Würzburger Kickers:Am Abgrund

Würzburger Kickers: Enttäuschung nach dem Schlusspfiff: Saliou Sane (vorne) und Robert Herrmann.

Enttäuschung nach dem Schlusspfiff: Saliou Sane (vorne) und Robert Herrmann.

(Foto: Frank Scheuring/Foto2press/Imago)

Ausgerechnet der frühere Erfolgstrainer Michael Schiele versetzt Würzburg den wohl finalen Stoß - jetzt ist der zweite Abstieg der Kickers in Serie kaum noch abzuwenden.

Von Sebastian Leisgang

Zuerst eine Erinnerung an ein Treffen mit Michael Schiele, etwas mehr als ein Jahr ist es jetzt her. Ein Freitagabend im Spätwinter von Dorfmerkingen, einem kleinen Ort zwischen Aalen und Nördlingen, Schiele saß bei einem schwäbischen Wurstsalat an seinem Esstisch im Wohnzimmer, draußen vor der Terrassentür war längst die Dunkelheit über Dorfmerkingen hereingebrochen.

Jetzt, da Schiele die Idylle seines Heimatdorfs genießen konnte und sich die Zeit damit vertrieb, an sonnigen Tagen vor dem Haus Holz zu hacken, da wirkte er ziemlich locker und ausgeglichen. Als es dann aber im Gespräch irgendwann um die Würzburger Kickers ging, um seine abrupte Entlassung nach nur zwei Spieltagen, da war ihm schon anzumerken, wie sehr ihm der Klub ans Herz gewachsen war.

Fast ein halbes Jahr war seine Freistellung mittlerweile her. Als er über sein jähes Aus sprach, wurde noch einmal deutlich, wie nahe es ihm damals gegangen war. Drei Jahre lang war Schiele ja der Konstrukteur des Würzburger Erfolgs. Gemeinsam mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Daniel Sauer legte er erst das Fundament, dann baute er nach und nach jene Mannschaft auf, die er schließlich in die zweite Liga führte, ehe er schon Ende September entlassen wurde.

Dass es so weit kommen konnte, hat eine Menge mit den Fehlentscheidungen des vergangenen Sommers zu tun

All das muss man im Hinterkopf haben, wenn man jetzt über dieses Spiel nachdenkt, das die Kickers am Samstagnachmittag bestritten haben. Als Schiele, 43, im Nachgang im Medienraum saß, grauer Pullover, das Emblem von Eintracht Braunschweig auf der Brust, da ließ er zunächst die 90 Minuten Revue passieren, bevor er auf einmal ins Stocken geriet. Er wollte den Würzburgern Mut zusprechen, ein bisschen Trost, aufmunternde Worte für die nächsten Wochen, er wusste aber, dass die Lage jetzt ziemlich aussichtslos ist. "Es wird ganz eng", sagte Schiele und hängte dann den pflichtgemäßen Satz an: "Aber die Hoffnung ist immer da, solange es noch möglich ist."

Vier Spiele vor Saisonende sind es zehn Punkte, die Würzburg von einem Nichtabstiegsplatz trennen. Der Gang in die Regionalliga ist so gut wie besiegelt, und seinen Anfang, das weiß man mittlerweile, hat der Absturz schon im September 2020 mit Schieles Entlassung genommen. Die Entscheidung, die der damalige Klubberater Felix Magath traf, brachte nicht weniger als den gesamten Verein ins Wanken. Was folgte, waren chaotische Monate mit zig Trainern, die kamen und gingen - und jetzt stehen die Kickers am Abgrund.

"Wir wussten, dass wir auf einen guten Gegner treffen, der zu Unrecht da hinten steht, aber die Seuche am Fuß hat", sagte Schiele am Samstag. Es war ein höflicher Satz, aus Anstand geformt; dass es aber nichts Höheres, sondern etwas Hausgemachtes ist, das die Kickers nach sieben Jahren zurück an die Schwelle zum Amateurfußball gebracht hat, das hat sich im Laufe dieser Saison wieder und wieder gezeigt. Das 0:1 am Samstag war ja nur der finale Stoß im Abstiegskampf, jene 90 Minuten, die Würzburg endgültig die Gewissheit verschafften, dass es nicht reichen wird.

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, hat eine Menge mit den Fehlentscheidungen des vergangenen Sommers zu tun. Nach dem Abstieg aus der zweiten Liga war es am damaligen Sportvorstand Sebastian Schuppan, den Wiederaufbau in die Wege zu leiten. Torsten Ziegner mit dem Traineramt zu betrauen, erwies sich dann aber ebenso als Fehler wie die Zusammenstellung des Kaders. Die Kickers gewannen kein einziges der ersten acht Spiele und fanden auch dann keinen Halt, als nicht mehr Ziegner, sondern Danny Schwarz an der Seitenlinie stand. Inzwischen leitet ein dritter Trainer, Ralf Santelli, die Mannschaft an - es hatte aber etwas für sich, dass es am Samstag in Braunschweig Philipp Eckart war, der sich nach dem Spiel das Podium des Presseraums mit Schiele teilte. Weil Santelli beim vorangegangenen 1:2 gegen Kaiserslautern Rot gesehen hatte, sprang Eckart ein, der Mann also, der schon unter Schiele als Assistenztrainer für die Kickers gearbeitet hat.

Seit dieser Zeit verbindet die beiden ein dickes Band. Dass nun ausgerechnet Schiele und Eckart nach der wohl entscheidenden Würzburger Niederlage nebeneinander saßen, war ein spezieller Moment. Es wird, daran führt kein Weg mehr vorbei, eines der letzten Bilder sein, die einem vom Drittligisten Würzburger Kickers im Kopf bleiben.

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