Verein." Und das Duo könnte ja tatsächlich passen: Geschäftsführer Daniel Sauer, der Zahlenmensch. Und Schuppan, der Fußballer, der zwar das Trikot gegen ein Hemd eingetauscht hat, aber noch immer wie ein Spieler denken kann, wenn's drauf ankommt.

Am Wochenende, so sieht es Schuppan, kam's mal wieder drauf an. Sören Storks, der Schiedsrichter beim 2:3 gegen Sandhausen, hatte eine folgenreiche Entscheidung gegen die Kickers getroffen. Er wertete eine Grätsche von Leroy Kwadwo als Foulspiel, Sekunden später lag Würzburg 1:2 zurück. Das veranlasste Schuppan im Nachgang vorzurechnen, dass es bereits die fünfte "krasse, spielentscheidende Fehlentscheidung" gegen die Kickers gewesen sei.

Drei Wochen Amtszeit und zwei heftige Schiedsrichter-Anklagen - damit stellt er sich in eine Ecke

Schon zu Spielerzeiten, das muss man wissen, ist Schuppan für seine Meinung eingetreten. Die Gespräche mit ihm hatten stets etwas Erfrischendes in Zeiten aalglatter Fußballprofis, die sich in aller Regel nur noch mit ermüdender Schablonenhaftigkeit äußern. Andererseits, es hat natürlich auch etwas Widersprüchliches an sich, die Spieler für ihre Gleichförmigkeit zu geißeln, sie aber auch dazu zu erziehen, indem man sie für jede noch so nebensächliche Verfehlung tadelt.

Ist es, zumindest vor diesem Hintergrund, nicht zu begrüßen, dass Schuppan deutliche Worte in Richtung der Schiedsrichter formuliert?

Würzburgs Sportvorstand ist erst seit Mitte November im Amt. Schon in der Vorwoche, nach der Niederlage in Regensburg, hat er die Unparteiischen harsch kritisiert. Und ja, vielleicht billigt die Zahl der Fehlentscheidungen sogar seine Haltung, doch: Drei Wochen Amtszeit und zwei heftige Anklagen - damit stellt sich Schuppan selbst in eine Ecke.

Im Lokal, das sei zum Abschluss noch erwähnt, sprach Schuppan auch über den Elfmeter, mit dem er Würzburg zum Aufstieg geschossen hatte. An jenem Julitag, so erzählte er es, habe seine Frau den Elfmeterpunkt aus dem Rasen geschnitten und samt Spielball in einen Glaskasten gesetzt. Dieser Glaskasten stehe jetzt im gemeinsamen Schlafzimmer. Er ist: eine Erinnerung an den emotionalsten Augenblick in Schuppans langer Karriere.

Kurzbehost, abgekämpft und schweißgebadet, so war Schuppan ein Held, als er den Ball aus elf Metern ins Tor trat. Und Helden, vielleicht ist auch das Teil der Wahrheit, wenn man über den Sportvorstand Schuppan nachdenkt, Helden haben es nie leicht, wenn sie das Spielfeld verlassen.

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