Würzburger Kickers:Der Visionär will nicht mehr

Würzburger Kickers: Der Anfang vom Ende: Im Januar 2020 stellte Thorsten Fischer (rechts) Felix Magath als Berater seines Fußball-Unternehmens vor.

Der Anfang vom Ende: Im Januar 2020 stellte Thorsten Fischer (rechts) Felix Magath als Berater seines Fußball-Unternehmens vor.

(Foto: Julien Christ/Beautiful Sports/imago)

Zwischen den Würzburger Kickers und Thorsten Fischer hat sich ein derart breiter Graben aufgetan, dass sich der Vorsitzende des Aufsichtsrats zurückzieht. Es ist eine Zäsur, die fundamentale Folgen haben könnte.

Von Sebastian Leisgang

Natürlich kommen einem nochmal diese Bilder in den Kopf, jetzt, da das Ende feststeht. Thorsten Fischer, wie er Torwart Robert Wulnikowski nach der überstandenen Relegation gegen den 1. FC Saarbrücken um den Hals fällt, Thorsten Fischer, wie er Trainer Bernd Hollerbach mit Champagner bespritzt, Thorsten Fischer, wie er in der Stunde des ersten großen Erfolgs auf einmal selbst unter einer Sektdusche steht.

Fast sieben Jahre ist das mittlerweile her, eine Zeitspanne, in der sich bei den Würzburger Kickers eine Menge getan hat. Der Klub ist ja nicht nur 2015 in die dritte Liga aufgestiegen und damit nach 37 Jahren in den professionellen Fußball zurückgekehrt - 2016 war er sogar Zweitligist und spielte plötzlich nicht mehr gegen Eintracht Bamberg und den TSV 1860 Rosenheim, sondern gegen Eintracht Braunschweig und den TSV 1860 München. Die treibende Kraft dieser außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte: Thorsten Fischer, Hauptsponsor, Anteilseigner und Vorsitzender des Aufsichtsrats.

Schon 2009 stieg Fischer als Geldgeber ein und bereitete all das vor, was später kam. Fischer war es, der die Kickers in der fünftklassigen Bayernliga zum Leben erweckte, er war es, der den Kickers wieder einen Namen machte, er war es, der jenes Projekt anstieß, das die Kickers nach Bielefeld, Bochum und Berlin führte. Jetzt aber, da Würzburg wieder Richtung Regionalliga taumelt, da sei es an der Zeit, sagt Fischer, "dass sich die strategischen und operativen Verantwortlichkeiten neu ordnen und breiter aufstellen sollten". Fischer, der Visionär, will nicht mehr.

Würzburg im Europapokal? Das klang schon damals vollkommen absurd

Ein Schwenk an den Würzburger Stadtrand, dorthin, wo Fischers Druckerei ihre Geschäftsräume hat. Zwei Jahre ist es mittlerweile her, ein düsterer Vormittag Ende Januar, doch im siebten Stock des Hochhauses leuchtete es. Rund dreißig Journalisten drängten sich um ein Podium, auf dem nicht nur Fischer, sondern auch er Platz nehmen sollte: Felix Magath, einst Europameister und deutscher Meister, jetzt Meister der großen Worte.

An jenem Wintertag saßen Fischer und Magath zwar längst auf Augenhöhe mit den Würzburger Weinbergen, weit oben über den Dächern der Stadt - es dauerte aber nicht allzu lange, bis klar wurde, dass die beiden noch höher hinauswollten. Fischer verglich Magath mit Franz Beckenbauer, Magath sprach davon, dass er jetzt nicht mehr Spieler, sondern ganze Vereine entwickeln wolle, und nur ein paar Monate später, da scheute Magath auch nicht davor zurück, das Wort Europapokal in den Mund zu nehmen, als er nach seinen Plänen mit den Kickers gefragt wurde.

Würzburg im Europapokal? Das klang schon damals vollkommen absurd, doch vor dem Hintergrund der Krise, die die Kickers gerade durchmachen, da mutet es noch weltfremder an. Gerade geht es ja nur noch darum, im Abstiegskampf der dritten Liga den Totalschaden abzuwenden; Magath hat sich ohnehin längst zurückgezogen, und Fischer findet mittlerweile, dass der Verein in der Regionalliga besser aufgehoben wäre.

Fischer spricht sich für "eine nachhaltige Strategie" aus, "um zu einem späteren Zeitpunkt in die dritte Liga zurückzukehren"

Wohin der Weg der Kickers führen soll, worauf die Schwerpunkte in den nächsten Jahren liegen mögen, bei diesen Fragen hat sich in den vergangenen Wochen offenbar ein Graben aufgetan zwischen Fischer und dem Klub. Nichts anderes ist es ja, wenn sich Fischer in einer Stellungnahme für "eine nachhaltige Strategie" ausspricht, "um zu einem späteren Zeitpunkt in die dritte Liga zurückzukehren" - während der Verein sein Augenmerk "vor allem auf den Erhalt der Zugehörigkeit zur dritten Liga richtet".

Um im Abstiegskampf doch noch die Wende herbeizuführen, haben die Kickers erst in den vergangenen Tagen aufgerüstet. Vier neue Spieler sind in der Winterpause schon gekommen, die Botschaft, die der Verein mit all den Personalien hinausschickte, war klar: Das war's noch nicht.

Die Kickers wollten den Kampf annehmen, sie wollten sich der Aufgabe stellen und alles dafür tun, zumindest vier Mannschaften in der Tabelle hinter sich zu lassen - da ist es ein fatales Signal, dass Fischer offen von der Regionalliga spricht, sich nun zurückzieht und dem Klub, wie er am Montag verkündete, nur noch "als Sponsor und Ratgeber erhalten und verbunden" bleibt.

Welche Folgen Fischers Rückzug in einer ohnehin schon prekären Lage haben könnte, wird sich nicht nur auf dem Rasen, sondern auch abseits des Feldes zeigen. Schon jetzt haben die Kickers mit all dem Chaos in den vergangenen Monaten eine Menge Kredit bei Fans und Sponsoren verspielt. Die Krise ist ja längst keine mehr, die ausschließlich die Kabine betrifft.

An diesem Dienstag sind die Kickers beim VfL Osnabrück zu Gast. Es ist das 23. Saisonspiel, vor allem aber ist es: Spiel eins nach dem Beben am Dallenberg.

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