Würzburger Kickers:Auf schmalem Grat

01.11.2020, xjhx, Fussball 2.Bundesliga, Kickers Wuerzburg - VfL Bochum emspor, v.l. Arne Feick (Wuerzburger Kickers),

Der Moment bevor aus einem Punkt wieder null Zähler für die Würzburger Kickers wurden: Simon Zoller erzielt in der 73. Minute das 3:2-Siegtor für den VfL Bochum, Arne Feick (links) kann ihn nicht davon abhalten.

(Foto: imago images/Jan Huebner)

In einem phasenweise wilden Spiel verlieren die Würzburger 2:3 gegen Bochum. Das provoziert die Frage, ob die Elf von Trainer Marco Antwerpen nur eines kann: seriös verteidigen - oder wuchtig angreifen?

Von Sebastian Leisgang

Patrick Sontheimer ist so ein Beispiel, ein ziemlich gutes sogar, vielleicht das beste, das der Kader der Würzburger Kickers gerade hergibt. Als Marco Antwerpen seine Mannschaft vor dem Spiel gegen den VfL Bochum dazu aufrief, sehr vereinfacht formuliert, mit mehr Spielern nach vorne zu rennen, wenn ein Angriff läuft, da dürfte Würzburgs Trainer auch Sontheimer gemeint haben. Was hat der Mittelfeldspieler gegen Bochum also gemacht? Er ist nach vorne gerannt, deutlich häufiger, als er das in den vergangenen Wochen getan hat. Hin und wieder ist Sontheimer sogar im Strafraum aufgetaucht. Und: Er hat ein Tor geschossen, obwohl das Toreschießen, sagen wir es mal so, nicht gerade seine Paradedisziplin ist. Was aber war das Ende vom Lied? Antwerpen regte sich über die Abwehr auf.

"In der Defensive schaffen wir es, ordentlich zu stehen": Das hatte Antwerpen vor seinem vierten Spiel als Würzburger Trainer gesagt und bei seiner Einschätzung nur die zweite Hälfte beim 1:3 in Hamburg ausgeklammert. (Zu Recht übrigens, der HSV hat ja Simon Terodde, und das ist sowieso unfair.) Nach dem 2:3 am Sonntagnachmittag gegen Bochum sagte Antwerpen dann: "Du musst sehen, dass du die Anzahl an Gegentoren minimierst."

Die Kickers haben es momentan nicht leicht. Wie sie es machen, machen sie es verkehrt. Wenn sie sich in erster Linie darauf besinnen, das eigene Tor zu verteidigen, dann geht vorne nix. Und wenn sie - wie nun gegen Bochum - nach vorne rennen, um den Gegner mal zu nötigen, dass er es ist, der das eigene Tor verteidigen muss, dann machen sie hinten so schlimme Fehler, dass auch jene Mannschaften ein paar Tore schießen, die ohne Terodde spielen.

Eigentlich schließt sich das ja nicht aus: sachlich zu verteidigen und enthusiastisch anzugreifen. Wer aber am Sonntagnachmittag das Würzburger Spiel von der Tribüne aus verfolgte, dem drängte sich die Frage auf: Können die Kickers momentan nur eines? Müssen sie sich entscheiden zwischen anständiger Abwehrarbeit und wuchtigen Angriffen?

"Ich denke schon, dass wir offensiv mehr gezeigt haben", sagte Sontheimer nach der Partie und rechtfertigte die mangelnde Balance im Spiel der Kickers damit, dass die Mannschaft "in der kurzen Zeit" nach dem Trainerwechsel noch "nicht die Abstände drin hat", die sie drin haben müsste, um erfolgreich zu sein.

In der kurzen Zeit?

Natürlich hat Würzburg nach dem Aufstieg mal wieder mehr als den halben Kader ausgetauscht, natürlich braucht ein solcher Umbruch Zeit, und natürlich liegt der Trainerwechsel erst vier Wochen zurück. All das können die Kickers als mildernde Umstände geltend machen, andererseits könnte man aber auch sagen: Der Trainerwechsel liegt schon vier Wochen zurück. Vier Wochen, in denen die Spieler auch eine Länderspielpause hatten, um zu begreifen, was Antwerpen von ihnen will, und das auch zu verinnerlichen.

Wer Antwerpen während der 90 Minuten gegen Bochum an der Seitenlinie beobachtete, wer sah, wie er auf so manchen Fehler seiner Spieler reagierte, was er hineinbrüllte, wie er mit dem Kopf schüttelte, der konnte meinen, dass er sich das alles ein wenig leichter vorgestellt hatte. Dass seine ersten Wochen in Würzburg vielleicht nicht ganz so zäh werden würden.

Am Ende, als sich die Niederlage allmählich abzeichnete, da ließ sich Antwerpen in den Klappstuhl fallen, der stets vor der Spielerbank steht. Er schlug das rechte Bein über das linke und stützte den Ellenbogen auf die Lehne. Ruhig, in sich gekehrt, so saß er da. Der sonst so energische Trainer, er war jetzt ein stiller Beobachter.

Ein Monat ist Antwerpen mittlerweile im Amt. Vor einem ersten Zwischenfazit hat er - ebenso wie der runderneuerte Kader - noch ein bisschen Zeit und Geduld verdient, allzu lange sollten die Kickers allerdings nicht brauchen, ehe sie zu erkennen geben, dass sie sich auf dem rechten Weg befinden. Schon jetzt sind es vier Punkte, die Antwerpens Mannschaft vom Relegationsplatz trennen. Auf diesem steht momentan der 1. FC Heidenheim, Würzburgs Gegner am Freitag.

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