Würzburger Kickers:Ein aussichtsloser Kampf

Hendrik Bonmann (Torwart, Würzburg, 39) liegt auf dem Rasen, enttäuscht über die Niederlage, Enttäuschung nach dem Schl

Viele Fragezeichen trotz Trainerwechsel: Das 0:1 gegen Sandhausen war bereits die 18. Niederlage der Kickers in dieser Saison.

(Foto: Oliver Zimmermann/foto2press/Imago)

Würzburgs Nachholspiel in Hannover ist das erste von acht Abschiedsspielen des Tabellenletzten der zweiten Fußball-Bundesliga. Zusätzlich zur sportlichen Krise beschäftigen die Kickers Identifikationsfragen - und der bevorstehende Umbruch.

Von Sebastian Leisgang

Am Mittwochmorgen veröffentlichten die Würzburger Kickers ein Foto, das ihren Torhüter Hendrik Bonmann zeigte. Bonmann stand vor einer weißen Wand, lächelte und stemmte seine Hände in die Hüften. Er trug, und darum ging es den Kickers, ein schwarzes T-Shirt mit dem Vereinsemblem inmitten eines roten Herzens. Im Grunde war das Foto kaum der Rede wert, es wies ja bloß auf einen Artikel aus dem Fanshop hin. Das aber war es nur im Kleinen, ein Kaufanreiz, Werbung. Im Großen, Stichwort Herz, berührte das Foto auch eine Debatte, die Sportvorstand Sebastian Schuppan am vergangenen Sonntag nach dem 0:1 in Sandhausen losgetreten hatte.

Schuppan, 34, sprach dem einen oder anderen seiner Fußballer ab, sich mit dem Klub zu identifizieren. Nicht jeder lasse sich auf die Kickers ein, und das mache sich dann eben auch auf dem Platz bemerkbar, sagte Schuppan - und löste damit eine Diskussion aus, die das Umfeld auch vor dem Nachholspiel an diesem Donnerstag bei Hannover 96 noch beschäftigt.

Zwei Tage nach Schuppans Kritik saß Christian Strohdiek im Medienraum des Dallenbergstadions bei der turnusmäßigen Pressekonferenz vor der nächsten Partie. Es sollte noch einmal um Sandhausen gehen, um Hannover, um den Abstiegskampf, in dem sich der Kampf kaum noch lohnen dürfte, weil der Abstieg schon besiegelt zu sein scheint. Die Journalisten waren noch nicht zugeschaltet, doch die Kamera lief bereits. Verteidiger Strohdiek fuhr sich über seinen Kickers-Pullover, dann lachte er und sagte: "Passt ja ganz gut, dass ich den Pulli mitgenommen habe. Bezüglich der Identifikation."

Seit 2014 ist stets eine zweistellige Zahl an Spielern gekommen und gegangen

Bonmanns T-Shirt im Kleinen, Schuppans Tadel und Strohdieks Spruch im Großen, all das lässt sich einer Debatte zuordnen, bei der es auch um diese Fragen geht: Sollte es für einen Spieler nicht selbstverständlich sein, sich jenem Verein ganz und gar zu verschreiben, dessen Farben er repräsentiert? Ist es nicht Grundvoraussetzung, sich Spiel für Spiel bedingungslos einzusetzen? Andererseits: Wie sehr kann sich ein Fußballer überhaupt mit einem Verein identifizieren, bei dem immer alles im Fluss ist?

Knapp sieben Jahre ist es nun her, dass Bernd Hollerbach als Trainer und Sportdirektor nach Würzburg zurückgekehrt ist und seinen Jugendverein aus der Regionalliga in den professionellen Fußball geführt hat. Seitdem ist eine Menge passiert. Zwei Aufstiege, ein Abstieg, Hollerbachs Rücktritt, der Fehlgriff mit Stephan Schmidt, der Neuaufbau unter Michael Schiele, der erneute Aufstieg - und nun eine höchst turbulente Saison, in der mit Ralf Santelli bereits der vierte Trainer an der Seitenlinie steht und die Fans die Partien nur am Fernsehbildschirm verfolgen können.

Wie viel Identifikation ist da möglich?

Seit 2014 ist stets eine zweistellige Zahl an Spielern gekommen und gegangen, Sommer für Sommer, Saison für Saison. Dass die meisten nicht lange bleiben, zeigt sich am derzeitigen Kader. Hendrik Hansen, Dominik Meisel und Dominic Baumann spielen seit 2017 am Dallenberg, Daniel Hägele kam 2018, der Rest später.

16 von 31 Würzburger Spielern haben im Abstiegsfall keinen gültigen Vertrag mehr

Auch in diesem Sommer wird es einen Umbruch geben. 16 der 31 Spieler haben keinen Vertrag für die dritte Liga - und von den anderen 15 dürfte sich so mancher eine Ausstiegsklausel zunutze machen, um den Verein zu verlassen. Dann wird Schuppan, rund um die Verbliebenen, eine neue Mannschaft zusammenstellen. Offen ist nur, wen der Sportvorstand mit der Führung dieser Mannschaft betraut. Einzelne Spieler sehnen sich nach einer Rückkehr von Schiele; ob Santelli eine Zukunft als Würzburger Trainer hat, dürfte auch von den nächsten Ergebnissen abhängen.

Sein Einstand zumindest brachte nicht jenen Schwung, den sich die Verantwortlichen nach der Trennung von Bernhard Trares erhofft hatten. Die erste Hälfte in Sandhausen sei "unerklärlich" und habe, so formulierte es Strohdiek am Dienstag, "viele Fragezeichen" aufgeworfen, da die Mannschaft "kaum ein Bein auf den Boden bekommen" habe. Das aber, fand der Innenverteidiger, sei in erster Linie dem Team anzulasten: "Wir als Spieler müssen uns fragen, ob wir das abgerufen haben, was es braucht, um Punkte zu holen. Es ist zu wenig, nur auf die Karte Glück und Schiedsrichterentscheidungen zu setzen."

An diesem Donnerstag in Hannover, auch das sagte Strohdiek noch, gehe es nicht zuletzt darum: "dass jeder sein Ego hinten anstellt". Auf den letzten Metern einer verkorksten Saison ist es jetzt, das dürfte Strohdiek gemeint haben, eine Frage des Charakters.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: