Würzburger Kickers:Der Trümmermann

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Soll die Würzburger Kickers wieder aufbauen: Michael Schiele.

(Foto: Jan Huebner/imago)

All die Rochaden in diesem Sommer zeigen: Würzburg ist ein auf den Trainer zentrierter Klub. Michael Schiele arbeitet an einem Wiederaufbau.

Von Sebastian Leisgang

Michael Schiele hat das alles schon mal mitgemacht. Er hat etliche Spieler kommen und gehen sehen, und wenn man ehrlich ist, dann sind nicht einfach irgendwelche Spieler gekommen und irgendwelche gegangen - in aller Regel gingen die besten, und es kamen solche, die besser werden wollten. Das war vor einem Jahr so, das ist jetzt so. Gut also, dass das Wissen, es schon mal geschafft zu haben, hilft, es noch mal zu schaffen. Es ist einfacher, den Berg zu erklimmen, wenn man schon mal oben war.

In den vergangenen Wochen haben Patrick Drewes, Orhan Ademi und Simon Skarlatidis, drei gestandene Spieler von zentraler Bedeutung, die Würzburger Kickers verlassen, und im Gegenzug zählen in Zukunft ein paar junge Fußballer zum Kader, deren Namen die Leute erst ein paar Mal aufsagen müssen, um sie aus dem Stegreif parat zu haben. Manche müssen sie sich vielleicht sogar buchstabieren, um sie zu verinnerlichen. K-w-a-d-w-o zum Beispiel. Oder: C-a-k-m-a-k. Als Trainer dieser Spieler ist Schiele nun also wieder als Fußballlehrer gefragt. Im wörtlichen Sinn. Als Trainer, der Fußball lehrt.

Michael Schiele, 41, hat Leroy Kwadwo, Hüseyin Cakmak und die anderen Spieler am Donnerstagnachmittag zum ersten Mal auf dem Trainingsplatz begrüßt - darunter auch Patrick Sontheimer, dessen Leihe vom Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth samt Kaufoption verlängert wurde. Die Namen der Neuen muss Schiele sich nicht mehr aufsagen, er kennt sie. Er hat die Spieler ja nach Würzburg geholt, denn als Trainer der Kickers ist er nicht nur der Trainer der Kickers. Schiele ist auch: Kaderplaner, Gesicht, Trümmermann.

Wenn man nur die vergangenen fünf Jahre betrachtet, jene Zeit also, seit die Würzburger Kickers in den professionellen Fußball zurückgekehrt sind, dann sind die Würzburger Kickers ein Trainerverein. Schon Bernd Hollerbach hat es nicht dabei belassen, sich unter der Woche bloß auf den Trainingsplatz zu stellen und am Wochenende dann die Aufstellung festzulegen und seinen Spielern viel Glück zu wünschen - er hatte alle Fäden in der Hand.

Welch außerordentliche Stellung Hollerbach hatte, wurde vor allem an einem Vormittag im Juni 2016 klar. Der Klub hatte in einer mystischen Pressemitteilung eine weitreichende Entscheidung für die Zukunft angekündigt, die Öffentlichkeit war in Wallung geraten, die Medien handelten Ivica Olic als Zugang, und dann saß bloß Hollerbach auf einem überdimensionierten Stuhl, einige Meter über den Journalisten und Fans, was nicht nur eine ulkige Inszenierung war, sondern auch eine Botschaft enthielt: Seht her, sagte der Klub stolzgeschwellt, das ist unser Trainer - und eröffnete dann nur, dass Hollerbach auch in Zukunft der Trainer ist.

Die Anhänger reden schon wieder von Abstiegskampf

Die Spieler hingegen, das war unter Hollerbach so, das ist unter Schiele so, kommen an den Dallenberg, wenn sie gut sind, werden besser und gehen, wenn sie zu den besten im Team gehören. Das ist das Schicksal dieses Vereins, aber auch ein Verdienst des jeweiligen Trainers. Erst der von Hollerbach, der den Spielern mit so viel Härte wie möglich und so viel Nähe wie nötig begegnete. Und nun der von Schiele, der von allem ein bisschen ist: Freund und Ansprechpartner, aber auch Führungskraft und Vorgesetzter.

Welchen Umgang Schiele mit seinen Mitmenschen pflegt und wie er mit der Last klargekommen ist, die Hollerbach ihm mit all seinen Meriten aufgebürdet hat, das war schon im Oktober 2017 zu erkennen. Als es nach drei Niederlagen so aussah, als würde der Übergangstrainer Schiele zum Untergangstrainer Schiele werden, da beförderte ihn der Klub zur Dauerlösung. Ein paar Tage später saß er in der Gaststätte des Stadions, einen Teller mit einem Burger und einer Portion Pommes vor sich. Ein erstes ausführliches Interview, um ein paar Fragen zu besprechen: Sind Sie als langjähriger Assistenztrainer überhaupt gemacht für die große Bühne? Und wie ist es für Sie, als gescheitert zu gelten, bevor Sie so richtig losgelegt haben?

Schiele lächelte. Die jüngsten Ergebnisse hatten Anlass zur Kritik gegeben, die Fans befürchteten nach seinem Aufstieg den Abstieg in die Regionalliga Bayern, doch Schiele war ganz bei sich. Klar, sagte er, die Skepsis sei zu verstehen, er werde sich aber Tag und Nacht für die Würzburger Kickers einsetzen. Mehr stehe ohnehin nicht in seiner Macht. Dann bot er ein paar Pommes an.

Knapp zwei Jahre später ist die Kritik an ihm verstummt. Man weiß längst, warum der Vorstandsvorsitzende Daniel Sauer ihm damals die Mannschaft trotz aller Risiken und Nebengeräusche anvertraut hat. Die Würzburger sind zwar grundsätzlich pessimistische Menschen, und vermutlich wären sie keine Würzburger, wenn sie nach den jüngsten Zu- und Weggängen nicht schon wieder von Abstiegskampf sprechen würden - es braucht allerdings nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass Schiele auch diesen Umbruch meistern wird.

"Ich freue mich, mit jungen und wissbegierigen Spielern in dieses Jahr gehen zu dürfen", sagt Schiele. Er steht mal wieder am Fuß des Berges, doch er kann es kaum abwarten, hinaufzusteigen.

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