Würzburger Kickers:Ein bisschen frech

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Herausragend: Gegen Türkgücü ist Marvin Pourié (am Ball, dahinter Alexander Sorge) der beste Würzburger. (Foto: Julien Christ/imago)

Beim 2:1 gegen Türkgücü wird deutlich, mit welch ungewöhnlichem Ansatz die Würzburger Kickers den Abstiegskampf angehen

Von Sebastian Leisgang

Am Samstagnachmittag war Torsten Ziegner plötzlich wieder da. Ein bisschen merkwürdig war das alles zwar schon, der ehemalige Trainer der Würzburger Kickers ließ sich ja gar nicht im Presseraum des Dallenbergstadions blicken, und man hörte nach dem 2:1 gegen Türkgücü München auch niemanden, der "Oddnung" sagte, als er "Ordnung" meinte - doch in den Analysen nach dem Spiel, da war Ziegner allgegenwärtig.

Es ist ein üblicher Reflex nach einem Trainerwechsel, bei jeder einzelnen Spieleraussage besonders aufmerksam zwischen den Zeilen zu lesen und das Gesagte dann gegen den Trainer zu verwenden, der gerade gegangen ist. Wenn einer also sagt, es mache jetzt wieder Spaß auf dem Platz, dann lässt sich das ja auch so verstehen: Jetzt wieder, uiuiui, vorher, mit dem anderen, da war das also nicht so.

"Wir haben ein gutes Positionsspiel, anstatt vogelwild hin und her zu rennen."

Am Samstagnachmittag sagte Würzburgs Innenverteidiger Tobias Kraulich: "Was anders ist, ist, dass wir jetzt Fußball spielen." Und Mittelfeldmann Fanol Perdedaj meinte: "Wir pressen jetzt, lassen den Ball super laufen, sehen die Lücken und haben ein gutes Positionsspiel, anstatt vogelwild hin und her zu rennen."

Es ist ein ziemlich interessantes Experiment, das die Kickers da gerade wagen. Ein bisschen frech ist es zwar schon, aber Danny Schwarz und seine Mannschaft haben sich offensichtlich entschieden, sich einfach nicht um die Gesetze des Abstiegskampfs zu scheren. Wer am Samstagnachmittag beim Spiel gegen Türkgücü auf der Würzburger Tribüne saß, der sah keinen Kämpfen-Kratzen-Beißen-Fußball. Die Kickers stellten sich nicht bloß hinten rein, wie das in der Fachsprache heißt, und sie schlugen den Ball auch nicht einfach nach vorne und hofften dann auf Marvin Pourié, Standardsituationen und den Fußballgott.

Die Kickers, das war die zentrale Erkenntnis der 90 Minuten, spielen jetzt wieder Fußball.

"Ich glaube, dass viele Gegner überhaupt nicht damit rechnen, wenn wir plötzlich hinten rausspielen, weil sie denken, dass wir dafür gar kein Selbstvertrauen haben", sagte Kraulich, "aber man sieht, dass wir es können und dass es eine Variante ist, die uns sehr gut tut."

Wie gut, das war am ehesten an David Kopacz auszumachen. Würzburgs Mittelfeldmann ist einer dieser Spieler, an denen sich besonders genau erkennen lässt, wie es gerade um eine Mannschaft bestellt ist. Wenn es nicht läuft, schlurft Kopacz mit hängenden Schultern über den Platz und bringt dabei kaum einen Fuß vor den anderen. Wenn es aber läuft, dann könnte es sein, dass man diesen Kopacz nicht nur beim Slalomlauf durch die gegnerischen Abwehrreihen ertappt, sondern sogar beim Grätschen an der Seitenlinie.

Pourié ging derart voran, dass seine Mitspieler gar nicht anders konnten, als ihm zu folgen

Am Samstag lief es. Kopacz, 22, war in der ersten Hälfte einer der Auffälligsten und brachte in der zweiten mit einer Ecke das 1:0 durch Kraulich auf den Weg. Später traf Pourié zum 2:0, und auch an der Körpersprache des Würzburgs Mittelstürmers ließ sich gut ablesen, wie viel Schwarz in nicht einmal zwei Wochen bewegt hat. Pourié, 30, hatte ja schon bei Schwarz' Einstand getroffen und den Kickers damit zu einem 1:1 bei Viktoria Köln verholfen. Jetzt, gegen Türkgücü, da war Pourié der beste Spieler auf dem Feld. Seine Leistung war auch deshalb so erstaunlich, weil er in dieser Saison auch schon Sätze gesagt hat wie: "Wenn Sie jemanden kritisieren wollen, dann fangen Sie bei mir an und hören bei mir auf."

Als es nun darum ging, das Spiel gegen Türkgücü einzuordnen, da kam man ebenfalls nicht umhin, bei Pourié anzufangen und bei ihm aufzuhören. Pourié hatte ja nicht nur das 2:0 erzielt, er war auch schon vor der Pause vorangegangen und hatte seine Mitspieler derart mitgerissen, dass diese gar nicht anders konnten, als ihm zu folgen. Und als sich die Zuschauer auf der Haupttribüne in den letzten Minuten erhoben und ihre Mannschaft beklatschten, da hatte der erste Heimsieg seit Februar vor allem wegen Pourié Konturen angenommen.

Damals gewannen die Kickers 3:2 gegen den HSV, auf der Bank saß ein gewisser Bernhard Trares, und in der Würzburger Startelf standen zehn andere Feldspieler als am Samstag gegen Türkgücü. Seitdem ist viel passiert - jetzt soll mit Schwarz alles besser werden.

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